Regie: John Cassavettes
Manhattan, Ende der 50er Jahre...
Durch seinen 1959 entstandenen Improvisationsfilm "Schatten" gilt
John Cassavettes heute als einer der geistigen Väter und Wegbereiter des
amerikanischen Independentfilm. Mit einem ganz kleinen Budget
realisierte Cassavettes seinen Erstling als 16mm Film. Erst später wurde
"Schatten" auf 35 mm überspielt, damit er kinotauglich wurde. In dieser
Version gewann er 1960 den Kritikerpreis von Venedig und man horchte
auch in Europa auf. Denn Cassavettes Debüt ist alles andere als ein
typischer Hollywoodfilm über New York - die Geschichte, die erzählt wird
könnte auch in Paris spielen und schon sind wir bei den filmischen
Verwandten der Nouvelle Vague.
Die hübsche junge Lelia (Lelia Goldini) lebt mit ihren 2 Brüdern
Ben (Ben Carruthers) und Hugh (Hugh Hurd) in einer kleinen Wohnung in
New York. Die drei Geschwister sind Mischlinge, aber anders als der
dunkelhäutige Hugh können sich die beiden jüngerern Geschwister aufgrund
ihrer hellen Hautfarbe als "Weiße" ausgeben. Ein Vorteil in einem Land,
dass noch von Rassentrennung geprägt ist. Hugh verdient sein Geld als
Nachtclubsänger und sein Freund Rupert (Rupert Crosse) ist auch
gleichzeitig sein Manager. Hugh gilt als schwierig, deshalb gibts nicht
immer gute Engagements. Aber immerhin hat Rupert gute Auftritte in
Philadelphia besorgt, aber Hugh muss die ihm nachfolgende
Girl-Tanzgruppe ansagen, die er für extrem untalentiert hält. Doch
solche Abmachungen gehören halt zum Kontrakt. Ben möchte gerne
Jazztrompeter werden und gemeinsam mit seinen besten Kumpels Dennis
(Dennis Sallas) und Tom (Tom Reese) lebt er in den Tag hinein und das
große Hobby der drei Freunde ist Mädels aufreißen - also nahe Verwandte
von Fellinis "Müßiggängern". Leila lernt auf einer Party den attraktiven
Tony (Anthony Ray) kennen. Sie schläft mit ihm - es ist ihre erste
sexuelle Erfahrung. Als sich Hugh als Lelias Bruder zu erkennen gibt,
ist dies für Tony zuerst sehr irritierend. Es kommt zum Rauswurf aus der
Wohnung der drei Geschwister, doch Tony bereut sein Verhalten.
Demonstrativ sucht sich die gekränkte Lelia einen neuen dunkelhäutigen
Verehrer...
Es geht allerdings in "Schatten" nicht hauptsächlich um Rassismus,
sondern Cassavettes hat ein Interesse daran die Menschen in ihrem ganz
normalen Alltag, in ihrer Umgebung und ihrer Gesellschaft zu beobachten.
Dabei erweist sich Cassavettes auch als sehr aufmerksamer Beobachter
und durch die Bilder von Erich Kollmar wird auch ein New York am Ende
der 50er Jahre sichtbar. Ein historisch wertvolles Dokument von einem
Manhattan, dass so in dieser Form heute nicht mehr existiert. Die
Jazzmusik von Charles Mingus mit dem Altsaxophonist Shafi Hadi geben
"Schatten" einen markanten "sophisticated Touch". Die Darsteller
agierten ohne Drehbuch im eigentlichen Sinne, sondern improvierten. So
gelang ein zauberhafter Film mit viel Wärme und Gefühl und wie im
richtigen Leben bleibt vieles im Schweben.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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