Regie: Georg Wilhelm Pabst
Lulu...
Die "Büchse der Pandora" enthielt wie die griechische Mythologie
überliefert, alle der Menschheit bis dahin unbekannten Übel wie Arbeit,
Krankheit und Tod. Sie entwichen in dem Moment in die Welt, als Pandora
die Büchse öffnete. So steht dieses Öffnen auch als Inbegriff für das
Stiften eines Unheils, das sich nicht wiedergutmachen lässt.
Angelehnt
an diese Geschichte entstand die gleichnamige Tragödie von Frank
Wedekind als Fortsetzung seines "Erdgeist". Beide Stücke wurden von
Wedekind später als Bühnenfassng in einem Stück mit dem Titel "Lulu -
Tragödie in 5 Aufzügen mit einem Prolog" zusammengefasst. Die "Büchse
der Pandora" erschien in Buchform erstmalig im Jahr 1902. Aufgrund der
für die Jahrhundertwende ungewöhnliche Deutlichkeit und Brutalität der
Sprache schrieb Wedekind vornehmlich auf Englsich und Französisch.
1929
nahm sich der renommierte Regisseur der Weimarer Republik Georg Wilhelm
Pabst diesem Stoff an. Dabei gelang ihm sicherlich neben "Die freudlose
Gasse" und "Tagebuch einer Verlorenen" sein bestes Werk überhaupt.
Der
Film war zu seiner Zeit ein Skandal. Am 30. Januar 1929 gabs
Jugendverbot für den Stummfilm. Nach der Machtergreifung der Nazis wurde
sogar am 9. April 1934 verhängte die Filmoberprüfstelle auf Antrag
des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda das
Aufführungsverbot für einen der besten Filme der 20 Jahre.
Erzählt
wird die tragische Geschichte von Aufstieg und Untergang der jungen
Lulu (Louise Brooks), die den Männern, denen sie begegnet, zwar
Begehren, am Ende aber nur den Tod bringt. Auch Frauen wie Augusta
Geschwitz (Alice Roberts) erliegen dem Charme und der erotischen
Austrahlung des jungen Revuegirls. Gleich am Anfang zeigt Pabst das
Zusammentreffen einiger wichtiger Männer im Leben der Lulu. Mit dem
wohlhabenden und einflussreichen Zeitungsherausgeber Dr. Schön (Fritz
Kortner) hat sie eine Affäre. Doch er will sich von ihr trennen und hat
sich mit der anständigen Charlotte von Zarnikow (Daisy D´Ora) verlobt.
Als er entdeckt, dass sich in Lulus Wohnung auch der gnomenhafte alte
Schigolch (Carl Goetz) aufhält, den Lulu als früheren Mäzen vorstellt,
verlässt er seine Geliebte. Doch schon ein neuer Verehrer kreuzt seinen
Weg nach draussen auf der Treppe des Hauses. Selbst Schöns junger Sohn
Alwa (Francis Lederer) schwärmt für die die Exgeliebte seines Vaters.
Sehr berechnend inzeniert sie im Theater einen handfesten Skandal, nach
dem Schön genötigt ist sie auch zu ehelichen. Doch die Ehe hält nicht
lang. In der Hochzeitsnacht kommt es zu einem Handgemenge, in dessen
Verlauf Dr. Schön erschossen wird. Auf der Anklagebank könnte ihr die
Todesstrafe drohen, doch am Ende steht das Urteil von 4 Jahren
Zwangsarbeit fest. Sie kann mit Hilfe ihrer Freunde fliehen. Alwa,
Schigloch und Gräfin Geschwitz begleiten sie. Im Zug wird Lulu von einem
anderen Passagier, Marquis Casti Piani (Michael von Newlinsky) erkannt.
Er schweigt - muss aber bezahlt werden. Er schlägt vor, dass sich die
Flüchtenden auf einem Schiff verstecken können, dass als illegale
Spielhölle verwendet wird. Nach mehreren Monaten braucht er aber wieder
Geld und verkauft Lulu an ein ägyptisches Bordell. Es bleibt nur noch
die Flucht nach London. Dort hausen Alwa, Schigloch und Lulu im
Elendsviertel. Am Heiligabend wird sie zur Prostitution getrieben. Dort
treibt aber zur gleichen Zeit auch der gefürchtete jack the Ripper
(Gustav Diessl) sein Unwesen...
Sehr stark kommen die beiden
Wirkungsmöglichkeiten des Films zur Geltung: Expressionistische
Großaufnahmen und extrem atmosphärische Bildimpressionen, die den Film
so derart stark machen. Unvergessen bleibt auch die Darstellung der
amerikanischen Schauspielerin Louise Brooks, deren kesse moderne Frisur
heute noch als "Lulu Pagenkopf" bezeichnet wird. Großartig spielt sie
die eigentlich eher unschuldige Verführerin, die mit ihrer unverhüllten
Sexualität das Leben der sie umgebenden Menschen zugrunde richtet.
Louise Brooks besaß eine emorme sinnliche Ausstrahlung und beinahe kann
man sagen, dass sie den Film mühelos im Alleingang tragen kann. Die
Handlung unterteilt sich wie im Theater in Akte. Was in Akt 1 in einem
großbürgerlichen Berliner Salon beginnt, endet in Akt 8 im Nebel von
London. Alles ist recht dunkel gehalten, keine Spur von Hoffnung auf dem
unaufhaltsamen Weg ins Verderben.
Die Restauration des Films ist sehr gut gelungen. Die DVD bietet sowohl englische als auch deutsche Zwischentitel an.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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