Sonntag, 24. April 2016

Verdammt in alle Ewigkeit

Regie: Fred Zinnemann

Die Geschichte vom Soldaten Prewitt...

"Verdammt in alle Ewigkeit" war nicht nur in der Oscarnacht 1954 mit insgesamt 8 Auszeichnungen (Bester Film, Regisseur Fred Zinnenmann, Nebendarsteller Frank Sinatra, Nebendarstellerin Donna Reed, Kameramann Burnett Guffey, Drehbuchautor Daniel Taradash, Bester Schnitt, Bester Ton) der große Absahner, sondern lockte einige Monate vorher die Massen in die Kinos. Gleich nach Disneys Peter Pan und dem Monumentalfilm "Das Gewand" war der dialoglastige Antikriegsfilm der dritterfolgreichste Film des Jahres 1953 und spielte schon damals phänomenale 30,5 Millionen Dollar alleine in den USA ein. Für Zinnemann war es ein Triumph, da ihm bereits mit seinem Vorgängerfilm "Zwölf Uhr Mittags" ein ultimativer Welterfolg gelang. Beides verdiente Klassiker bis heute...auch wenn nach 60 Jahren der kontroverse Lack des Romans von James Jones natürlich ab ist. Damals galt er als unverfilmbar, weil die darin enthaltenen Themen wie z.B. Ehebruch, Sexualität, Amtsmissbrauch und Militärkritik immer noch im Tabubereich lagen und auch nicht dem damaligen "Production Code" entsprachen. Der Drehbuchautor musste massive Zugeständnisse machen, so ist nichts im Film zu sehen von der Strichertätigkeit des Soldaten Maggio, auch die Prostituierten werden als Animierdamen bezeichnet. Dennoch schaffte es der Autor die Stimmung und die grundsätzlichen Aussagen des Buches zu retten. Und für einen Film aus den keuschen 50s brodelt es sexuell ganz gewaltig unter der Oberfläche auf Hawaii im Jahre 1941, kurz vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor. Und nicht nur alleine wegen der berühmtesten Kuss-Szene der Kinogeschichte zwischen Burt Lancaster und Deborah Kerr, während sie am Strant von Hawaii von den Wellen umspült werden und sich leidenschaftlich in der Gischt der anrollenden Brandung umarmen. Es ist eine ehebrecherische Umarmung, wenn man die Geschichte kennt, die der Film erzählt. Auch die wunderbare Schlußszene des Films - auf dem Deck des Schiffes - ist ein großartiger Beweis für die immer noch bestehende Klasse dieses Films, der manchmal auch als Seifenoper für Männer bezeichnet wird. Es ist alles drin: Kasernenalltag, Thrill, Liebesmelodram bis hin zum Kriegsspektakel und Soldaten, die sterben - allerdings nicht nur den japanischen Feind. Und es ist der Film, um den sich die Legenden bildeten. Denn Frank Sinatra - so sagt man - verdanke seinen Mafia Kontakten diese Nebenrolle, mit der er seine Karriere wieder ankurbeln konnte. Es soll aber wie gesagt nachgeholfen worden sein, da der Filmproduzent den enthaupteten Kopf seines Lieblingspferdes in seinem Bett vorgefunden haben soll - schrecklich, diese brutale Szene wurde später in Francis Ford Coppolas "Der Pate" berühmt.
Es ist der Sommer 1941. Mehrere Wochen vor den Angriffen der japanischen Luftstreitkräfte auf die im Hafen von Pearl Harbor stationierte US-Pazifikflotte. In Hawaii meldet sich der Soldat Robert Prewitt (Montgomery Clift) in den Kasernen von Schofield zu seinem Dienst. Empfangen wird er von Sergeant Milton Warden (Burt Lancaster). Der Ruf von Prewitt ist gut, denn er soll nicht nur ein guter Hornist sein, sondern auch ein begnadeter Mittelgewichtsboxer. Daher hat Captain Dana Holmes (Philip Ober) auch dafür gesorgt, dass er aufgrund des Versetzungsantrages von Prewitt, zugreifen kann. Er will den Mann in der Boxstaffel haben und die kommende Meisterschaft mit einem Talent wie Prewitt gewinnen. Doch dieser weigert sich noch einmal in den Ring zu steigen und er hat auch einen driftigen Grund für seine Entscheidung. Prewitt ist immer noch traumatisiert davon, einem seiner besten Kameraden im Kampf das Augenlicht genommen zu haben. Prewitt wird gewarnt, als er sich verweigert. Man wolle ihn schon kleinkriegen und zwar mit massiven Schikanen. Nur Prewitts neuer Freund, der quirlige Italo-Amerikaner Maggio (Frank Sinatra) hält zu ihm. Warden, der Sergeant, der eigentlich die meiste Arbeit von seinem Vorgesetzten Holmes erledigt, zollt dem Dickkopf aber einen gewissen Respekt und ist fasziniert, dass Prewitt auch bei den fiesesten Schikanen bei seiner Entscheidung bleibt. Und Warden fasst den Mut die kühl wirkende Gattin von Holmes anzubaggern. Karen (Deborah Kerr) hat nicht den besten Ruf in der Kaserne, einige Soldaten meinen sie wäre auch schon fremdgegangen. Prewitt dagegen lernt in einem Amüsierschuppen von Hawaii die hübsche Lorene (Donna Reed) kennen, die dort als Prostituierte arbeitet. Beide Männer stehen bald vor der Wahl zwischen der Liebe zu den Frauen und der Liebe zur Armee...


Im Mittelpunkt des schwarz-weiß Klassikers stehen vor allem die großen Gefühlskonflikte, mit denen sich die harten Jungs irgendwo zwischen soldatischem Pflichtbewusstsein und persönlichen Bindungsängsten herumschlagen müssen. Sowohl Roman als auch Film sind antimilitärisch und zeigen das Leben der einfachen Soldaten, die der Willkür eines bornierten Vorgesetzten ausgesetzt sind. Erst im letzten Viertel des Films kommt es dann überraschend während sich die meisten Männer in der Kantine beim Frühstücken befinden zum japanischen Angriff. Nicht nur die Männer, auch die Zuschauer werden von diesem Ereignis kalt erwischt und es würfelt das Beziehungsgeflecht noch einmal auseinander. Durch die hervorragenden Schauspielleistungen von Lancaster, Kerr, Clift, Sinatra, Reed und Ernest Borgine in einer gemeinen Rolle ist das Beziehungsdrama extrem ergreifend und der von Zinnemann eingesetzte halbdokumentarische Touch sorgt für zusätzlich gute Atmosphäre. Unter der Oberfläche lauern Gewalt und Sex. Nicht nur in den schwülen Bars von Hawaii sondern im anscheinend schönen bürgerlichen Heim.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Die Faust im Nacken


Regie: Elia Kazan

Am Hafen von Hoboken...

Es brauchte nur zwei Filme um aus dem Method Acting Darsteller Marlon Brando einer der größten Leinwandstars der 50er Jahre zu machen. Und in beiden Filmen "Endstation Sehnsucht" und "Die Faust im Nacken" führte Elia Kazan Regie, der bereits für "Tabu der Gerechten" im Jahr 1948 den Oscar als bester Regisseur erhielt. Der zweite Treffer gelang ihm 1955 als "Die Faust im Nacken" acht seiner zwölf Oscar-Nominierungen in Siege umwandeln konnte. Einen ging an Elia Kazan, als Schauspieler durfte sich Marlon Brando freuen. Die junge Eva Marie Saint wurde als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet, ausserdem gewann der Film den Hauptpreis als bester Film und siegte in den Kategorien Drehbuch, Szenenbild, Kamera und Schnitt. Wie großartig das gesamte Schauspielensemble war, kann man daran erkennen, dass auch die Nebendarsteller Karl Malden, Lee J. Cobb und Rod Steiger nominiert waren. Auch Leonard Bernstein mit seiner  Filmmusik hatte auf einen Oscar gehofft. Auch die Kinokassen klingelten im Jahr 1954. Der Film war in den Kinojahrescharts der USA auf Platz 4 - hinter "Das Fenster zum Hof", "Die Gladiatoren" und "Die Caine war ihr Schicksal".
Inzwischen ist der Film 60 Jahre alt und er ist bemerkenswert jung geblieben - der Rebell Terry Malloy, den Marlon Brando darstellt, ist auch heute noch glaubwürdig und ein interessanter Typ. Damals war dieser Typ noch neuartig fürs Kino, doch er hat das Kino nachhaltig beeinflusst und heute ist diese rebellische Figur im Kino überhaupt nicht mehr wegzudenken. Marlon Brando war - zusammen mit James Dean - der Vorreiter sozusagen. Hervorragend ist die Atmosphäre der Straße eingefangen, der Film wurde an Originalschauplätzen in Hoboken gedreht. Die Stadt liegt am Hudson River, direkt neben Manhattan.
Die Dockarbeiter sind machtlos gegen eine korrupte Gewerkschaft, die von dem rücksichtslosen Gangster Johnny Friendly (Lee J. Cobb) und dessen Kompagnon, der Rechtsanwalt Charley Malloy (Rod Steiger) geleitet wird. Um überhaupt Arbeit zu bekommen, müssen die Arbeiter aus der sozialen Unterschicht bezahlendes Mitglied dieser Gewerkschaft sein. Arbeiter, die sich gegen dieses System auflehnen werden bestraft. Sie bekommen keine Arbeit mehr - im schlimmsten Fall findet man irgendwann die Leiche. "Es war ein Unfall" heißt es dann. Charley Malloys jüngerer Bruder Terry (Marlon Brando) ist ein gescheiterter Boxer und lebt irgendwie in den Tag hinein. Durch seinen Bruder bekommt er immer wieder kleinere Jobs und genießt ein paar Privilegien durch die Gewerkschaft, wenn er denen kleine Gefälligkeiten macht. So führt er auch unwissend den jungen Joey Doyle in eine tödliche Falle. Terry, der wenig gebildet ist, macht sich im Hinterher Vorwürfe, fühlt sich aber auch loyal, weil die Gewerkschaftler ja immer gut zu ihm waren und ihm halfen. So schweigt er über sein Wissen und hält dicht. Nach dem Mord lernt er Terrys Schwester Edie (Eva Marie Saint) kennen, die nicht glaubt, dass ihr Bruder einen Unfall hatte. Auch die anderen Bewohner glauben dies nicht - zu oft gabs schon Tote. Immer dann, wenn ein Arbeiter mit den Polizisten kooperieren wollte und gegen Friendlys Gang aussagen wollte. Trotz seiner harten Schale hat Terry auch einen sehr sensiblen Kern. Er züchtet oben auf dem Dach, gemeinsam mit dem jungen Jimmy (Arthur Keegan) Tauben. Durch Edie, in die er sich bald verliebt, gerät er bald in einen Gewissenskonflikt und natürlich auch zwischen die Fronten. Auch Pater Berry (Karl Malden) hat das Ziel gegen die Gewerkschaft vorzugehen, aber ein weiterer Arbeiter, der auspacken will, wird Opfer eines "Unfalls"...


Damals müssen die Filme von Elia Kazan wie eine Explosion gewirkt haben, denn sie haben das US-Kino und deren Figuren und Helden nachhaltig verändert. James Deans erster Film "Jenseits von Eden" ist auch ein Kazan Film. Und ein Jahr vorher war es Marlon Brando, der amerikanischen Alltag und Realität in die Kinos brachte - als Kämpfer gegen korrupte Gewerkschaften. So glich sich Hollywood auch an den Realismus europäischer Filme ein, die Italiener waren ja Vorreiter dieses Stil des kleinen Mannes. Natürlich hat die Hollywood Variante aber im Hauptteil noch eine besonders dramatische Variante parat, denn nach einer Gerichtsaussage ist die Macht des Bosses schon zerbrochen. Aber der Showdown, bei dem Terry von einer Überzahl dieser Mobster zu einem blutigen Klumpen Fleisch zusammengeschlagen wird, liefert die Action, die das Publikum begeistert. Am Boden zerstört und trotzdem wieder aufstehen. Mit diesem Bild wird der Rebell zum Held und zum Vorbild für die Hafenarbeiter, die bisher geschwiegen haben und es zeichnet sich eine bessere Zukunft ab. Der Schluß vielleicht zu pathetisch und sicherlich zu hoffnungsvoll, aber er ändert auch nichts mehr daran, dass "Die Faust im Nacken" eines der großen Filmmeisterwerke der 50er Jahre ist. Zu hervorragend sind die vielen vorangegangenen Szenen, die auch eine starke poetische Kraft inmitten dieser Tristesse sichtbar werden lässt. Etwa die Szenen mit den Tauben auf dem Dach und die Annäherung Terrys an Edie. Das ist alles total klasse inszeniert und packt auch heute noch. Und von dieser Qualität gibt es sehr viele Szenen, wenn ich da an die Autofahrt der beiden Brüder denke - einer der unvergesslichen Höhepunkte in einem bis heute legendären Film.
Gedreht wurde im winterlichen Hoboken in New Jersey mit den vielen häßlichen Hafenhäusern vor scheinbar ewig grauem Himmel.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Die Nacht vor der Hochzeit

























Regie: George Cukor

Hochzeit in Philadelphia...

1934 bekam Regisseur George Cukor für "Vier Schwestern" seine erste Oscarnominierung. Er musste aber vier weitere Anläufe nehmen, bis er 1965 den begehrten Filmpreis für "My fair Lady" endlich gewinnen konnte. Im Laufe seiner langen aktiven Filmkarriere schuf er Klassiker wie "Das Haus der Lady Alquist", "Ein Doppelleben", "Die Frauen", "Ehekrieg" oder "Die Frau mit den zwei Gesichtern" - vor allem im Genre der Screwball-Comedy feierte er mit Filmen wie "Dinner um Acht" (1933), " Die Schwester der Braut" (1938) und vor allem mit "Die Nacht vor der Hochzeit" riesige Erfolge. Der Film heißt im Original "Philadelphia Story" und spielt in dieser Stadt, wo damals noch der Hochsitz des alten Geldes war. Insgesamt brachte es der Film auf 6 Oscarnominierungen (Producer Joseph L. Manciewicz, Regisseur Cukor, Drehbuchautor Donald Ogden Stewart, Hauptdarstellerin katherine Hepburn, Nebendarstellerin Ruth Hussey und Hauptdarsteller James Stewart, der - neben dem Autor - auch den Preis gewinnen konnte.
Wobei James Stewarts Preis von vielen als Kompensation und Wiedergutmachung für das Vorjahr angesehen wird, wo Stewart in "Mr. Smith geht nach Washington" gegen Robert Donat unterlag. Eine damals gängige Praxis, wenn eine hervorragende Darstellerleistung nicht zum Sieg führte. Sie wurde in der gleichen Oscarnacht mit Joan Fontaine fortgesetzt, die den Preis für "Rebecca" schon so gut wie sicher in der Tasche hatte und dann doch gegen Ginger Rogers für "Kitty Foyle" unterlag. Im Jahr darauf kam dann Fontaine zum Zug für den etwas schwächeren Rebecca-Nachfolger "Verdacht".
Jedenfalls wurde "Die Nacht vor der Hochzeit" zu einem unverwüstlichen Klassiker, der in seiner Zeit ein riesiger Kassenerfolg war und damals über 3 Millionen Dollar einspielte, was ihm einen 5. Platz in den US-Kinojahrescharts einbrachte.
Der Film spielt bei den oberen Zehntausend von Philadelphia. In der ersten Szene sieht man einen Mann, der sehr schnell sein Zuhause verlässt. Es handelt sich um C.K. Dexter Haven (Cary Grant), der es bei seiner Ehefrau Tracy (Katherine Hepburn) nicht mehr aushält. Die perfekte Tracy konnte ihrem Mann die Schwäche fürs Trinken nicht verzeihen. Sie ist überzeugt von ihrer rigiden moralischen Haltung. Dieses Eheaus liegt schon ein paar Monate zurück. Nun steht die 2. Hochzeit von Tracy Lord bevor. Bräutigam soll der gesellschaftliche Aufsteiger George Kittridge (John Howard) werden. Doch die Familie Lord hat auch Probleme. Seth Lord (John Hallyday), Tracys Vater, hat eine Afffäre mit einem jungen Showgirl. Die Ehefrau (Mary Nash) hätte diese Liason wohl geduldet, doch Tracy trieb den Vater aus dem Haus. Sehr zum Leidwesen von Tracys kleinerer Schwester, der vorlauten und verzogenen Dinah (Virginia Weidler), die auch die Hochzeitspläne von Tracy nicht gut findet, da sie Dexter viel lieber hatte. Dexter taucht an diesem Tag tatsächlich auch auf, denn er wurde von einem skrupellosen Chefredakteur erpresst und muss nun zwei Zeitungsreporter Mike Connor (James Stewart) und Liz Imbrie (Ruth Hussey) als vermeintliche Freunde von Tracys abwesendem Bruder in die exklusive Villa der Lords einschleusen, damit die über dieses gesellschaftliche Ereignis hautnah berichten können. Ansonsten würde man die schmutzige Story über Tracys Vater veröffentlichen. Zuerst ist Tracy von der Anwesenheit Dexters nicht erbaut, aber dieser Tag hat so seine eigene Dynamik, Am Abend vor der Hochzeit findet ein großer Ball statt und Tracy trinkt entgegen ihrer Angewohnheiten Alkohol. Dexter entdeckt, dass er seine Exfrau immer noch liebt und auch Reporter Mike findet Tracy attraktiv. Am anderen Morgen liegen sich drei Rivalen in den Haaren...


Seit dem Howard Hawks Klassiker "Leoparden küsst man nicht", der bei seinem Erscheinen kein großer Kinoerfolg war, galt Katherine Hepburn als Kassengift. Erst mit dieser Screwball Comedyy konnte sie einen Riesenerfolg verbuchen. Hepburn spielt die Tracy Lord bereits am Broadway und mit der Idee zu einem Film kam sie nach Hollywood zurück. George Cukor war der ideale Regisseur für diesen Stoff, denn der "Frauenregisseur" war sehr mit dem Theater verhaftet und häufig hatten seine Filme diesen Touch von Bühnenaufführungen. Kein Wuner, denn fast alle seine Stoffe basieren auf Bühnenstücke. "Die Nacht vor der Hochzeit" ist eine Komödie, die in den feinsten Kreisen spielt. Sie hat auch ernstere Momente, etwa dann, wenn Tracy irgendwann im Lauf der Handlung in ihr eigenes Spiegelbild schaut und eine tiefe Wahrheit über sich entdeckt. Am Ende wird die reiche Widerspenstige, dann auch gezähmt -  oder besser bestraft, erzogen und belohnt.


Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

Ehe im Schatten

























Regie: Kurt Maetzig

Mischehe...

Einige der ersten deutschen Spielfilme, die kurz nach dem 2. Weltkrieg entstanden, beschäftigten sich durchaus mit der ganz jungen Vergangenheit - sogar in sehr kritischer Weise. Da gab es Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns", Helmut Käutners "In jenen Tagen" oder Fritz Kortners "Der Ruf". Kurt Maetzigs Melodram "Ehe im Schatten" war sogar ein echter Kassenhit und lockte im Nachkriegsjahr 1947 insgesamt 12 Millionen Deutsche in die Lichtspielhäuser. Angelehnt ist der Film an das Schicksal des bekannten Bühnen- und Filmschauspielers Joachim Gottschalk, dessen Frau Jüdin war. Die Nazis verlangten von ihm die Scheidung. In dieser auswegslosen Situation wählten beide für sich und für ihren Sohn den Freitod. "Ehe im Schatten" variiert diese wahre Begebenheit und konfrontierte den Zuschauer erstmalig nach dem Krieg mit dem Thema "Antisemitismus". Erst Jahre später gabs auch im Kino die Jahre der Verdrängung mit weichgespülten Komödien in Technicolor und Heile Welt im Wirtschafswunderland. Der DEFA-Film bekam damals den Bambi, geriet aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit und ist heute nur noch wenig bekannt. Damals fand die Filmpremiere in allen vier Berliner Sektoren gleichzeitig statt. Im russischen Sektor fand die Aufführung im Filmtheater am Friedrichshain, im amerikanischen Sektor im Cosima Filmtheater in Friedenau, im britischen Sektor in der Kurbel in Charlottenburg und im französischen Sektor  im Prinzenpalast in Gesundbrunnen statt.  Der Regisseur selbst widmete den Film auch seiner eigenen Mutter, die am 9. Februar 1944 als Jüdin Selbstmord beging. Die Handlung beginnt im Jahr 1933 im Schauspiel-Milieu. Die gefeierten Stars der Aufführung "Kabale und Liebe" sind die Schauspieler Hans Wieland (Paul Klinger) und Elisabeth Maurer (Ilse Steppat). Aber es brauen sich auch dunkle Wolken in der Theaterwelt zusammen, denn die Nazis, die kurz vorher an die politische Macht kamen, sind judenfeindlich und so steht sehr schnell das mögliche Berufsverbot in der Diskussion. Aber noch freut sich das Ensemble auf einen tollen Urlaub auf der Insel Hiddensee. Dort verliebt sich Elisabeth in Dr. Herbert Blohm (Claus Holm), der den Nazis Sympathien entgegenbringt und glaubt, dass Deutschland auch wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt. Als er erfährt, dass nicht nur Elisabeths Kollege Kurt Bernstein (Alfred Balthoff) Jude ist, sondern auch Elisabeth, lässt er sich zuerst nicht besonders davon beeindrucken, doch tatsächlich führt diese Tatsache auch zum Aus der Lovestory. Auch der Theaterdirektor Fehrenbach (Hans Leibelt) zieht mit dem neuen Wind, der nun herrscht. Elisabeth bekommt kein Engagement mehr. Um seine Kollegin zu schützen, macht Hans Wieland, der immer mehr zum Star aufsteigt, seiner Kollegin Elisabeth einen Heiratsantrag. Sie nimmt an und für einige Jahre hat diese "Mischehe" tatsächlich eine schützende Funktion. Das Ehepaar schweißt näher zusammen und aus der Kameradschaft entwickelt sich tatsächlich immer mehr die große Liebe des Lebens. Nach den Nürnberger Gesetzen bleibt sie durch die Ehe mit einem Arier geschützt, das Berufsverbot bringt aber seelische Konflikte mit sich. Elisabeth lebt in ständiger Angst und meidet die Menschen. Hans zieht in den Krieg und die Lage für Juden verschärft sich weiter...


Am Ende steht der Freitod des Ehepaars, denn es gibt im Jahr 1943 keinen Ausweg mehr. In der letzten Szene spielt Elisabeth Chopin auf dem Klavier und sieht Hans zu, wie er Gift in den Kaffee schüttet. Die Kameraarbeit von Friedl Behn-Grund geht dabei einige innovative Wege, denn in einer Sequenz sieht der Zuschauer die Geschichte durch verschwommene Milchglasblenden, die dann am Ende zu einer Auseinandersetzung der Rivalen von einst - Hans und Herbert - führen. Herbert Blohm ist inzwischen eine bedeutende Nazigröße und entscheidet über den Niedergang der Ehe, weil er Hans zur Scheidung zwingen will. Einerseits hat Kurt Maetzig sein Melodram sehr konventionell verfilmt, andererseits gelingt ihm aber auch eine atmosphärisch dichte und bedrückende Geschichte jener Zeit. Maetzigs Drehbuch lässt auch keinen Zweifel, dass die Lauen, die Mitläufer, die politisch Uninteressierten und Nicht-Engagierten, von Mitschuld nicht frei sind. Bei der Premiere des Films in Hamburg kam es zum Eklat: Unter den Premierengäste waren auch Regisseur Veit Harlan und essen Ehefrau Kristina Söderbaum. Viele Kinobesucher, darunter einige Naziopfer, empfanden das Auftauchen des umstrittenen Regisseurs von "Jud Süß" als echte Provokation, beide wurden dann schließlich von Kinobetreiber Heinz Heisig und von dem Produzenten des Films Walter Koppel, der 5 Jahre im KZ inhaftiert war, aufgefordert das Kino zu verlassen. Aus heutiger Sicht ist der Film ein ganz wichtiger Zeitzeuge und ein Indiz dafür, dass der deutsche Film auch nach dem Krieg einen ganz anderen anspruchsvolleren Weg hätte eingehen können. Der Publikumszuspruch war da, das beweisen die fulminamten Besucherzahlen. Doch irgendwann setzten die Filmemacher auf grenzenlose Unbeschwertheit und so wurde dann die größe Ära der Heimatfilme mit Werken wie "Der Förster vom Silberwald", "Grün ist die Heide" oder "Schwarzwaldmädel" eingeläutet.



Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Freitag, 22. April 2016

Immer Ärger mit Harry


























Regie: Alfred Hitchcock

Eine Leiche liegt im Wald...

Alfred Hitchcocks schwarzhumorige Komödie "Immer Ärger mit Harry" aus dem Jahr 1955 entstand zwischen den Filmen "Über den Dächern von Nizza" und "Der Mann, der zuviel wußte" und nimmt nicht nur in Hitchcocks Gesamtwerk eine ganz besondere Stellung ein. Der Film ist auch heute noch im Filmkosmos ein ausserordentlich originelles und eigenständiges Werk, dass sein Alleinstellungsmerkmal bis heute aufrechterhalten konnte. Kein Film ist wie "Immer Ärger mit Harry" und man sucht vergeblich nach Ähnlichkeiten mit anderen Filmen. Das liegt einerseits an der sehr besonderen Geschichte, die der Film erzählt. Am stärksten dominiert aber die Farbpalette des Films, der an einem wunderschönen Herbsttag in Vermont spielt. Bei strahlendem Technicolor präsentiert Hitchock dem Zuschauer die Schönheit des Indian Summer. Dieses idyllische Landschaftsbild und das herrliche Panorama wird nur durch eine Leiche gestört, die am Waldrand unnütz am Boden liegt. Im Lauf der Handlung soll sich herausstellen, dass dieser leblose Störenfried Harry Worp heißt. Doch an diesem frühen Morgen weiß das noch keiner. Vor allem nicht der pensionierte Kapitän und Hobbyjäger Albert Wiles (Edmund Gwenn), der 3 Kugeln aus seiner Flinte abgeschossen hat und sich nun auf den Hasenbraten freut. Doch statt des Nagers sieht er nun diese Leiche liegen und glaubt, dass er dem Fremden das Licht ausgeblasen hat. Mit einem unbeabsichtigen Schuß ab jetzt in den Knast. Um dies zu verhindern, will er den Toten beseitigen und ihn hier an diesem friedlichen Ort begraben. Doch sein Plan wird ab jetzt dauernd gestört. Der kleine Arnie Rogers (Jerry Mathers) hat den toten Mann entdeckt und holt seine Mom (Shirley McLaine) um ihr seinen Fund zu zeigen. Aus diesem Gespräch erfährt der Kapitän, der sich hinter einem Baum versteckt hat, dass der Tote ein gewisser Harry Worp ist und mit Jennifer, Arnies Mom, verheiratet war. Diese scheint froh über das Ableben ihres Exgatten zu sein und hat ihm wohl noch mit einer Milchflasche eine übergezogen als dieser sie heute morgen überraschend besuchte. Doch es kommt noch dicker: Ein Landstreicher (Barry Maccollum) klaut Harry seine Schuhe und Dr. Greenbow (Dwight Marfield) ist so in seinem Gedichtband versunken, dass er zweimal am Toten vorbeiläuft und ihn nicht bemerkt. Dann kommt auch die altjüngferliche Miss Gravely (Mildred Natwick) vorbei, gerade in dem Moment, als der Kapitän Harry in sein Grab befördern will. Sie hat sehr großes Verständnis für den Schützen und wünscht ihm viel Glück bei seinem Plan, am Ende lädt sie ihn für den Nachmittag zu Maulbeerkuchen ein. Zu der Schar skurriler Leute gesellt sich auch noch der Maler Sam Marlowe (John Forsythe) dazu, der seine Zeichnungen im Laden von Mrs. Wiggs (Milldred Dunnock), genannt Wiggii, ausgestellt hat. Deren Sohn Calvin (Royal Dano) ist Hilfsheriff des Ortes und nimmt seinen Posten sehr ernst. Er hat 3 Schüsse gehört und geht dieser Spur nach, die auf einen Wilderer schließen lässt...




In das harmonische Bild schleichen sich von Szene zu Szene immer mehr Absurditäten hinein, der Humor ist sehr britisch und damit konnte Hitchcock - trotz exzellenter Kritiken - in den USA keinen riesigen Kinohit landen. Robert Burks, der geniale Kameramann, der mehrere Hitchcock Klassiker durch sein Talent bereicherte, fotografiert die schönsten Farben des Herbstlaubes und zusammen mit dem durchgehenden Augenzwinkern und dem schwarzen Humor des Meisters ist das Ergebnis eine verspielte und spleenige Einzigartigkeit. Die grotesken Wendungen, die die Story nimmt, lassen den Zuschauer immer wieder schmunzeln, auch wenn alles recht makaber bleibt. Es sind vor allem die Figuren, die sehr schön gezeichnet sind. Sie sind alle herrlich egozentrisch und verhalten sich sehr aussergewöhnlich und sogar etwas weltfremd - sie leben in ihrer eigenen kleinen und sehr sympathischen Welt. Und die liegt irgendwo in diesem Dörfchen in Vermont.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

Moby Dick

























Regie: John Huston

Ahab Fahrt ins Verderben...

Gemeinsam mit seinem bevorzugten Kameramann, dem Briten Oswald Morris, ging Regisseur John Huston Wagnisse mit dem Technicolor Verfahren ein - diese ganz innovativen, experimentellen Wege holten somit noch mehr aus den brillainten, strahlend leuchtenden Farben heraus. So fotografierte der Brite "Moulin Rouge" durch Rauch und buntes Licht, so dass der Film tatsächlich an die Farbigkeit der Plakate des Malers Henri de Toulouse-Lautrec erinnerte. Einen Schritt weiter gingen die beiden dann bei "Moby Dick", der Romanverfilmung von Herman Melville: Der Film wurde so entwickelt, dass seine Bilder an alte, ausgewaschene Kupferstiche des 19. Jahrhunderts erinnerten. Dieser genialen Kameraarbeit ist es zu verdanken, dass der Film von 1956 auch heute noch atmosphärisch und spannend wirkt, also auch heute noch den Zuschauer zu packen weiß. Diese Kameraarbeit ist schon am Anfang bestens zu erkennen. Um diese ausgeblichenen Pastelltöne der Kupferstiche zu hinzubekommen, entzog Morris dem Film im Entwicklungsprozess die Farbigkeit durch Matrizen in Schwarz-Weiß und eine zusätzliche Silberlegierung. Nach zahlreichen Oscarnomnierungen und diversen britischen Filmpreisen als bester Kameramann (Ein Haufen toller Hunde, Der Spion, der aus der Kälte kam, Oliver) bekam er dann 1971 für "Anatevka" den wohlverdienten Oscar. Die Handlung beginnt im Jahr 1841 in New Bedford, Neuengland. Dorthin verschlägt es den jungen Erzähler der Geschichte. Dieser Ismael (Richard Basehart) ist auf der Suche nach Arbeit und sein Ziel ist es in der Hafenstadt als Matrose anzuheuern. Besonders am Walfang ist er interessiert, denn dort soll man schnell Arbeit bekommen. Das Öl der Meeresriesen ist begehrt und viele Schiffe haben sich auf den Walfang spezialisiert. Ein weiterer Grund für seinen Wunsch auf See zu fahren ist, dass das Meer ihn schon immer irgendwie magisch angezogen hat. In einer Kneipe lernt er andere Matrosen (u.a. Harry Andrews) kennen, die ihn - obwohl er kein Einheimischer ist - sehr schnell in ihren Reihen aufnehmen. Er bezieht dort ein Zimmer und soll es mit dem polynesischen Eingeborenen Queequeq (Friedrich von Ledebur), also einem Ungläubigen teilen, der im Verdacht steht Kannibale zu sein. Dies ist dann der Beginn einer guten Freundschaft und am Tage darauf heuern beide auf dem Walfangschiff "Pequod" an. Nach dem Gottesdienst und einer eindringlichen Predigt von Pfarrer Mapple (Orson Welles) treffen die beiden einen sonderbaren Mann (Royal Dano) am Hafen, der sich Elijah nennt und den beiden weissagt, dass Ahab (Gregory Peck), der Kapitän verdammt sei und von einem weißen Wal getötet wird, er wird wieder auferstehen von der Tiefe und alle - bis auf einen - mit in den Tod reißen. Tatsächlich stellt sich schnell heraus, dass Kapitän Ahab, der im Kampf mit einem weißen Wal sein Bein verlor und seitdem eine Beinprothese trägt, die aus den Kieferknochen eines Pottwals hergestellt wurde, tatsächlich eine sehr persönliche Mission mit dem Walfang verbindet. Er will sich an dem Wal rächen. Doch Ahab geniesst das Vertrauen der Männer und hat die Gabe die Mannschaft auf seine Mission einzuschwören. Selbst der vernünftige Maat Starbuck (Leo Genn) , der als einziger die paranoiden Anteile erkennt und für gefährlich hält, kann nicht mit der Unterstützung der Mannschaft rechnen. Als Ahab die Bergung erlegter Wale stoppen lässt, weil Moby Dick, der weiße Wal, sich in der Nähe aufhalten soll und später der "Rachel" einem anderen Walfänger keine Hilfe leistet, um deren Schiffbrüchige zu suchen, ist immer mehr die Katastrophe sichtbar, auf die der rachsüchtige Kapitän zusteuert...




Der Film wurde ein großer Kinoerfolg, erntete aber wegen Hauptdarsteller auch kritische Stimmen, denn er wurde in der zeitgenössischen Kritik als Fehlbesetzung angesehen, obwohl er den Ahab sehr intensiv und glaubwürdig spielt. Es war vor allem deshalb, weil Gregory Peck auf ein bestimmtes Rollenimage festgelegt war und man sich ihn nicht so sehr als finsterer und düsterer Bösewicht vorstellen konnte. Ich finde die Kritik unberechtigt, denn Peck ist ein grandioser Ahab. Huston selbst hätte sich vielleicht eher seinen Vater Walter Huston für die Rolle gewünscht und viele Kinogänger meinten, dass Orson Welles, der den imposanten Pfarrer spielt, besser in der Ahab Rolle gewesen wäre, weil Pecks Gesicht zu gütig und zu jung erschien. Aber wenn man ganz objektiv Pecks Darstellung betrachtet, dann ist er als einbeiniger Rächer großartig und beherrscht jede Szene. Natürlich wird er von Huston auch mit tollen Szenen versorgt. Er wirkt charismatisch, innerlich zerrissen, getrieben von destruktiven Mächten und kann die Besessenheit dieses Mannes glaubwürdig verkörpern. Darüberhinaus sind auch die guten Darstellungen von Leo Genn, Richard Basehart und des Österreichers Friedrich von Ledebur erwähenswert. Nicht zu vergessen der imposante Kurzauftritt von Orson Welles. "Moby Dick" ist auch heute noch ein mitreissender Abenteuerfilm mit Tiefgang. Er zeigt den Walfang mit den Augen der Menschen von damals, aber der Zuschauer von Heute erkennt darin durch die Jagd auf diese imposanten Geschöpfe, den ganzen menschlichen Wahnsinn, der hinter der Jagd steckt. Für den weißen Wal wurden insgesamt drei mehr als dreißig Meter lange Attrappen angefertigt, die aus Stahlskeletten mit Kunststoffhaut bestanden. Eine Attrappe ging unter, bei einer zweiten rissen die Schleppleinen, weshalb für geraume Zeit nach dem Verlust davon die Rede war, ein weißer Geisterwal treibe im Atlantik herum.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.