Regie: Luis Bunuel
Die Novizin und ihr Oheim...
Schauplatz
der Orgie, die im Film "Viridiana" von Luis Bunuel stattfindet, ist der
Speisesaal eines spanischen herrensitzes: An der festlich gedeckten Tafel hocken
Kranke, Diebe, Bettler, Blinde, Zwerge und Aussätzige. Alle sind volltrunken.
Das Paar schickt sich an, den Freuden der Liebe zu huldigen, als jemand
vorschlägt ein Foto zu machen. Das Gruppenbild, das sie bieten, wirkt wie eine
parodistische Version von Leonardo da Vincis "Das Abendmahl". Die Stelle Jesu
nimmt ein Blinder ein. Dann kehrt Stille ein. Draußen kräht ein Hahn. Eine
berühmte Filmszene aus Bunuels 1961 entstandenen
spanisch-mexikanischen Welterfolg. Die Handlung des Films ist blasphemisch und
provokatorisch, denn in seiner Grundaussage ist er der Meinung, dass
Barmherzigkeit eher ein Laster sei und mehr Schlechtes als Gutes bringe.
Die
junge Novizin Viridiana (Silvia Pinal) ist gerade im Begriff ihr Gelübde
abzulegen, als sie von ihrem Onkel Don Jaime (Fernando Rey) eine Einladung zum
Besuch erhält. Er ist ihr einziger lebender Verwandten und hat ihre Ausbildung
bezahlt. Sie kennt ihn aber nicht gut, hat ihn nur einmal bisher getroffen und
ist nicht besonders glücklich über diese Einladung. Die Mutter Oberin empfiehlt
ihr aber den Besuch. Auf diesem Herrensitz angekommen zieht die junge Frau das
Interesse des alternden Adligen auf sich, da sie eine starke Ähnlichkeit mit
dessen Frau hat, die während der Hochzeitsnacht starb. Das Anwesen samt
Bauernhof ist etwas heruntergekommen. Kein Wunder, denn Don Jaime hat nur einen
treuen Hausmeister, eine ergebene Dienerin namens Ramona (Margarita Lozana), die
dort mit ihrer kleinen Tochter Rita lebt. Viridiana, die manchmal Nachts
schlafwandelt, soll dem Onkel einen merkwürdigen Wunsch erfüllen, indem sie das
Hochzeitskleid seiner Frau anziehen soll. Ramona gesteht der Novizin dann noch,
dass Don Jaime vorhat um ihre Hand anzuhalten. Diese Information nimmt sie mit
einem gewissen Entsetzen auf. Doch im Getränk ist bereits ein Schlafmittel, dass
dazu benutzt wurde die ahnungslose Frau bewusstlos zu machen. Don Jaime hegte
die Absicht die Frau im Schlaf zu vergewaltigen, doch im letzten Moment lässt er
von ihr ab.
Am
nächsten Morgen lügt er Viridiana an: Um sie bei sich zu halten, erfinde t er
die volllzogene Vergewaltigung. Dieses Geständnis schockt, die Frau reist ab.
Kommt aber nur bis zum Bahnhof, denn dort erfährt sie von der Polizei, dass der
Onkel sich erhängt hat. Geplagt von Schuldgefühlen bleibt sie im Haus des Onkels
und möchte armen Menschen ein Obdach gewähren. Dies passt aber Don Jaimes
unehelichem Sohn Jorge (Francisco Rabal) nicht, der nach dem Tod seines Onkels
mit der Geliebten (Victoria Zinny) ebenfalls einzieht..
.Der Film selbst begeistert durch Charakterstudien von
eindringlicher Tiefe und vielschichtigen Rätsel. Vor allem das Bettlerbankett
bleibt in einprägsamer Erinerung. Es beginnt mit Freude und Neugier, steigert
sich aber ins anarchistische Exzess. Die Ärmsten der Armen schmatzen, tanzen,
saufen, verwüsten, verprügeln einander und steigern zunehmend ihre Aggression.
Silvia Pinal und Fernando Rey spielen ihre Rollen großartig. Aufgrund der
Tatsache, dass die christliche Lehre nicht sehr gut wegkommt, war der Film zu
seiner Entstehung ein echter Skandal. Allerdings gewann er 1961 die Goldene
Palma von Cannes.
Der Film stellt die Moral des Katholizismus einer brutalen Realität
gegenüber. So reicht beispielsweise Viridianas religiöser Eifer so weit, dass
sie im Gepäck eine Dornenkrone mit sich führt und zur Buße auf dem Fußboden
schläft. Der Schluß deutet sehr auffällig an, dass die Sünde siegen wird.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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