Regie: Carol Reed
Eine Zufallsbegegnung...
Für viele Filmliebhaber ist der Brite David Lean DER Meister des
epischen Kinos, denn auf sein Konto gehen die klassischen Blockbuster
"Die Brücke am Kwai", "Lawrence von Arabien" oder "Doktor Schiwago". Mit
dem Schriftsteller und Schauspieler Noel Coward gestaltete er in den
40er Jahren seine ersten Filmversuche. Nach dessen Bühnenstück entstand
Ende des 2. Weltkrieges der romantische Kinofilm "Begegnung" (Original:
Brief Encounter), der auch Hollywood beeindruckte und mit drei
Oscar-Nominierungen (Bester Film, bestes adaptiertes Drehbuch und
Hauptdarstellerin Celia Johnson) gewürdigt wurde. Das Britische
Filminstitut wählte dieses Romantic-Movie im Jahr 1999 - hinter Carol
Reeds "Der dritte Mann" - auf Platz 2 der besten 100 britischen Filme
des 20. Jahrhunderts.
Die Geschichte einer Zufallsbekanntschaft, die am Bahnhof beginnt
und auch am Bahnhof wieder endet. Laura Jenson (Celia Johnson) hat einen
verständnisvollen liebenden Ehemann (Cyril Raymond) und 2 Kinder. Sie
fühlt sich glücklich verheiratet. Jeden Donnerstag genießt sie aber ein
bisschen Freiheit von der Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter - sie
fährt dann mit dem Zug von ihrem kleinen Ort zum Einkaufen und Bummeln
in die größere Stadt. Anschließend trifft sie sich mit Freundinnen wie
Mary Norton (Marjorie Mars) oder geht ins Kino. Abends kehrt sie heim zu
Fred, ihrem kreuzworträtselden Ehemann in die etwas langweilige
Vorstadtwelt.
Bei einer dieser allwöchentlichen Fahrten in die Stadt lernt sie im
Warteraum des Bahnhofs den Arzt Dr. Alex Harvey (Trewor Howard) kennen.
Auch er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Ein Staubkorn von einem vorbeifahrenden Schnellzug ist schuld, dass
sich die Bekanntschaft fortsetzt. Dieses Staubkorn fliegt in Lauras
Auge und der Arzt entfernt den Fremdkörper in dem kleinen
Bahnhofrestaurant, wo sich die Reisenden treffen.
Beide finden sich spontan sympathisch und Laura findet den Mann
auch sehr attraktiv. Und sie fühlt sich auch sehr geschmeichelt über die
hohe Beachtung, die der Arzt ihr schenkt. Man trifft sich am nächsten
Donnerstag wieder und sehr schnell merken die beiden, dass sie sich
unsterblich ineinander verliebt haben. Die Bedeutungen, die diese
gemeinsamen Donnerstage, gewonnen haben, machen auch Angst. Man will
sich nicht mehr wiedersehen, doch es scheint inzwischen schon zu spät.
Alex überredet Laura sogar zu einem Rendezvous in der Wohnung seines
Freundes Stephen Lynn (Valentine Dyall). Der kommt überraschend doch
zurück und Laura schleicht durch die Hintertür, damit sie nicht entdeckt
wird. Eine demütigende Situation, die dazu führt, dass die Liebenden
sich nur noch einmal treffen wollen. Aber auch dieses letzte Treffen
steht unter keinem guten Stern...
Mit der geschwätzigen Dolly Messiter (Everley Gregg) beginnt
"Begegnung" auch in einer Rückblinde und am Ende des Films wird diese
Szene noch einmal aus einer anderen Perspektive wiederholt.
"Begegnung" ist klar und sehr einfach strukturiert, bietet aber
dennoch extrem viel Atmosphäre weil weite Teile des Films auf dem
Bahnhof und in dem kleinen Restaurant spielt. Es entsteht ein Hauch von
Ankunft und Abreise - die Züge kommen, die Züge gehen. Dazwischen die
Reisenden, die hier vorbeikommen und warten. Lean hat auch den
Nebenfiguren sehr viel Platz gelassen. So wird der Zuschauer auch Zeuge
wie die Witwe Myrtle Bagott (Joyce Carey) mit dem Schaffner Albert Godby
(Stanley Holloway) flirtet und ihre Angestellte Beryl (Margaret Barton)
delegiert. Ganz stark ist die stimmungsvolle Fotografie von Robert
Krasker gelungen - auch das 2. Klavierkonzert von Rachmaninov passt
perfekt zu dieser sensiblen Liebesromanze, die klasse bis hin zu der
kleinsten Nebenrolle besetzt ist. Sehr gut auch wie Lean einfache Gesten
mit Zärtlichkeit füllt und auch seine Kunst wie ganz einfache Worte
oder Dialoge eine ganz tiefe Bedeutung gewinnt. Am Ende überrascht auch
der bislang eher als ahnungslos wirkende Fred mit dem Satz "Danke, dass
du zurückgekommen bist". So hat er die Distanz bemerkt und vielleicht
sogar den Grund erraten können.
Bewertung: 10 von 10 Punkten..
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