Freitag, 27. Februar 2015

Wer den Wind sät...

























Regie: Stanley Kramer

Give me that old time Religion...

Angelehnt an den tatsächlich stattgefundenen "Affenprozess" und basierend auf das Theaterstück von Jerome Lawrence und Robert E. Lee drehte Regisseur Stanley Kramer im Jahr 1960 mit "Wer den Wind sät" einen seiner besten Filme. Der Fall ging in die Gerichts-History der Vereinigten Staaten als "Scopes Prozess" ein, der 1925 vor einem Gericht in Dayton, Tennessee statt. Angeklagt war der Lehrer Scopes, der im gleichen Jahr an der Schule Theorien lehrte, die der Bibel in Bezug auf die Entstehungsgeschichte der Menschheit widersprach. Man könnte das Szenario des Films in der heutigen Zeit etwas veraltet empfinden, doch interessanterweise wird das Thema nach wie vor in den USA dank eines erstarkten Fundamentalismus immer wieder diskutiert. Diese extrem konservative christliche Bewegung hat in den USA immer noch großen Einfluß und ist heute noch der Meinung, dass die Bibel bezüglich der Schöpfung immer noch wörtlich zu verstehen sei. Im Jahr 1925 reichte dieser Einfluss sogar aus, dass in den Bundesstaaten Florida, Oklahoma und Tennessee Gesetze erlassen wurden, die das Unterrichten von abweichenden Auffassungen an öffentlichen Schulen untersagten und Tennessee hatte das schärfste Gesetz, weil es diese Art von Unterricht unter Strafe stellten. In "Wer den Wind sät" wurde die Handlung zwar in das fiktive Städtchen Hilsboro verlegt und die Namen der Beteiligten wurden verändert. Der Zuschauer wird aber dennoch ins Jahr 1925 in den Bundesstaat Tennesse entführt, wo bereits die erste Szene die Gottesfürchtigkeit der Bevölkerung, ja sogar eine gewisse Bigotterie, zeigen soll. Es erklingt der eindringliche Gospel "Give me that old time Religion, its good enough for me", der vermittelt, dass mit den Lehren, die der junge Lehrer Bertram T. Cates (Dick York) dort seinen Schülern nahe bringt, die Brisanz bildet, um den einfachen Gottesglauben dieser Menschen aufs Mark zu erschüttern und deshalb wird er vor den Augen seiner Schüler vom Sheriff  - im Beisein des bigotten Reverend Jeremiah Brown (Claude Atkins) - verhaftet.  Cates hat dort die Evolutionstheorie von Darwin durchgesprochen. Der Fall schlägt sofort hohe Wellen im Land und polarisiert natürlich. Unterstützt wird der Angeklagte, dem der Prozess gemacht werden soll, von der Presse. Der zynische Zeitungsmensch E.K. Hornbeck (Gene Kelly) berichtet für den Baltimore Herald. Die Anklage hat mit dem bibelgläubigen Fundamentalisten und früheren US-Außemminister Matthew Harrison Brady (Frederic March) ein bekanntes Zugpferd und einen Streiter für die göttliche Gerechtigkeit bekommen. Er reist mit seiner Frau (Florence Eldridge) in den Ort, wo schon reger Trubel herrscht. Ganz im Sinne des Bürgermeisters und der Geschäftsleute, die durch den Schauprozess riesige Geschäfte wegen der vielen Besucher erwarten. Doch Brady bekommt einen harten Gegner. Die Zeitung hat den agnostischen Verteidiger Henry Drummond (Spencer Tracy) gewinnen können - er gilt als äusserst erfolgreicher Anwalt und war sogar früher mal Weggefährte und sogar Freund von Brady und unterstützte dessen Ambitionen auf die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten. Anklage und Verteidigung liefern sich bald erbitterte Duelle. Zur Schlüsselfigur wird die Pastorentochter Rachel (Donna Anderson), die zwischen Vater und Verlobtem (dem angeklagten Lehrer) entscheiden muss...


Dabei erweist sich "Wer den Wind sät" vor allem als großer Schauspielerfilm und sowohl Spencer Tracy als Henry Drummond und Fredric March als Matthew Harrison Brady liefern brilliante Vorstellungen ab. Dabei gelingt es March sogar trotz eines gewissen Overactings in einigen Szenen eine großartige Filmfigur zu schaffen, mit allen Stärken und Schwächen. Kramer gelingt ein Plädoyer für die freie Meinungsäusserung und es wird Spencer Tracys Part am Ende des Films sein, dass es gelingt die neuen Erkenntnisse der Wissenschaft mit in die biblische Lehren zu integrieren. Intoleranz und Fanatismus erteilt der Filmemacher jedoch eine klare Absage.
Der Film war sehr erfolgreich, dass sich Kramer beim nächsten Filmprojekt erneut für einen Gerichtsfilm entschied.  Sein 1961 entstandener "Urteil von Nürnberg" gehört sicherlich neben Billy Wilders "Zeugin der Anklage" und Sidney Lumets "Die 12 Geschworenen" zum Olymp des Genres.  Aber "Wer den Wind sät" ist beinahe ebenbürtig. Der Film erhielt auch vier Oscarnominierungen: Bestes adaptiertes Drehbuch, beste Kamera (Ernest Laszlo), bester Schnitt und bester Darsteller Spencer Tracy. Gewonnen hat er keine der begehrten Trophäen. Dafür wurde aber Frederic March für seine Rolle mit dem Silbernen Bären von Berlin ausgezeichnet und auch Regisseur Stanley Kramer wurde bei der Berlinale 1960 mit dem Jugendfilmpreis  ausgezeichnet. "Wer den Wind sät" hat es zwar nicht zu diesem überlebensgroßen Filmmeisterwerk geschafft, aber er gehört zu diesen großartigen alten Hollywoodklassikern aus längst vergangenen Tagen, die auch heute noch emotional begeistern können, weil sie mit viel Liebe gemacht wurden.


Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Dienstag, 10. Februar 2015

Samstagnacht bis Sonntagmorgen




Regie: Karel Reisz

 Die Rebellion des Arthur Seaton...

In der Top 100 Liste des British Film Institute über die besten britischen Filme aller Zeiten belegt Karel Reizs "Samstag Nacht bis Sonntag Morgen" einen hervorragenden 14. Platz und damit auch der angesehendste Vertreter des aus dem "Free Cinema" hervorgegangenenn British New Wave, das Mitte der 50er Jahre ihren Anfang nahm und durch stark dokumentarische Machart auffliel. Diese Filme zeigten die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse in realistischen, ungeschönten Bildern und sind in vielerlei Hinsicht mit der französischen Nouvelle Vague verwandt. Neben "Samstag Nacht bis Sonntag Morgen" entstanden weitere Meisterwerke der gleichen Sparte: Lindsay Andersons" Lockender Lorbeer", John Schlesingers "Darling", Richard Lesters "Der gewisse Kniff", Tony Richardsons "Die Einsamkeit des Langstreckenläufers" und "Blick zurück im Zorn", Jack Cardiffs "Söhne und Liebhaber", Jack Claytons "Der Weg nach oben" oder Bryan Forbes "Das indiskrete Zimmer" - allesamt Topfilme und die meisten davon sucht man vergeblich als deutschsprachige DVD-Ausgabe. In Karel Reiszs Meisterwerk lernt der Zuschauer den jungen, rebellischen und vor allem unangepassten Arthur Seaton (Albert Finney) kennen. Er verdient seine Brötchen als Maschinist in einer Fabrik Nottingham. Er will einfach das Leben genießen und will auf keinen Fall so werden wie seine braven Eltern, die in ihrer Freizeit nur noch vor dem Fernseher hocken und sich zufrieden berieseln lassen.  Der junge Mann verjubelt seine Löhne mit seinem besten Kumpel Bert (Norman Rossington) hautpsächlich an den Wochenenden in den Bars und Kneipen. Sein Motto: Viel Trinken, ne Menge Frauen und eine gute Zei habent. Heimlich hat er eine Affäre mit Brenda (Rachel Roberts), der Frau seines älteren Arbeitskollegen Jack (Bryan Pringle). Er beginnt auch eine Beziehung mit Doreen (Shirley Ann Field), die etwa im gleichen Alter ist. Als Brenda schwanger wird, sucht Arthur erstmal Rat bei seiner Tante Ada (Hylda Baker), die schon Erfahrungen mit den verbotenen Abtreibungen hat. Die neugierige Nachbarin Mrs. Bull (Edna Morris) ahnt, dass "der Halbstarke" ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hat...



"Samstag Nacht bis Sonntag Morgen" ist trotz seines Alters von mittlerweile 55 Jahren aufgrund der universellen Thematik immer noch sehr aktuell.  Dabei steht das Wochenende des jungen Arbeiters alsSinnbild für zwei Lebensphasen. Das stürmerisch-drängerische, freie und ungebundene, provokative Leben mit einer gewissen Genußsucht wird in der langen Samstagnacht ausgelebt. Der Sonntag steht für langes Ausschlafen und Ruhe. Unter der Woche herrscht Tristesse. Das Leben junger englischer Arbeiter lässt sich zweiteilen: die trübe, monotone Zeit in der Fabrik und das eigentliche, wilde Leben am Wochenende, das dann aber im zweiten Teil in eine Ruhe und Geborgenheit einmündet. Arthur steht da irgendwie auf einem Scheideweg. Möglich, dass das Leben durch die Bindung an Doreen einerseits Verzicht auf Freiheit bedeutet, andererseits aber auch eine zuverlässige Komponente im Leben bedeutet, nicht zuletzt auch ein Zuwachs an Verantwortung und Sicherheit. Durch die Außendreharbeiten in Nottingham selbst, in dieser Arbeiterwohngegend und den Hinterhöfen erreicht der Film eine große Authentizität. Die großartigen Darsteller Albert Finney, Rachel Roberts und Shirley Ann Fields verstärken den guten Eindruck. Im Jahr seiner Entstehung war der Film sogar überaus erfolgreich an der Kinokasse und erhielt zahlreiche Auszeichnung, darunter den BAFTA Award als bester Britischer Film 1961.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Das Lächeln einer Sommernacht

























Regie: Ingmar Bergman

Die Romanzen des Sommers...

Anfang der 50er Jahre waren die Filme von Ingmar Bergman phasenweise sehr leicht, die Geschichten schlugen ungewohnt einen heiteren Ton an. Auftakt machte "Einen Sommer lang", der Höhepunkt dieser Schaffensphase war sicherlich "Die Zeit mit Monika", langsam beendet wurde diese Tonart mit "Das Lächeln einer Sommernacht" Es war sicherlich auch eine Konzession an die Produzenten, nachdem sein "Abend der Gauklger" an der Kinokasse durchgefallen war und zuerst auch alles andere als Kritikererfolg war. Immerhin sorgte "Das Lächeln einer Sommernacht" für den ersten richtigen Kinoerfolg Bergmans.
Auf dem Höhepunkt dieses nostalgischen und sommerlichen Reigen ist es ein aphrodisierender Trunk, den die Protagonisten auf dem Höhepunkt der Geschichte einnehmen und der als Katalysatorfunktion auftritt, damit die Charaktere entschlossen handeln können. Die Geschichte führt uns nach Schweden, genauer gesagt in einen Frühsommer um 1900. Endlich Feierabend...warum auch Arbeiten an so einem schönen, sommerlichen Tag. Anwalt Frederik Egerman (Gunnar Björnstrand) macht etwas früher Feierabend und empfielt auch seinen Angestellten noch ein bisschen ins Freie zu gehen, um das schöne Wetter zu genießen. Gut gelaunt kommt er nach Hause. Dort erwartet ihn nicht nur sein Sohn Henrik (Björn Bjelfenstam), der Pfarrer werden will, sondern auch seine wesentlich jüngere zweite Frau Anne (Ulla Jacobsson). Er schlägt seiner Frau vor ins Theater zu gehen. Gespielt wird ein Stück, in dem Frederiks einstige Geliebte Desiree Armfeldt (Eva Dahlbeck) die Hauptrolle spielt. Kurz zuvor - während des gemeinsamen Mittagsschlafs - hat Frederik im Halbschlaf sehnsüchtig nach "Desiree" gerufen. Der Schock sitzt tief, Anne will nach Hause. Doch das Wiedersehen mit seiner einstigen Geliebten lässt Frederik nicht los, heimlich verlässt er in der Nacht noch einmal das Haus. Dort trifft er nicht nur einen kleinen Jungen, der auf den Namen Frederik hört, sondern auch Desirees Geliebten Graf Malcolm (Jarl Kulle). Dessen Frau Charlotte (Margit Carlqvist) weiß von der Liason. Genügend Sprengstoff also...so lädt Desiree die beiden Ehepaare Malcolm und Egerman sowie Frederik erwachsenen Sohn Henrik und die hübsche Hausangestellte Petra (Harriet Andersson) auf den Landsitz ihrer Mutter (Naima Wilfstrand) ein. Dort entlädt sich manches im Streit, aber auch neue Romanzen werden eingegangen...


 Das "Lächeln einer Sommernacht" unterscheidet sich von einer Tragödie dadurch, das hier der Macher entschieden hat, über das Drama zu lachen. Er ist eine Tragödie im Gewand einer Komödie. Die Leichtigkeit sowie die Wandlung zum Guten haben immer den richtigen Ton und das richtige Tempo. Dabei ist die Dramatik in jeder Einstellung zu spüren, gewinnt aber nie die Oberhand, denn der Ton ist leicht, beschwingt und so inspiriernd wie eine Sommernacht. Kein Wunder, dass aus Verzweiflung und Angst, aus Verwirrung am Ende doch eine neue Sinnlichkeit entsteht, der Aufbruch zu neuen Ufern und zu neuem Glück (vielleicht).
Gunnar Fischers Bilder gleiten im Gegensatz zum Hollywood Kino jener Tage nie ins übertriebene oder kitschige. Sie sind real und glänzen in schlichter Schönheit. Die Geschichte selbst ist locker und wirkt freizügig - ebenfalls als Vergleich hinzugezogen der in der gleichen Zeit relativ biedere Hollywood Film, ganz zu schweigen vom deutschen, sehr zugeknöpften Filmverwandten jener Tage mit viel biederer Moral.
Dabei wird die Essenz von Romantik in wunderbar ausgeleuchteten Bildern eingefangen. Alle Spielarten von Sinnlichkeit und Liebe werden hier aufgegriffen und gleichzeitig auch wieder reflektiert.
Fast schon revolutionär für die damalige zeit auch die Figur, die Harriet Andersson spielt, die sich spontan den dahergelaufenen Kutscher schnappt um am Ende dieser magischen Sommernacht meint "Ich kann mir mit dir eine Ehe vorstellen, aber ich habe noch andere Bedürfnisse."
Durch die Figur von Henrik thematisiert Bergman auch erstmalig den Mann, der vom Glauben abfällt.
Für Bergman war dieser Film ein internationales Sprungbrett. Ausgezeichnet in Cannes mit dem Sonderpreis für poetische Komödie, wurde "Das Lächeln einer Sommernacht" nicht nur in der schwedischen Heimat ein Hit, sondern sogar ein weltweiter Kassenschlager. zwei Jahre später konnte Begman dann mit dem wuchtigen "Das siebente Siegel" seinen besten Film realisieren.



Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.