Donnerstag, 24. August 2017
Die Liebenden
Regie: Louis Malle
Liebe, eine Reise ins Ungewisse...
Zuschauer, die genau aufpassen, werden feststellen, dass in Louis Malles "Die Liebenden" aus dem Jahr 1958 die beiden Szenen, in denen die kleine Tochter der gelangweilten Jeanne Tournier vorkommt, im Original mit deutschen Untertiteln versehen sind. Das kommt daher, weil bei der damaligen Kinoauswertung dem deutschen Publikum eine liebende Frau, die ihr eigenes Kind verlässt, nicht zugemutet werden sollte. Diese beiden Szenen fielen damals der Schere zum Opfer. Zu seiner Entstehungszeit war diese Geschichte nach einer Novelle von Vivant Denon beinahe ein Skandalfilm. Für damalige Verhälntisse waren nicht nur die erotischen Szenen ein aufsehenerregendes Ärgernis (ein junger Kerl, der mit seiner Geliebten im Hause ihres Mannes nachts gemeinsam in die Badewanne steigt), auch die Selbstverwirklichung der Frau war seiner Zeit weit voraus und schockierte damals die Gemüter.
In Deutschland war der Film aber weit weniger bekannt als Louis Malles phänomenales Filmdebüt "Fahrstuhl zum Schafott" aus dem Jahr 1956, in dem ebenfalls Jeanne Moreau die Hauptrolle spielte.
Einer der produktivsten und renommiertesten Kameramänner der Nouvelle Vague arbeitete in "Die Liebenden" mit Louis Malle zusammen. Henri Decae war Chefkameramann bei sehr vielen französischen Filmklassikern wie "Sonntage mit Sybill", "Der lange Blonde mit den roten Haaren", "Der Profi" und "Der eiskalte Engel". Auch hier sind die Bilder erstklassig - untermalt werden die Liebesszenen vom Streich Quartett Opus 18 in B Dur (2. Satz) von Johannes Brahms, was den Szenen eine gewisse Schwere beifügt.
Erzählt wird die Geschichte der frustierten Ehefrau Jeanne Tournier (Jeanne Moreau), seit 10 Jahren unglücklich mit dem Verleger Henri (Alain Cuny) verheiratet. Der Ehegatte ist zwar sehr wohlhabend, aber er interessiert sich viel mehr für seine Zeitung als für seine Frau. Die ist eher Aushängeschild und soll vor allem für das Kind, den Haushalt und die luxuriöse Villa verantwortlich sein. Bedienstete gibt es genug. Dieses langweilige Leben füllt die Frau nicht aus, sie ist unglücklich und sucht Abwechslung bei ihrer Freundin Maggy Thiebaut-Lerouix (Judith Magree), die in Paris wohnt und als Lebensinhalt das Vergnügen und die Lust sieht. Dort lernt Jeanne auch den Lebemann und Polospieler Raoul Flores (Jose Luis Villalonga ) kennen und beginnt ein Verhältnis mit ihm. Allerdings nie mit der letzten Konsequenz, so schwankt Jeanne zwischen ihrem langweiligen Zuhause und dem kurzfristigen, oberflächlichen Vergnügungen hin und her. Der Ehemann ahnt etwas von der Untreue und besteht darauf fürs kommende Wochenende Freundin Maggy und den Polospieler, von dem Jeanne immer wieder redet, einzuladen. Aber am Tag dieses Besuches hat Jeanne eine Autopanne und lernt dabei den jungen Studenten Bernard (Jean Marc Bory) kennen, der sie in eine Werkstatt mitnimmt und sie dann sogar nach Hause fährt. Tournier findet Gefallen an dem Studenten und lädt ihn ebenfalls ein, zum Essen und zur Übernachtung. Die Nacht wird für Jeanne ruhelos. Auf dem nächtlichen Spaziergang durch den Park, begegnet sie dem Studenten. Beide finden zueinander...
Und der Film endet dann, dass Jeanne am frühen Morgen das Haus verlässt. Sie hat sich gegen den zynischen Ehemann und auch gegen den eher unbedeutenden Liebhaber entschieden...für eine ungewisse Zukunft, aber für die Liebe. Diese kleine Geschichte hat Louis Malle mit klarer Präzision in Szene gesetzt und schuf ein Plädoyer für die bedingungslose Liebe und für den einen großen Moment. Was soll denn da die Zukunft ängstigen und sorgen ? Die Momentaufnahme will gelebt werden. Ein bisschen stört die weibliche Offstimme und auch das immer wieder gesagte "Ich liebe dich" in der Szene Jeanne und ihrem jungen Liebhaber wirkt leicht übertrieben. Aber ansonsten ist "Die Liebenden" ein sehr geglückter Film und Louis Malle festigte seinen Ruf als wichtiger Vertreter der Nouvelle Vague. Das Schlußbild mit den Liebenden, die mit der alten Ente glücklich ins Ungewisse fahren, bleibt im Gedächtnis.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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