Regie: Robert Bresson
Leidvolles Dasein...
Robert Bressons Filme beschäftigen sich mit dem Leid der Menschen,
er schließt dabei auch die Tiere nicht aus wie beispielsweise in seinem
Meisterwerk "Zum Beispiel Balthazar", auch in dem 1967 gedrehten Film
"Mouchette" sieht man einige Jäger, die wie wild auf Hasen schießen und
am Anfang wird man Beobachter wie ein kleines Rebhuhn versucht aus einer
Falle zu gelangen. Neben der Existenz ist auch der Tod selbst ein
Thema. Wir werden Zeuge wie eine betagte Frau sich beklagt, dass man
früher ganz anders mit dem Tod und den Toten umgegangen sei "Ich liebe
die Toten, ich habe sogar als Kind mit Ihnen gesprochen. Damals zu
meiner Jugendzeit hat man die Toten wie Götter verehrt". Damit kann
Mouchette, die Hauptfigur des Films und gespielt von Nadine Nortier, gar
nicht umgehen. Das Mädchen ist 14 Jahre alt und gerade erwacht in ihr
die sexuelle Neugier, eigentlich will sie leben - aber durch die
Lieblosigkeit der Umgebung und durch eine Anhäufung von Niedertracht,
Gemeinheit und Kälte, die von allen Menschen ihrer Umgebung ausgeht,
wird das Mädchen die Möglichkeit in Betracht ziehen sich diesem Dasein
zu verweigern.
Bressons Film sind Geschichten einer Passion. Als Gegensatz
erscheint dazu eine oberflächlich betrachtet heile Welt, die alles
inzwischen tabuisiert, was einmal als heilig galt. Das Leiden wird heute
konsumiert durch die täglichen Nachrichten aus aller Welt. Der
Regisseur taucht dieses unerträgliche Schicksal in karge und kühle
Bilder, die dafür sorgen, dass der Leidensweg irgendwie erträglich
bleibt, ohne ihn jedoch in seiner Schwere abzumildern.
Die 14jährige Mouchette (Nadine Nortier) wächst in einer Atmosphäre
der Gewalt und Armut auf, sie fühlt sich einsam und verlassen. Zu Hause
muß sie die kranke Mutter (Marie Cardinal) pflegen, alle Arbeiten
verrichten und wird vom betrunkenen Vater (Paul Hebert) verprügelt. Sie
lebt in einem abgelegenen Dorf und muss durch die schwere Krankheit der
Mutter das kleine Baby versorgen, ausserdem führt sie den Haushalt. Sie
unterscheidet sich von ihren Mitschülerinnen durch eine schmuddeligen
Kleidung und wird auch dementsprechend behandelt als Aussenseiterin. Die
Mädchen wollen mit ihr nichts zu tun haben und auch die Lehrerin wendet
Züchtigung an, wenn sich Mouchette weigert ein schönes Lied
mitzusingen.
Der Nachhauseweg führt sie durch den Wald in der Nähe des Ortes.
Manchmal kommt etwas Sonne in den ansonsten tristen Alltag: Beim
Jahrmarkt kauft ihr eine freundliche Frau eine Eintrittskarte und so
wird ein etwas älterer Junge beim Autoscooter fahren auf Mouchette
aufmerksam. Doch bevor sie miteinander reden können, hat der Vater schon
ein Auge darauf geworfen und unterbindet die Begegnung.
Im Dorf selbst wissen alle von dem Konflikt, den der Jäger Mathieu
(Jean Vimenet) mit dem Wilderer Arsene (Jean-Claude Guilbert) hat.
Obwohl der Jäger verheiratet ist, agiert er eifersüchtig wegen dessen
Bemühungen um die Bedienung Louisa (Marine Trichet). Eines Tages nach
der Schule bleibt Mouchette länger im Wald, es fängt auch stark an zu
regnen und sie bekommt den Streit zwischen den beiden Männern mit.
Später begegnet ihr Arsene, der manchmal Gedächtnislücken hat und an
Epilespie leidet. Dieser glaubt, dass er Mathieu umgebracht hat. Er
versucht Mouchette als Alibi zu benutzen. Das Mädchen willigt ein. Als
sie gehen will, versperrt Arsene ihr den Weg und vergewaltigt sie. Sie
kommt mitten in der Nacht heim. Der Vater ist noch unterwegs und die
Mutter befindet sich schon im Sterben....
Was muss noch zusammen kommen. Die Grenze des Erträglichen ist
erreicht. Die einzige Person, mit der das Mädchen über die letzte Nacht
sprechen konnte, stirbt. Mouchette bleibt allein zurück und erntet am
Morgen nach dem Tod der Mutter misstrauische und kalte Blicke der
Dorfbevölkerung. Möglicherweise hat sich die Begegnung mit Arsene schon
herumgesprochen, vielleicht liegt es auch am ungekämmten Haar und an den
etwas zerrissenen Kleidern, aber schon erntet das Mädchen allerlei
Beschimpfungen.
Bressons Metier sind die verhalten-grausamen Filme, keiner dreht
bessere als der französische Regisseur, von dem es leider nur sehr
wenige deutschsprachige DVD Veröffentlichungen gibt. Der strenge und
spröde Stil seiner Filme ist einzigartig und auch die
Kameraeinstellungen (Kameramann war Ghislain Cloquet, der für "Tess"
einen Oscar bekam) fügen sich dieser Darstellungsweise. Weder
Sentimentalität noch Sadismus findet sich in der Darstellung des Leids.
Bresson arbeitete gerne mit unverbrauchten Gesichtern zusammen. Die
Laiendarstellerin Nadine Nortier spielt jedoch hervorragend.
"Mouchette" taucht wie auch Bressons "Zum Beispiel Bathazar" und
"Pickpocket" regelmässig in den Listen der besten Filme aller Zeiten
auf.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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