Regie: Jean-Pierre Melville
Priester Leon Morin
Nach seinen beiden Noirs "Elf Uhr Nachts" und "Zwei Männer in
Manhattan" verfilmte der französische Regisseur Jean- Pierre Melville im
Jahr 1961 das sehr ruhige Drama "Leon Morin, Pretre" (deutscher Titel:
Eva und der Priester) nach dem gleichnamigen Roman von Beatrix Beck.
Rein oberflächlich betrachtet geht es um die unerfüllte Liebe einer
abgestumpften Witwe eines jüdischen Ehemanns, die sich während der
französischen Besatzungszeit durch die Italiener und anschließend der
Deutschen in einen jungen, selbstlosen Priester verliebt. Aber Melvilles
Filme bieten meist viel mehr - trotz einer stets unterkühlten Machart.
Die Filme handeln von Themen wie Freundschaft und Vertrauen, von
Einsamkeit und Verrat. Meistens sind die Figuren eher Aussenseiter und
unverstandene Persönlichkeiten. Seine späteren Werke sind stark
fatalistisch geprägt, diese Machart hielt sich Anfang der 60er Jahre
noch in Grenzen. Aber dennoch spielte bereits das Scheitern eine große
Rolle - auch in "Eva und der Priester" ist der Frau und dem Priester
kein gemeinsames Glück beschieden.
Barny (Emmanuelle Riva) ist eine junge, verwitwete Mutter, die
während der Besatzungszeit in einer kleinen Stadt in den französischen
Alpen lebt. Der jüdische Ehemann ist im Krieg gefallen und die Tochter
musste sie vorübergehend zu Bekannten in Pflege geben. Barny fühlt sich
abgestumpft und sexuell frustriert. Sie arbeitet als Sekretärin in der
örtlichen Schule und fühlt sich zu ihjrer jüdischen Chefin Sabine
(Nicole Mirel) auch erotisch angezogen. Von der Religion hat sie sich
losgesagt und als bekennende Athestin steht sie dem Glauben spöttisch
und zynisch gegenüber. Ausserdem ist die junge Frau eine überzeugte
Kommunistin. Um sich zu amüsieren, geht sie eines Tage in eine Kirche
der nächst größteren Stadt und hat vor bei einem Priester zu beichten.
Dieser Priester heißt Leon Morin (Jean Paul Belmondo), den sie versucht
während der Beichte zu provozieren. Doch der Priester lässt sich nicht
beirren, reagiert völlig anders als gedacht und so entsteht im
Beichtstuhl eine intellektuelle Diskusion über den katholischen Glauben
und über Religion. Leon lädt die junge Frau zu sich ein, sie könne sich
ein paar Bücher ausleihen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt Barny den
Priester regelmässig zu besuchen...
In Frankreich kaufen sich mehr als 1,7 Millionen Kinofans eine
Eintrittskarte und Belmondo wurde für einen BAFTA Award als bester
ausländischer Darsteller nominiert. Insgesamt ist die Geschichte sehr
interessant, jedoch wirkt sie manchmal zu verkopft und geschwätzig.
Komischerweise war der Film beim Kinostart in Deutschland recht brisant.
Wie sehr sich doch die Zeiten ändern... 1963 veranlasste die FSK
erhebliche Kürzungen des Originals, da das religiöse Empfinden weiter
Bevölkerungskreise verletzt werden könnte. So wurden die Szenen
beanstandet, in denen sich Barny in den Priester verliebt und ein Spiel
zwischen den beiden Menschen abläuft, dass den Geistlichen in
Grenzsituation bringt. Regieassistent war der junge Volker Schlöndorff
und einmal mehr beweist der Kameramann Henri Decae (Fahrstuhl zum
Schafott, Die Unbefriedigten, Wie Raubkatzen, Der eiskalte Engel) seine
Meisterschaft.
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.
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