Regie: Robert Siodmak
Das gekaufte Kind....
Mitte der 50er Jahre verließ Robert Siodmak seine Wahlheimat USA und ließ sich in Ascona am schweizer Ufer des Lago Maggiore nieder. Sein letzter US-Film war der komödiantische Piratenfilm "Der rote Korsar". Ab dieser Zeit drehte er auch wieder in Deutschland. "Die Ratten" aus dem Jahr 1955 war war eine freie Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Gerhard Hauptmann. Der Film wurde auf der Berlinale 1955 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Noch besser bei der Kritik kam sein Serienkillerfilm "Nachts, wenn der Teufel kam" an, der mehrere deutsche Filmpreise und sogar eine Oscarnominierung als bester ausländischer Film erhielt. In einem späteren Interview gab Siodmak an, dass er nach seiner ruhmreichen Zeit in Hollywood nur noch auf zwei Filme stolz war. Er meinte die beiden erwähnten Filme, obwohl einige weitere spätere Filme wie "Der Schulfreund" oder "Der Schut" Kassenhits waren.
"Die Ratten" basiert auf auf dem Drama in fünf Akten von Gerhard Hauptmann. Uraufführung war 1911 in Berlin und das Stück spielte in der Hauptstadt am Ende des 19. Jahrhundert. Ort der Handlung war eine ehemalige Kaserne (Alexanderstraße 10/Ecke Voltairestraße) - dieser Ort wurde um 1880 von ca. 60 Familien bewohnt und vom Volk wurde diese Siedlung verächtlich "Wanzenburg" genannt. Siodmak wählte aber das Berlin der 50er Jahre für seinen Film. Die junge Polin Pauline Karka (Maria Schell) läuft in der kalten Silvesternacht an der S-Bahn entlang zur Grenze des britischen Sektors. Dort fällt sie den Grenzbeamten auf, da sie einen verwirrten Eindruck macht und vermutlich auch betrunken ist. An ihrem Mantel klebt Blut und aus diesem Mantel holt sie eine Stoffpuppe hervor und behauptet, dass dies ihr Kind sei. Im Polizeirevier werden der Möbelspediteur Karl Johns (Gustav Knuth) und eine Frau Anna (Heidemarie Hatheyer) gerufen, wo die Frau bis vor kurzem noch wohnte. Besonders Frau John wirkt abweisend als man sie auf Pauline anspricht, doch als sie ihre Bekannte zu Gesicht bekommt, meint sie "jetzt ist sie tatsächlich wahnsinnig geworden" und erzählt als Rückblick eine fast unglaubliche Geschichte. So wird der Zuschauer Zeuge, wie die von ihrem Liebhaber verlassene Polin schwanger und mittellos ist. Die junge Frau weiß nicht wie es weitergeht. Da macht ihr Frau John in einer längeren Abwesenheit ihres Mannes einen folgenreichen Vorschlag. Frau John erzählt, dass sie schwanger war, doch sie hat selbst vor ein paar Tagen ihr Kind verloren. Sie würde sich um Pauline bis zur Geburt kümmern und deren Kind dann als ihr eigenes ausgeben. Ihrem Mann würde sie das Baby dann als das eigene ausgeben. Dieser Deal sind ihr die gesamten Ersparnisse wert und in ihrer Verzweiflung geht die angehende Mutter auf diesen Vorschlag ein. Alles bleibt geheim - nur die beiden Frauen und Frau Johns Bruder Bruno Mechelke (Curd Jürgens) wissen davon Bescheid. Alles scheint gut zu gehen. Selbst Herr John fällt auf den Schwindel mit dem Kind herein. Doch dann kommen Pauline Gewissensbisse und sie bereut bald ihr Kind weggegeben zu haben...
Dieser heimliche Deal bekommt in "Die Ratten" eine totbringende Dynamik, denn durch die Ambivalenz der echten Mutter kommt die Wahlmutter immer mehr unter Druck, bis sie sich sogar dazu entschließt ihren Bruder dazu anzustiften Pauline aus dem Weg zu räumen. In Siodmaks Film hat das Geständnis von Frau John einen leicht versöhnlichen Touch, im Drama von Hauptmann ist die Aussage viel düsterer. Denn die Frau, die unter allen Umständen das Kind behalten wollte und ihm eine liebende Mutter sein wollte, suizidiert sich am Ende, worauf das Fazit der Umgebung in ungefähr so wiedergegeben wird "Erst jetzt hat das Kind seine Mutter verloren“ oder "det jeht jetzt ooch zujrunde",wie so viele andere seines Milieus - die soziale Aussage fehlt bei Siodmak. Aber durch die durchgehend guten Darstellerleistungen - Maria Schell spielt eine junge, labile und sehr schwache Frau, die Hatheyer dagegen kämpft für ihr "Junges" viel mehr wie eine Löwin, schreckt aber an einem Punkt des Konflikts vor nichts mehr zurück - sorgen dafür, dass "Die Ratten" ein wichtiger deutscher Film der 50er Jahre wurde. Tatsächlich hat Heidemarie Hatheyer, die einstige "Geierwally" die beste Rolle abbekommen. Curd Jürgens passt auch perfekt in die Rolle als skrupelloser Mann, der wie seine Schwester zu allem fähig ist, auch als Handlager des Todes. Ein drittes Baby in der Geschichte soll auch nicht unerwähnt bleiben, es wird gestohlen.
Kameramann Göran Strindberg aus Schweden bekam für seine düsteren Bilder das Filmband in Gold.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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