Donnerstag, 22. Dezember 2022

Zum Beispiel Balthazar


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Robert Bresson

Die traurige Geschichte eines Esels...

Einer der wichtigsten Filme des französischen Regisseurs Robert Bresson ist der 1966 gedrehte "Zum Beispiel Balthazar". Bei den Filmfestspielen in Venedig wurde Bressons einzigartiger Film mit einem Preis bedacht. Er erhielt darüberhinaus den Prix Melies. Es gibt für mich nur wenige so derart berührende Filme wie "Zum Beispiel Balthazar" und diese Lebensgeschichte eines Esels ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme.
Dieses wunderbare Geschöpf, dass in dieser Geschichte die Hauptrolle spielt, steht stellvertretend für uns alle, für jede denkbare Existenz auf dieser Erde. Und trotz der Träume, Hoffnungen und besten Pläne wird diese Welt aber letztendlich mit uns tun, was sie tun, so zumindest hat es Kritikerpapst Roger Ebert in seinem Urteil über den Film beschrieben. Scheinbar ist es vorbestimmt - nur weil wir denken und argumentieren können, glauben wir, einen Ausweg oder eine Lösung zu finden. Wir glauben auch Fragen auf unsere Antworten zu bekommen. Aber die menschliche Intelligenz gibt uns lediglich die Fähigkeit unser Schicksal zu begreifen, ohne die Macht zu besitzen es kontrollieren zu können. Es ist eine sehr traurige Geschichte, die Bresson uns erzählt. Aber ein kleiner Hoffnungsschimmer ist mit dabei, er lässt uns nicht mit leeren Händen zurück - sein Vorschlag heißt "Liebe deinen Nächsten (und damit ist auch das Tier mit eingeschlossen) wie Dich selbst. Sei empathisch. Wenn es gelingt sich auf diesen Vorschlag einzugehen Mitgefühl zu erlangen, können wir vielleicht den Trost finden sie mit anderen Gleichgesinnten zu teilen.
Die Geschichte ereignet sich in den frühen 60er Jahren und spielt auf dem französischen Land in der Nähe der Pryrenäen. Dort wird ein Eselbaby von dem kleinen Jacques und seinen Schwestern, die auf einem Bauernhof leben, adoptiert. Sie taufen das Eselkind auf den Namen Balthazar und das Tier hat eine schöne Zeit, es wird sehr oft gestreichelt. Der kleine Jacques verliebt sich in dieser Zeit in die etwa gleichaltrige Marie, deren Vater (Philippe Asselin)  Lehrer an der kleinen Schule nebenan ist. Als eine von Jacques Schwestern stirbt, gibt die Familie den Hof auf und Maries Eltern (die Mutter wird von Nathalie Joyaut gespielt)  übernimmt den Hof. Balthazar wird an einheimische Landarbeiter verschenkt, die ihn nicht gut behandeln. Die Jahre vergehen bis der Esel in einen Unfall verwickelt wird, davonläuft und zu der inzwischen erwachsenen Marie (Anne Wiazemsky) zurück findet. Die Familien von Marie und von Jacques sind inzwischen zerstritten und stehe sich in einem Gerichtsverfahren als Kontrahenten gegenüber. So wird Balthazar an die örtliche Bäckerei verkauft, wo er für Lieferdienste gebraucht werden kann.
Der junge Gerard (Francois Lafarge) ist dort als Lieferjunge angestellt und er ist auch gleiczzeitig der Anführer einer Jugendbande, die allerlei Unsinn und Böses im Sinn hat. Auch Schmuggel und Diebstähle sind an der Tagesordnung. Gerard behandelt Balthazar grausam, vermutlich aus Eifersucht, weil Marie den Esel sehr liebt. Der junge Mann lässt aber bei Marie nicht locker und tatsächlich gehen die beiden eine sexuelle Beziehung ein. Als in der Nähe ein Mord geschieht, werden auch Gerard und seine Kumpane bei der Polizei vorgeladen. Ebenso verdächtig gilt der Alkoholiker Arnold (Jean Claude Guilbert), der kurze Zeit später zum Besitzer des inzwischen sehr kranken und schwachen Tiers wird, sonst hätte ihn der Bäcker eingeschläfert. Doch Balthazar erholt sich, doch die Besitzer wechseln. Nach Arnold kommt der Esel zum Zirkus, um später wieder bei Arnold landen. Nach dessen Tod wird er von einem Müller in Besitz genommen. Auch dort wird das arme Tier drangsaliert und gequält. Am Ende erhalten die Eltern von Marie vom Müller Balthazar als Geschenk. Jetzt könnte alles gut werden. Der erwachsene Jacques (Walter Green) kann sich mit Maries Familie aussöhnen und macht ihr einen Heiratsantrag. Sie will mit Gerard Schluß machen, doch er und seine Kumpels vergewaltigen die junge Frau. Auch der Esel wird für eine gefährliche Mission einfach in der Nacht vom Hof "ausgeliehen". Er soll helfen die Schmuggelware über die Grenze schaffen. Dann fallen Schüsse. Die Bad Boys verschwinden und lassen Balthazar auf einem Hügel zurück. Ein Bild zeigt eine Wunde des Tiers, er wurde angeschossen. Am frühen Morgen kommen Schafe auf die Weide und sie umringen den verletzten Esel. Der legt sich hin und stirbt...





Bresson hat das Ende wieder wie eine Passionsgeschichte inszeniert und trifft dabei mitten ins Herz. Jean Luc Gdoard war begeistert und schrieb damals "Jeder, der diesen Film sieht, wird absolut erstaunt sein. Denn dieser Film ist wirklich die Welt in anderthalb Stunden. Es gibt Filme mit einer Menge Spannung, es gibt richtig gute Unterhaltungsfilme. "Au hazard Balthazar" gehört zu einer ganz anderen Liga. Der Film über die Herzlosigkeit der Menschen wurde in einem sehr asketischen Stil inszeniert, was aber die Tiefe und Intensität der Geschichte noch zusätzlich steigert. Nicht umsonst rangiert "Au hazard Balthazar" - er rangiert bei den wichtigen Umfragen über die besten Filme aller Zeiten immer auf einem der vorderen Ränge. 






Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Montag, 19. Dezember 2022

Mouchette


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Robert Bresson

Leidvolles Dasein...

Robert Bressons Filme beschäftigen sich mit dem Leid der Menschen, er schließt dabei auch die Tiere nicht aus wie beispielsweise in seinem Meisterwerk "Zum Beispiel Balthazar", auch in dem 1967 gedrehten Film "Mouchette" sieht man einige Jäger, die wie wild auf Hasen schießen und am Anfang wird man Beobachter wie ein kleines Rebhuhn versucht aus einer Falle zu gelangen. Neben der Existenz ist auch der Tod selbst ein Thema. Wir werden Zeuge wie eine betagte Frau sich beklagt, dass man früher ganz anders mit dem Tod und den Toten umgegangen sei "Ich liebe die Toten, ich habe sogar als Kind mit Ihnen gesprochen. Damals zu meiner Jugendzeit hat man die Toten wie Götter verehrt". Damit kann Mouchette, die Hauptfigur des Films und gespielt von Nadine Nortier, gar nicht umgehen. Das Mädchen ist 14 Jahre alt und gerade erwacht in ihr die sexuelle Neugier, eigentlich will sie leben - aber durch die Lieblosigkeit der Umgebung und durch eine Anhäufung von Niedertracht, Gemeinheit und Kälte, die von allen Menschen ihrer Umgebung ausgeht, wird das Mädchen die Möglichkeit in Betracht ziehen sich diesem Dasein zu verweigern.
Bressons Film sind Geschichten einer Passion. Als Gegensatz erscheint dazu eine oberflächlich betrachtet heile Welt, die alles inzwischen tabuisiert, was einmal als heilig galt. Das Leiden wird heute konsumiert durch die täglichen Nachrichten aus aller Welt. Der Regisseur taucht dieses unerträgliche Schicksal in karge und kühle Bilder, die dafür sorgen, dass der Leidensweg irgendwie erträglich bleibt, ohne ihn jedoch in seiner Schwere abzumildern.
Die 14jährige Mouchette (Nadine Nortier) wächst in einer Atmosphäre der Gewalt und Armut auf, sie fühlt sich einsam und verlassen. Zu Hause muß sie die kranke Mutter (Marie Cardinal) pflegen, alle Arbeiten verrichten und wird vom betrunkenen Vater (Paul Hebert) verprügelt. Sie lebt in einem abgelegenen Dorf und muss durch die schwere Krankheit der Mutter das kleine Baby versorgen, ausserdem führt sie den Haushalt. Sie unterscheidet sich von ihren Mitschülerinnen durch eine schmuddeligen Kleidung und wird auch dementsprechend behandelt als Aussenseiterin. Die Mädchen wollen mit ihr nichts zu tun haben und auch die Lehrerin wendet Züchtigung an, wenn sich Mouchette weigert ein schönes Lied mitzusingen.
Der Nachhauseweg führt sie durch den Wald in der Nähe des Ortes. Manchmal kommt etwas Sonne in den ansonsten tristen Alltag: Beim Jahrmarkt kauft ihr eine freundliche Frau eine Eintrittskarte und so wird ein etwas älterer Junge beim Autoscooter fahren auf Mouchette aufmerksam. Doch bevor sie miteinander reden können, hat der Vater schon ein Auge darauf geworfen und unterbindet die Begegnung.
Im Dorf selbst wissen alle von dem Konflikt, den der Jäger Mathieu (Jean Vimenet) mit dem Wilderer Arsene (Jean-Claude Guilbert) hat. Obwohl der Jäger verheiratet ist, agiert er eifersüchtig wegen dessen Bemühungen um die Bedienung Louisa (Marine Trichet). Eines Tages nach der Schule bleibt Mouchette länger im Wald, es fängt auch stark an zu regnen und sie bekommt den Streit zwischen den beiden Männern mit. Später begegnet ihr Arsene, der manchmal Gedächtnislücken hat und an Epilespie leidet. Dieser glaubt, dass er Mathieu umgebracht hat. Er versucht Mouchette als Alibi zu benutzen. Das Mädchen willigt ein. Als sie gehen will, versperrt Arsene ihr den Weg und vergewaltigt sie. Sie kommt mitten in der Nacht heim. Der Vater ist noch unterwegs und die Mutter befindet sich schon im Sterben....



Was muss noch zusammen kommen. Die Grenze des Erträglichen ist erreicht. Die einzige Person, mit der das Mädchen über die letzte Nacht sprechen konnte, stirbt. Mouchette bleibt allein zurück und erntet am Morgen nach dem Tod der Mutter misstrauische und kalte Blicke der Dorfbevölkerung. Möglicherweise hat sich die Begegnung mit Arsene schon herumgesprochen, vielleicht liegt es auch am ungekämmten Haar und an den etwas zerrissenen Kleidern, aber schon erntet das Mädchen allerlei Beschimpfungen.
Bressons Metier sind die verhalten-grausamen Filme, keiner dreht bessere als der französische Regisseur, von dem es leider nur sehr wenige deutschsprachige DVD Veröffentlichungen gibt. Der strenge und spröde Stil seiner Filme ist einzigartig und auch die Kameraeinstellungen (Kameramann war Ghislain Cloquet, der für "Tess" einen Oscar bekam) fügen sich dieser Darstellungsweise. Weder Sentimentalität noch Sadismus findet sich in der Darstellung des Leids.
Bresson arbeitete gerne mit unverbrauchten Gesichtern zusammen. Die Laiendarstellerin Nadine Nortier spielt jedoch hervorragend. "Mouchette" taucht wie auch Bressons "Zum Beispiel Bathazar" und "Pickpocket" regelmässig in den Listen der besten Filme aller Zeiten auf.




Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.