Regie: Harald Reinl
Siegfried und Krimhild...
Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos und
entstand vermutlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts, wurde in
Mittelhochdeutsch aufgeschrieben, doch der Stoff selbst ist bedeutend
älter. Im 19. Jahrhundert erlangten die Verse den Status eines
Nationalepos, Siegfried als Bezwinger des Drachen wurde zum
Nationalheld. Aufgrund der riesigen Erfolge mit Karl May Filmen seines
früheren Mitarbeiters Horst Wendland wagte sich Artur Brauner, der auf
den Zug aufsprang und mit "Der Schut", "Old Shatterhand" oder "Durchs
wilde Kurdistan" selbst einige davon produzierte, an ein überaus
ambitioniertes Projekt heran: Der Verfilmung des Nibelungenliedes als
romantisches Liebesdrama.
Im Königshof in Worms lebt die
schöne Krimhild (Maria Marlow) mit ihren drei Brüdern Gunther (Rolf
Henniger), Gernot (Fred Williams) und Giselher (Mario Girotti alias
Terence Hill), die ihre Vormunde sind. Gunther ist der König von Worms
und kann dabei auf seinen treuesten Gefolgsmann Hagen von Tronje
(Siegfried Wischnewski) immer zählen. Der mächtige Ritter ist ein
Verwandter des Königs und darüberhinaus sein wichtigsten Ratgeber.
Zur
gleichen Zeit erzählt man sich am Hof die Heldentaten des jungen
Siegfrieds von Xanten (Uwe Beyer), der den Drachen Fafnir besiegen
konnte und anschließend in dessen Blut badete, was ihn unverwundbar
werden ließ. Ein herabfallendes Blatt, dass sich vor dem Blutbad auf
seinem Rücken festgesetzt hatte, sorgte aber für eine Schwachstelle in
der Unverwundbarkeit seines athletischen Körpers. Der Held eroberte
anschließend vom Zwergenkönig Alberich (Skip Martin) den Nibelungenhort
und stiehlt ihm seine kostbare Tarnkappe, mit der sich der Besitzer
unsichtbar machen kann.
Und da dies noch nicht Heldentaten
genug sind, erweckt er noch im fernen Island die schöne Königin Brunhild
(Karin Dor) mit einem Ring aus ihrem tiefen, tausendjährigen Schlaf und
gewinnt so ihre Liebe für sich, was schließlich der Ausgangspunkt für
die folgende Tragödie ist. Denn die Liebe bleibt einseitig - Siegfried
verliebt sich am Königshof in Worms - nachdem er dort erorbern wollte,
aber sich mit König Gunther angefreundet hat - in dessen Schwester
Krimhild, um die auch der Hunnenkönig Etzel (Herbert Lom) durch einen
Boten wirbt. Gunther willigt in eine baldige Vermählung der beiden
Liebenden ein, doch zuvor muss der starke Siegfried ihm helfen bei
seinem Werben um Brunhild. Die kann nur einen Mann heiraten, der sie in
drei kämpferischen Disziplinen schlägt. Denn ein Gürtel, ein Geschenk
der alten Götter, hat ihr Superkräfte verliehen. Mittels Tarnkappe hilft
Siegfried bei den drei Kämpfen seinem Freund Gunther und so wird durch
geschickte Manipulation die Heirat mit der schönen Island Königin
forciert. Diese vermutet zwar eine Hexerei, kann es aber nicht beweisen.
So wird sie zwar Gunthers Frau, aber nicht sein Weib. Am Wormser Hof
gibts natürlich Eifersüchteleien der beiden Frauen. Als sie erkennt,
dass sie von Siegfried und Gunther betrogen wurde, schwört sie Rache.
Und Hagen von Tronje bekommt damit die Rolle des Mörders, der Siegfried
mit einem Speer töten kann - treffgenau in die eine Stelle, die nicht
durch das Blut von Fafnir geschützt war. Nun bleibt Krimhild nur noch
die Rache...
Regisseur Harald Reinl inszenierte das
Liebesdrama und Schlachtenepos sehr farbenprächtig und auch etwas naiv -
genauso wie die Karl May Filme. Natürlich fällt aus heutiger Sicht die
Nähe zu J.R.R. Tolkiens "Herr der Ringe" deutlich auf. Der englische
Schriftsteller und Philologe, der mit seinen Werken die moderne Fantasy
Literatur begründete, bediente sich eifrig bei der nordischen Mythologie
und damit auch beim "Nibelungenlied" - es floß vieles davon in das
mythologische Konzept seiner erdachten Welt Mittelerde. Und somit sind
wir schon bei der Überlegung, wie eine Verfilmung des Stoffes heute -
mit den modernen Techniken - aussehen würde. Beispielsweise der Drache
oder die Choreografie der Schlacht im zweiten Teil des Films "Krimhilds
Rache" - der 1967 separat in die Kinos kam, also einige Monate später
als "Siegfried von Xanten". Für Artur Brauner wars ein riesiger
kommerzieller Erfolg - der Film lockte über 3 Millionen Zuschauer in die
deutschen Kinos, was dem Monumentalfilm eine goldene Leinwand
einbrachte. Die zeitgenössische Kritik war da eher verhalten - man
meckerte über das Spiel des Darstellers Uwe Beyer, Hammerwerfer und
Bronze-Medaillen Gewinner bei der Olympiade 1964, dem man wenig
mimisches Talent bescheinigte. Aber er war immerhin stark, blond und
blauäugig. Also so ganz fehlbesetzt war er nun doch nicht. Ansonsten
fand ich den gesamten Film ganz gut, aber zu einem Meisterwerk fehlt ihm
die düstere Note. Die kommt nur sehr selten zum Tragen - am besten
finde ich die Szenen in Island mit einer toll aussehenden Karin Dor, die
ein bisschen an die junge Elizabeth Taylor erinnert und dem Film eine
gewisse melancholische Poesie beschert. Dazu ist die nordische
Landschaft perfekt für den Film - viele andere Teile sind - genau wie
die Winnetou Filme dann in Yugoslawien realisiert worden. Sehr markant
sind auch die Szenen des Bösewichts Hagen von Tronje - von Siegfried
Wischnewski charismatisch performt. In den besten Szenen des Films
gelingt es sogar die weltlich-machtpolitischen Handlungsstränge (Macht
der Könige, Hunnensturm) mit den fantastisch-mythologischen
(Drachenkampf, Rheingold, der Ring, die Tarnkappe, die Zwerge)
miteinander in Einklang zu bringen. Es wird Bezug genommen auf das frühe
Christentum, dass sich langsam etabliert und das Aussterben der alten
Mächte. Die Rache, die dann folgt, hätte man m.E. sogar noch viel
archaischer gestalten sollen, sie geht beinahe aufgrund der Massenszenen
im 2. Teil des Films etwas unter. Was bleibt ist auch ein letztes
Aufbäumen des guten alten Monumentalschinkens - soviele dieser Art
sollten nicht mehr im Kino laufen. Vor allem dem italienischen
Monumentalschinken wurde hier auch die Referenz erwiesen. Am Ende darf
man feststellen, dass es Reinl doch gelang den Stoff nicht ein buntes
Märchen abgleiten zu lassen - er bewahrte durch eine gewisse Distanz zu
den Figuren die seltsame Fremdheit der Vorlage.
Bewertung: 7 von 10 Punkten.
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