Regie: Luis Bunuel
Gefangen im Zimmer...
Luis Bunuels "Der Würgeengel" enstand in Mexiko und der Regisseur
hat es in einem späteren Interview bedauert, dass er seine kleine aber
feine Politsatire nicht in Rom oder Paris gedreht hat. Aber es fanden
sich keine internationalen Geldgeber und so musste er mit eher
geringerem Budget auskommen, obwohl ihm nur Monate zuvor mit "Virianda"
nicht nur ein handfester Skandal im katholischen Spanien sondern auch
ein großer internationaler Filmerfolg gelang. Thematisch verwandt mit
"Der Würgeengel" erscheint auch sein großer 70er Jahre Erfolg "Der
diskrete Charme der Bourgeoisie" zu sein, denn in beiden Fällen versucht
eine Gruppe von Leuten ein Ziel zu erreichen, dass aber - so einfach
es erscheinen mag - nicht gelingen mag. In "Der diskrete Charme der
Bourgeoisie" ist es eine Gruppe von 6 Angehörigen des gehobenen
Bürgertums, die gemeinsam ein stilvolles Essen im kleinen Preis planen,
aber jedesmal kommt etwas dazwischen - das Treffen scheint nie
stattzufinden. In "El angel exterminador" - so der Originaltitel vom
Würgeengel - versucht der illustre Kreis nach einer Party die Villa des
Gastgebers zu verlassen, doch eine unsichtbare Macht scheint die Gäste
daran zu hindern das Haus zu verlassen.
Schauplatz ist die Villa des angesehenen Bürgers Nobile (Enrique
Rambal) der nach einem Opernball noch zu einem Soiree einlädt. Seine
Ehefrau (Lucy Gallardo) hat sich zu diesem Anlass noch einige
Überraschungen ausgedacht, sie hat einen Bären und ein paar Schafe in
einem der Zimmer versteckt, die Tiere sollen irgendwann im nächtlichen
Programm noch zum Einsatz kommen. Doch an diesem Abend geschieht vor dem
Eintreffen der illustren Gäste noch ein paar seltsame Dinge. Das
Personal des Hauses verläßt ohne einleuchtenden Grund hastig die
Arbeitsstätte, egal ob arbeitsrechnliche Konsequenzen anstehen. Dann
treffen auch schon die Gäste ein und irgendwann wollen die ersten Gäste
sich verabschieden. Doch ein seltsamer Zwang verhindert den Aufbruch.
Keiner der Gäste verlässt das Wohnzimmer und irgendwann legen sich die
ersten auch schlafen. Ein paar auf der Couch, andere auf dem Boden. Am
anderen Morgen sind alle überrascht, die Gastgeber registrieren die
Übernachtungen als unanständig, aber sie spielen weiter gute Gastgeber
und versorgen ihre Gäste mit einem Frühstück. Aber der Bann den Raum zu
verlassen hält an...tagelang. Auch die Polizei draußen kann das Haus
nicht betreten. Eine seltsame Macht verhindert dies. Bald wird Essen und
Trinken rar und die Gäste verändern sich. Sie lassen ihre guten
Manieren fallen und werden teilweise kindisch, teilweise aggressiv. Der
besonnene Arzt Dr. Carlos Conde (Augusto Benedico) versucht sein Bestes,
dass die Situation nicht gänzlich eskaliert. Ein alter Mann stirbt an
Herzversagen und irgendwann nimmt sich auch ein junges Ehepaar aufgrund
der auswegslosen Situation das Leben. Gast Leticia (Silvia Pinal) kommt
irgendwann durch einen Zufall auf die Idee, die gleiche Situation zu
rekonstruieren, in der dre Zwang für alle zum ersten Mal spürbar war.
Tatsächlich hat die Rekonstruktion Erfolg...
Doch das ist noch nicht das Ende der originellen Geschichte, denn
der Bann ist noch nicht gebrochen. Sicher ist, dass Bunuel einmal mehr
das Bürgertum attackieren wollte, auch die Kirche taucht in der
Geschichte auf. Im Laufe der Not stellt sich bei der illustren Schar
eine Art Verfaulungsprozess ein, irgendwann braucht die Gruppe einen
Schuldigen, den sie zur Rechenschaft ziehen will.
Durch die sehr kompetente Kameraarbeit von Gabrile Figueroas, die
nur mit wenigen Schnitten auskommt, entsteht manchmal der Eindruck, dass
man mittendrin im Raum ist. Natürlich fehlen die surrealistischen
Elemente, für die Bunuel berühmt wurde, auch nicht in diesem Film.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen