Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
Ein verhängnisvoller Pakt...
"Faust - eine deutsche Volkssage" entstand 1926 und gilt als eines
der größten Meisterwerke des Filmpioniers Friedrich Wilhelm Murnau, der
im Alter von 43 Jahren auf tragische Weise bei einem Autounfall in Santa
Barbara, Kalifornien starb. Seine Filme waren geprägt vom
Expressionismus, seine psychologische Bildführung und die damals
revolutionären Kamera- und Montagearbeiten waren für die damalige Zeit
bahnbrechend und eröffneten dem Film-Medium, das noch in den
Kinderschuhen stand, völlig neue innovative Möglichkeiten. Dies kann man
auch in "Faust" bewundern, denn eine Szene dokumentiert vielleicht am
stärksten die Zusammenarbeit zwischen Architektur und Kameraführung: Der
Flug Mephistos (Emil Jannings) und Fausts (Gösta Ekman) auf dem Mantel
Mephistos nach Parma. Diese Sequenz setzt sich aus einer ganzen Reihe
von Spezialeffekten zusammen. Für den "Abflug" wurden Jannings und Ekman
auf dem Mantel stehend vor einem schwarzen Hintergrund gefilmt. Die
Kamera bewegte sich dann in schneller Fahrt vor ihnen fort. Die Aufnahme
wurde anschließend über das zuvor zersprungene Fenster kopiert und so
entsteht der Eindruck, dass sich nicht die Kamera entfernt, sondern die
Darsteller auf dem Mantel Mephistos. Für den eigentlichen Flug war dann
noch zusätzlich ein Wagen notwendig, auf dem die Kamera platziert wurde.
Dieses Gefährt war eine Konstruktion von Kameramann Carl Hoffmann.
Diesen
hätte Murnau durch den Amerikaner Charles Rosher ersetzen sollen, denn
das war die Bedingung dafür, dass der damals große Hollywoodstar Lilian
Gish die Rolle des Gretchens übernommen hätte. Er hat dann schließlich
abgelehnt, was dann zur großen Chance der Filmdebütantin Camilla Horn
wurde, die in dieser Rolle glänzte.
Goethes berühmtes Werk ist von Anfang bis Ende in spektakuläre Szenen eingebettet,
was bereits beim Auftakt sichtbar wird. "Aufgetan sind die Pforten der
Finsternis und die Schrecken der Völker jagen über die Erde..." der
Zuschauer wird konfrontiert mit dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse,
zwischen Licht und Dunkelheit. Die vier apokalyptischen Reiter
erscheinen, der Satan breitet seine mächtigen Schwingen über die Welt.
Doch der Erzengel (Werner Fuetterer) stellt sich dem Kampf um die Seele
der Menschen.
Der alte Alchemist Faust (Gösta Ekman) lebt
in der Zeit als sich das Mittelalter verabschiedet und langsam die
Neuzeit beginnt. Um seine von der Pest bedrohten Mitbürger zu retten,
verschreibt er sich für einen Tag dem Teufel (Emil Jannings). Er rettet
einen Totkranken und wird sofort von der Menge als Retter und Heiler
umjubelt.
Doch eine weitere Heilung kann er nicht
vollbringen, weil die Kranke ein Kreuz in der Hand hält. Jetzt will die
Menge Faust steinigen, er rettet sich in sein Studierzimmer. Mephisto
gibt ihm zu verstehen, dass dieser Probetag noch nicht zu Ende ist und
macht ihm nun das Ideal der Jugend schmackhaft. So wird Faust wieder zum
jungen Mann. Mit der Jugend wird auch Reichtum und Macht geschenkt.Am
Abend will Faust auf diese Jugend auch nicht mehr verzichten. Der Pakt
mit dem Teufel ist gemacht. Er kann aber die Herzogin von Parma (Hanna
Ralph) für sich gewinnen und entführen - durch eine List von Mephisto,
der ihren Mann (Eric Barclay) aus dem Wege räumt. Nach der Rückkehr in
die Heimat trifft er in der Stadt das junge Gretchen (Camilla Spira),
die gerade in die Kirche will.
Er verliebt sich in sie.
Mit Mephistos Trick kommt ein Zusammentreffen mit Gretchen im Garten
von Marthe Schwerdtlein (Yvette Guilbert) zustande. Auch das Mädchen
verliebt sich in ihren Verehrer und gewährt ihm schließlich Zugang zu
ihrer Kammer. Doch Mephisto ist daran gelegen, dass das Liebespaar
entdeckt wird. Er lässt durch einen Wind die Mutter (Frida Richard)
erwachen und lockt Gretchens Bruder Valentin (Wilhelm Dieterle) aus dem
Wirtshaus nach Hause. Es kommt zum Kampf zwischen Valentin und Faust,
doch Mephisto tötet Valentin im Hintergrund und ruft noch in der Nacht
in der ganzen Stadt den Mord aus. Faust muss flüchten. Gretchen kommt an
den Pranger und bringt ein Kind zur Welt. Sie irrt mit dem Neugeborenen
durch den Schnee. Ihr Geist ist inzwischen verwirrt. Sie sieht eine
Wiege und legt dort das Kind hinein. Aber in Wirklichkeit ist es ein
Schneehaufen und das Kind stirbt. Nun wird sie als Kindsmörderin auf dem
Scheiterhaufen sterben müssen. Angesichts des Leids, dass seine Jugend
hervorgebracht hat, verflucht Faust seine Jugend. Er steigt zu ihr als
alter Mann auf den Scheiterhaufen. Dadurch wird er von der Sünde befreit
und entsühnt. Am Ende treffen sich Erzengel und der Feind aus der
Finsternis noch einmal. Dort wird dem Teufel klar gemacht, dass alle
seine Bemühungen ins Leere laufen, wenn die Kraft der "Liebe" geübt
wird. Der Teufel kennt dieses Wort nicht...
"Faust - Eine
deutsche Volkssage" ist einer der besten Stummfilme der Weimarer
Republik. Der Film ist auch heute noch faszinierend und ungeheuer
atmosphärisch. Eine wesentliche Rolle für diese Dichte und Tiefe wurden
durch die Bauten erreicht. Robert Herlth und Walter Röhrig entwarfen
u.a. eine mittelalterliche Stadt mit spitzen Gibeln, dunklen Winkeln und
treppenartigen Straßen. In dieser engen Welt beginnt und endet das
religiös-philosophische Drama. Die suggestive Stimmung wird dabei immer
wieder mit praller Action erweitert. Umso erstaunlicher, dass "Faust"
ein reines Studio Projekt ist. Für Murnau war es wichtiger, Schatten zu
machen als das Licht zu stellen. Es wird Nacht, als Mephisto sienen
Mantel über die Stadt ausbreitet. Schatten sind die Vorboten für die
Pest. Natürlich darf Emil Jannnings nicht unerwähnt bleiben - er liefert
einen brillianten "Mephisto" ab und glänzt in seiner Rolle. Auch seine
Kostümierungen sind legendär, sowohl als alter, furchterregender Gnom
mit stechenden Augen als auch als Junker mit Feder, Degen und spitzem
Hut. Ein paar Jahre später sollte er der erste Schauspieler und bis
heute immer noch einzige Deutsche sein, der den Oscar erringen konnte.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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