Regie: Fritz Lang
Der Dämon, der beliebig in andere Körper schlüpft....
"Die Seele der Menschen muss man in ihren tiefsten Tiefen
verängstigt werden - durch unerforschliche und scheinbar sinnlose
Verbrechen, die niemandem Nutzen bringen, die nur den Sinn haben, Angst
und Schrecken zu verbreiten, denn der letzte Sinn des Verbrechens ist,
die unbeschränkte Herrschaft des Verbrechens aufzurichten" -
erschreckend aktuell und doch betrifft es Fritz Langs Stummfilmepos "Dr.
Mabuse, der Spieler", der es mit 271 Minuten Laufzeit locker schafft
als Monunentalfilm viel Sitzfleisch beim Zuschauer abzuverlangen. In
diesem Film wird geliebt, geschossen, intrigiert und gelitten, dies
alles findet in den düstersten Gassen der Metropole Berlin statt.
Drohende Schatten verbreiten Schauder. Es geht dabei um einen genialen
und fasziniernden Kopf einer Verbrecherbande, der auch ein angesehner
Psychoanalytiker ist. Dieser berühmte Dr. Mabuse (Rudolf Klein-Rogge)
verspricht den Menschen, die nach dem Krieg verzweifelt und haltlos
agieren, eine Art von Heilung. Aber seine Pläne sind finster. Er ist
nicht nur ein Falschspieler und Falschmünzer, sondern wechselt
chamäleonartig seine Identitäten, taucht in immer neuen Maskierungen auf
und unter. Ausserdem hat er die Gabe durch Suggestion Macht über
anderen Menschen zu erlangen, er steuert deren Gedanken und lässt sie
wie Marionetten agieren. Dr. Mabuse ist das personifizierte Böse. Einer,
der nach der absoluten Macht strebt, der diese Macht als Kontrolle,
Manipulation und vor allem Spiel mit den Menschen begreift. Jahre später
nannte Fritz Lang sein 1922 entstandenenes Meistewerk, das zu einem
echten Welterfolg wurde, einen "Dokumentarfilm" und als Dokument seiner
Zeit ist er hervorragend gemacht. Auch wenn die realistische Darstellung
der tatsächlichen Ereignisse dieser Zeit fehlt, fängt "Dr. Mabuse"
perfekt die Wiedergabe einer Zeitsituation ein. Dabei legte Fritz Lang
auch Wert die Lebenshaltung dieser Ära aufzuzeigen. Dieser labile
Menschenschlag, der einer gewissen Sucht nach Begierde und Genuß frönt.
Man kokettiert mit den dunklen Mächten. Verbringt die Nächte in
Spielhöllen, Vergnügungsvierteln oder lädt zuhause zu einer
Geisterbeschwörung ein. Wer konnte damals ahnen, dass diese Gesellschaft
einige Jahre später reif war für einen Verführer. Diese Zeitbezüge hat
Fritz Lang später in der 1932 entstandenen Fortsetzung "Das Testament
des Dr. Mabuse" auch so aufgegriffen, er wollte in der Gestalt des Dr.
Mabuse die nationalsozialistische Ideologie und die Weltherrschaftspläne
von Hitler skizzieren. Filmhistorisch wurde aus der Figur des Dr.
Mabuse ein echter Publikumsliebling und Dauerbrenner. Es folgten ab den
60er Jahren weitere zahlreiche erfolgreiche Mabuse-Filme. Allerdings
blieb das Original unerreicht und darf sich rühmen das erste richtige
Gangsterepos der Filmgeschichte zu sein.
Zu Mabuses Bande
gehören seine Handlanger Spoerri (Robert Forster-Larrinaga), Georg
(Hans Adalbert Schlettow), Pesch (Georg John), der Falschmünzer Hawasch
(Karl Huszar Puffy), seine Exgeliebte und Tänzerin Cara Carozza (Aud
Egede-Nissen) und die Dienerin Fine (Grete Berger). Wer da aussteigt,
der entgeht der Rache des genialen Meisters Mabuse nicht. Mabuses Bande
hat auch den Auftrag ein immens wichtiges schweizerisch-holländisches
Handelsabkommen zu stehlen. Er hat aber gar kein Interesse daran, diese
geheimen Informationen inhaltlich zu nutzen. Mabuse liegt daran an der
Börse eine kollektive Panik auszulösen. Verkleidet als Plutkrat mit
Zylinder und einem Pelzmantel bekleidet macht er dann vor Ort ein
schnelles Vermögen. Nebenbei beschäftigt der Verbrecher eine Gruppe von
blinden Notenfälschern und blättert gelangweilt Fotos eines Kartenspiels
durch, um sich unter seinen vielfältigen Verkleidungen immer wieder
eine neue Identität auszusuchen, mit der er neue Verbrechen begehen
kann. Vor allem am Spieltisch zieht er seinen Mitspielern durch Betrug
viel Geld aus der Tasche. Eines seiner Opfer wird der millionenschwere
Erbe Edgar Hull (Paul Richter), den er noch weiter ausnehmen möchte.
Dazu soll Cara Carozza mit ihren Verführungskünsten den jungen Mann
gefügig machen. Doch Mabuse hat einen eifrigen Widersacher. Staatsanwalt
von Wenk (Bernhard Goetze) ist auf der Spur des Verbrechers und lässt
nicht locker. Wenk besucht die Spielclubs, wo er den Verbrecher
ausfindig machen will. Zunächst lernt er aber die gelangweilte
Aristokratin Gräfin Dusy Told (Gertrud Welcker) kennen, die sich in
ihrer Ehe mit dem Graf (Alfred Abel) langweilt und so ihre Nächte auf
der Suche nach begeisterten Erlebnissen ist. Auch Mabuse wird auf die
Gräfin aufmerksam und verliebt sich in die Frau. Er entführt sie und
behandelt dann als sorgsamer Dr. Mabuse den Ehemann. Erst sehr spät
erkennt von Wenck, dass hinter dem anonymen Verbrecher der angesehene
Psychanalytiker steckt. Beinahe zu spät....
Für eine Stummfilm bietet "Dr. Mabuse" interessanterweise viele Texttafeln, so ist man gar nicht unbedingt auf die stark übertriebenen Gesten der Stummfilmakteuere angewiesen. Dennoch sind die Manirismen der Darsteller typisch für diese Zeit. Man muss sich ein bisschen daran gewöhnen. Allerdings wird man auch belohnt mit einem filmischen Vermächtnis in der Art eines großartigen Zeitdokuments. Und Kenner und Liebhaber von Stummfilmen wissen ja diese Momentaufnahmen, diese grandiosen Szenenbilder für die Ewigkeit zu schätzen. Das expressive Spiel der Darsteller, die scheinbare Allmacht des Bösen - das ungewisse Spiel von Licht und Schatten, dies alles eingebettet in eine expressionistische Dekoration, geschaffen von Otto Hunte und karl Vollbrecht spiegelt für mich den Geist einer daus den Fugen geratenen Zeit. Von der verlogenen Bürgermoral angefangen bis hin zur Beschreibung eines Großbürgertums zwischen Vergnügungssucht und Dekadenz. In einer der besten Szenen des Films tritt Mabuse als Hypnotiseur auf, der in einer Veranstaltung sämtliche Register seines teuflischen Könnens präsentiert, unter dem riesigen Applaus des Publikums, das er schon sicher manipuliert hat. Es gelingt ihm spielend in dieser "Show" den anwesenden von Wenck für seine Zwecke zu hypnotisieren. Das Publikum ahnungslos, was da gerade wirklich abläuft. Dies waren überaus günstige Bedinungen wie eine Gesellschaft einem "Übermenschen" verfallen kann.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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