Regie: Vincente Minelli
Patriarch und Vater...
Die Filme von Vincente Minelli sind vor allem visuell sehr betörend
gestaltet. Er selbst verwendete in Bezug auf seine Filme häufig die
Wörter "beauty" und "magic" - der Zuschauer sollte einfach ins Staunen
kommen bei den total schönen Filmbildern. Vor allem in seinen
Technicolor-Filmen ist diese Machart auffällig. Seine größten Erfolge
hatte er mit Musicals wie "Gigi", "Ein Amerikaner in Paris", "Brigadoon"
und "Meet me in St. Louis" oder in Feel Good Comedys wie "Vater der
Braut" oder "Warum hab ich ja gesagt ?". Er konnte aber auch mit
ernsthafteren Themen überzeugen: "Stadt der Illusionen", "Verdammt sind
sie alle" oder "Anders als die anderen" wurden ebenfalls zu
unvergesslichen Klassikern. Etwas weniger bekannt ist das opulente
Südstaatendrama "Das Erbe des Blutes" aus dem Jahr 1959. Wie alle seine
Filme ist auch dieses Melodram in Kostümen und Sets aufwändig
ausgestattet.
Der Film lief 1960 als offizieller
amerikanischer Beitrag im Wettbewerb von Cannes, konnte dort aber nicht
besonders begeistern. Vielleicht lag es daran, dass sich im Kino ein
Wandel vollzog, weg von den Märchen, Träumen und Mythen in
Technicolor..die Zuschauer wollten realistischere Filme sehen, der
Siegeszug des Free Cinema, der Nouvelle Vague, und des Autorenfilms
hatte begonnen.
Erzählt wird die Geschichte es
Südstaaten-Familienpatriarch. Dieser Captain Wade Hunnicut (Robert
Mitchum) ist ein Mann, der in der ganzen Region geachtet und sogar
gefürchtet wird. Ein starker Mann, der gerne auf die Jagd geht und mit
seinen Tiertrophäen prahlt, aber auch ein unverbesserlicher
Schürzenjäger. Die Männer der Stadt bewundern und beineiden ihn sogar
dafür, aber es besteht auch immer eine gewisse Furcht, weil der Captain
auch schon diverse verheiratete Frauen heimlich besucht hat. Mit seiner
Frau Hannah (Eleanor Parker) hat er aber ein neurotisches Verhältnis.
Sie hat ihm nie verziehen, dass er sie schon gleich nach der Ehe
betrogen hat und mit dieser Frau ein uneheliches Kind hat. Da Hannah
selbst ein Kind erwartete, verließ sie ihren Mann nicht - doch ihr
Schlafzimmer blieb seither verschlossen. Inzwischen ist der junge Theron
(George Hamilton) 17 Jahre alt und er ist das krasse Gegenteil seines
machohaften Vaters. Der wird in einer der ersten Szenen des Films bei
der Jagd von einem wütenden jungen Ehemann angeschossen. Zum Glück kann
der junge Rafe Corley (George Peppard) den Captain in letzter Sekunde
retten. Rafe ist der uneheliche Sohn des Patriarchen, der ihn zwar wegen
seiner Stärke schätzt, aber ihn nie als Sohn anerkannt hat. Die
Vaterschaft wurde die ganze Zeit verschwiegen, immerhin arbeitet Rafe,
der aber weiß wer sein Vater ist, als Stallbursche für den Captain. Bald
wird Theron Opfer eines Streichs seiner Vorabeiter, bei dem sich der
sanfte Junge ziemlich blamiert. Er will nun in die Fußstapfen des
starken Vaters treten und ein richtiger Mann werden. So muss er
erfolgreich die Jagd absolvieren. Ausserdem verliebt er sich in die
gleichaltrige Libby Halstead (Luana Patten). Als der siebzehnjährige
Theron hinter das Familiengeheimnis kommt, nimmt die Tragödie ihren
Lauf....
"Das Erbe des Blutes" knüpft an die überlebensgroßen
Familientragödien wie "Die Katze auf dem heißen Blechdach", "Giganten",
"Weites Land" oder "Der lange heiße Sommer" an und hat eine epische
Laufzeit von beinahe 2 1/2 Stunden. In der Rolle des Wade Hunnicuts
glänzt der großartige Robert Mitchum. Man nimmt ihm den patriarchischen
Machismo sofort ab. Sein Gesellschaftszimmer ist mit Waffen und
Tiertrophäen an den Wänden behangen. Das Herzstück des Männerzimmers ist
ein Altar-ähnlicher Kamin. Dort lebt der einsame Wolf mit seinen drei
Jagdhunden. Seine Frau geht ihm aus dem Weg und widmet sich der
Erziehung des Sohnes, der ganz anders werden soll als ihr Mann. Auch
Eleanor Parker brilliert in einigen Szenen. Auch George Hamilton und
George Peppard spielen erstklassig. Der bildgewaltige Film erinnert auch
mit seinem klaustrophobischen Blick auf die Kleinstadt an die
Melodramen von Douglas Sirk, die genauso opulent aussehen. Wenn
"Verdammt sind sie alle" der beste Film von Vincente Minelli ist, dann
ist "Das Erbe des Blutes" vielleicht sein verkanntester. Erst als der
Patriarch am Ende stirbt, kann sich etwas neues herausentwickeln. Genau
wie der Roman "Die Schuld der Väter" von William Humphrey ist auch
Minellis Filmversion als griechische Tragödie angelegt.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
Dieser Film war viele Jahre lang mein unangefochtener Favorit. Ich bewundere das Drama zwar heute noch, jedoch habe ich mittlerweile eine kritische Distanz gewonnen, die es mir ermöglicht hat auch einige dramaturgische Schwächen daran zu erkennen, insbesondere eine Tendenz zur Schwülstigkeit, was natürlich in der Zeit begründet liegt, als der Film fürs Kino produziert wurde. Eine seiner grössten Stärken hingegen ist zweifellos der Dialog; auch der Filmmusik, welche die Handlung mitträgt, muss ich meine Bewunderung ausdrücken. Soweit ich mich erinnere ist dies einer der ersten Filme in denen George Hamilton mitgespielt hat und zweifellos eine seiner hervorragendsten Leistungen – abgesehen von seinen Auftritten in der TV-Serie Colombo.
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