Regie: Gerd Oswald
Ein Student geht über Leichen...
Bei seinem Erscheinen musste Gerd Oswalds Technicolor-Thriller "Ein
Kuß vor dem Tode" ziemlich viel Kritik einstecken. Man warf dem 1956
inszenierten Film vor, dass er kaum Spannung bieten würde und die Regie
zwar dem großen Hitchcock nacheifern würde, aber dennoch recht hölzern
bliebe. Dennoch hat der Film seine Vorzüge und auch tolle Momente.
Besonders die Noir-typische Szene als Ellen Kingship (Virginia Leith)
nachts in eine dunkle Gasse flüchtet und der unbekannte Verfolger ihr
sehr nahe kommt wird immer mal wieder lobend erwähnt. Aber auch sonst
findet man viele Noir Anteile, wie etwa die permant düstere Stimmung,
obwohl der Film vielfach gerade am hellichten Tag beim schönstem Wetter
mit blauem Himmel spielt. Die Bilder von Kiameramann Lucien Ballard
erinnern daher optisch sehr stark an die Douglas Sirk Melodramen der
50er Jahre. Sehr innovativ finde ich die Entscheidung, dass statt einer
Femme Fatale, wie üblich bei der schwarzen Serie, dieser Part von einem
charmanten und äusserst manipulativen Collegeboy übernommen wird. Er ist
der, der die Frauen abhängig machen kann für seine finsteren und
geheimen Pläne. Robert Wagner spielt diesen Studenten Bud Corliss
perfekt, der es auf das Vermögen des Industriellen Leo Kingship (George
Macready) abgesehen hat. Auch die zweite tragende Männerfigur ist
interessant gewählt. Denn der Dozent Gordon Grant (Jeffrey Hunter) wirkt
etwas farblos und man hat das Gefühl, dass er sich mit Brille und
Tabakpfeife extra etwas unscheinbar macht - er wird aber im Laufe des
Films zu einer Schlüsselfigur und wirkt dann von Szene zu Szene
attraktiver. Die Geschichte - basierend auf einen Roman von Ira Levin
(Rosemarys Baby) - fängt mit einem Rendezvou der beiden Studenten
Dorothy Kingship (Joanne Woodward) und Bud Corliss (Robert Wagner).
Beide leben in Tuscon, Arizona und studieren auch dort. Die beiden sind
heimlich ein Paar und Dorothy gesteht ihrem Lover unter Tränen, dass sie
ein Kind von ihm erwartet, schon im zweiten Monat schwanger ist. Der
beschwichtigt sie auch und gibt ihr zu verstehen, dass sich schon eine
Lösung finden wird. Was das verliebte Mädchen nicht weiß? Bud hat es
eigentlich nur auf die Erbschaft von Dorothy abgesehen und wollte
Schwiegersohn des steinreichen Minenbesitzers werden. Mit dieser
Schwangerschaft ist dieser Traum aber nun stark gefährdet, da Dorothy
fast sicher glaubt, so von ihrem Vater enterbt zu werden, da dieser
keine Schwächen und Fehler duldet. So hat er nach einem Seitensprung
auch seine Frau und Mutter von Dorothy verstoßen. Bud fasst den
Entschluß Dorothy zu töten. Alles soll so aussehen, dass sie Selbstmord
begangen hat. Doch der Plan mit Gift, die er als Tabletten gegen
Übelkeit ausgibt, misslingt. Er gerät in Zugzwang und so muss er sich
auf andere Weise seiner ungeliebten Freundin entledigen. Er scheint das
perfekte Verbrechen begangen zu haben, doch Ellen (Virginia Leith), die
Schwester von Dorothy, glaubt nicht an den Suizid. Sie stellt
Nachforschungen an...
Es gibt ein paar tolle Szenen, die
auch an Hitchcock erinnern lassen. Zum Beispiel Buds Einbruch in die
Fakultät der Chemie, er wird dabei beinahe erwischt. Einmal wird er von
Gordon Grant mit Dorothy gesehen, auch diese Szene auf dem Campus ist
gut gemacht und zeigt beide Männer, wie sie beide die gleiche Richtung -
aber etwa 50 Meter voneinander entfernt - einschlagen und sich so kurz
wahrnehmen.
Auch sein entsetzter Blick bei der Vorlesung
als Dorothy reinkommt (dabei hatte er gedacht sie mit den Pillen getötet
zu haben) ist eine perfekte und recht gruselige Filmszene. Hier wird
deutlich, was sich für ein fieser Psychopath hinter dieser charmanten
und smarten Maske verbirgt. So ist es nicht verwunderlich, dass er sein
Vorhaben Erbe der Minenfabrik zu werden auch nach dem Tod von Dorothy
nicht aufgibt. Schließlich hat der schwerreiche Daddy noch eine weitere
hübsche Tochter.
Diese Wendungen halten den Thriller
stets abwechslungsreich und spannend, auch die tollen Bilder werten den
Film deutlich auf. So kann man "Ein Kuß vor dem Tode" sicherlich zu den
wenigen, aber gut gelungenen Technicolor-Noirs wie John Dahls "Todsünde"
zählen. An den besten dieser Farb-Noirs "Niagara" reicht Gerd Oswalds
Film aber nicht heran.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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