Dienstag, 9. Februar 2016

Anatomie eines Mordes















Regie: Otto Preminger

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit...

Der 155 Minuten lange Gerichtsfilm "Anatomie eines Mordes" ist einer der besten Gerichtsfilme aller Zeiten und auch eines von Otto Premingers Meisterwerken. Bereits 1944 sorgte Premingers Thriller "Laura" für Begeisterung beim Publikum und der Kritik. 1953 gründete der österreichisch-amerikanische Regisseur eine eigene Produktionsgesellschaft, weil er nicht immer auf die Selbstzensur Hollywoods Rücksicht nehmen wollte. So konnte er mit "Der Mann mit dem goldenen Arm" und mit der Drogensucht ein Tabuthema aufgreifen. Auch in "Anatomie eines Mordes" fällt auf, dass neben der klinisch genauen Juristensprache auch Wörter wie Sperma oder Orgasmus vorkommen - für einen Film der ausgehenden 50er Jahre eher noch sehr ungewöhnlich war.  Der Film stellt zuerst den Kleinstadt-Anwalt Paul Biegler (James Stewart) vor, der nicht sehr engagiert seinen Beruf betreibt und sein Leben eher mit der Fischerei und mit Jazzplatten verbringen. Schuld an seiner Lethargie und seinem Müßiggang ist sicherlich die Enttäuschung, dass er seinen Posten als Bezirksstaatsanwalt an seinen Kollegen Mitch Lodwick (Brooks West) verlor. Das hat ihn etwas frustriert und einsiedlerisch gemacht. Er wird aber von seiner Sekretärin (Eve Arden) mit ein bisschen Sarkasmus und Humor versorgt und mit seinem älteren Freund Parnell Emmett McCarthy (Arthur O´Connell), einem ebenfalls versierten Juristen, der aber zu tief ins Glas schaut, philosophiert er über Rechtsfragen. Um sich über Wasser zu halten, nimmt er seit geraumer Zeit nur noch unbedeutende Scheidungsfälle oder Klagen an. Doch die Kassen sind leer, die Sekretärin beklagt, dass sie den Lohn nicht pünktlich bekommt. So kommt der Fall, der Tagesgespräch in dieser kleinen Gemeinde in Michigan ist, wie gerufen. Die äusserst attraktive und aufreizende Laura Manion (Lee Remick) bittet ihn ihren Mann vor Gericht zu verteidigen. Frederic Manion (Ben Gazzara), ein Lieutenant der örtlichen Garnison, hat den beliebten Barbesitzer Barney Quill mit 5 Schüssen getötet, nachdem dieser angeblich Manions Frau in einem abgelegenen Waldstück vergewaltigt haben soll. Manion meint im ersten Gespräch, dass es ja sein gutes Recht gewesen wäre, den Vergewaltiger seiner Frau zu bestrafen. Biegler muss seinen recht undurchsichtigen und etwas arroganten neuen Mandanten zuerst mal aufklären, dass Mord eben Mord bleibt und er möglicherweise die Höchststrafe für dieses Verbrechen erhalten könnte. Es sei denn er wäre....bei der Tat unzurechnungsfähig gewesen. Mit dieser Strategie will man auch einen sehr unwahrscheinlichen Freispruch erzielen. Bieglers Gegner Lodwick holt sich den erfahrenen Ankläger Claude Dancer (George C. Scott) aus der Hauptstadt Lansing zu Hilfe. Biegler gewinnt seinen Freund Parnell für die Unterstützung, dieser muss aber versprechen keinen Whisky anzurühren. Bieger vernimmt Zeugen in der Bar, doch Quills Managerin Mary Pilant (Kathryn Grant) und Barkeeper Al Paquette (Murray Hamilton) hüllen sich in Schweigen. Und Bieger ist auch sichtlich irritiert vom Verhalten der schönen Laura, die ein äusserst kokettes Verhalten an den Tag legt und ob die Vergewaltigung wirklich so stattgefunden hat, wie sie beschwört. Hat es vielleicht auch eine Affäre gegeben ? Mit Richter Weaver (Joseph N. Welch) führt ein kompetenter Mann des Gesetzes die Verhandlung...


Die aber am Ende nicht unbedingt die erwünschte Wahrheit ans Licht bringt. Dies ist auch nicht die Absicht von Preminger, dem viel eher daran lag, sehr authentisch die juristischen Mechanismen einer Gerichtsverhandlung zu beleuchten. Denn da geht es wirklich nicht um den Wahrheitsgehalt, sondern erfolgreich ist man mit der bestmöglichen Taktik. Mit effektivsten Manipulationen gewinnt man auch eine 12köpfige Jury für sich. So gibt Bieger seinem Mandanten schon am Anfang den entscheidenden Tipp, wie er sich aus der Schlinge ziehen kann. Auch die attraktive Frau erscheint dann bei der Gerichtsverhandlung viel zugeknöpfter und seriöser mit einem Hut, wo sie die wunderschönen langen Haare versteckt. Auch die Staatsanwaltschaft agiert durchtrieben und versucht sämtliche Register zu ziehen. Dabei erweist sich besonders George C. Scott, der den gewieften Staatsanwalt spielt, als der ebenbürtige Gegner für James Stewart, der mit seiner Figur des Paul Biegler eine brilliante Vorstellung seines Könnens gibt. Irgendwann ist gerade wegen des riesigen Engagements auf beiden seiten die Gefahr gegeben, dass keiner mehr ernsthaft das Verbrechen aufklären kann und einen Schuldigen zu finden. Es geht eher darum das Beste für sich selbst herauszuholen. Stewart gelingt dies so gut, dass man sich als Zuschauer selbst bereitwillig der Manipulation unterzieht, denn man fiebert mit dem Angeklagten mit, der gar nicht so unschuldig sein muss, wie dies so glaubwürdig dargestellt wird. Der Film gehört zum Olymp der Gerichtsfilme. Der großartige Soundtrack machte Duke Ellington.



Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.

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