Regie: Fritz Lang
Die Gesänge von Hass und Rache...
Fritz Langs Film "Die Nibelungen" entstand in den Jahren 1923 und 1924. Der Film gilt als eine der aufwendigsten Monumentalverfilmungen der Weimarer Dekade und besticht vor allem durch seine stilistische Geschlossenheit, durch sehr innovative Tricktechniken und effektivster Lichtgebung. Der opulente Film besteht aus den beiden Teilen "Siegfried" (144 Minuten) und "Krimhilds Rache" (125 Minuten). Das Drehbuch wurde von Langs damaliger Ehefrau Thea von Harbou verfasst, die neben Leni Riefenstahl sicherlich die bedeutendste Filmemacherin des frühen deutschen Films war. Harbou wählte bewusst die nordische Sage gegenüber der populären Wagneroper. Obwohl die Macher mit "Die Nibelungen" ein erfolgreiches Export- und Prestigeobjekt "deutscher Kultur" im Sinne hatten, tat ihnen Lang nicht den Gefallen ein offensichtlich nationalistisches Heldendenkmal zu schaffen, sondern sein Film ist ein durchweg düsteres Fresko mit einem sich schicksalhaft vollziehenden Untergang und Verfall. Nicht Liebe und Treue sind die Triebfedern der Figuren, sondern sie werden von Hass und Rache getrieben. In den europäischen Metropolen lief der erste Teil wochenlang vor ausverkauften Häusern, die Kritiken waren geradezu euphorisch. Der zweite Teil hatte es da etwas schwerer. Er ist auch stärker von einer destruktiven Energie getragen. Beide Teile sind in jeweils sieben Gesänge unterteilt. Im ersten Teil, der etwas märchenhafter ist hat der blonde und starke Recke Siegfried (Paul Richter) das Schmiedehandwerk erlernt und wird von seinem Meister Mime (Georg John) auf die Reise des Lebens geschickt, da der Schüler den Lehrer überflügelt hat und dieser ihm nun nichts mehr lernen kann. Siegfried hört von einem Knecht, der die Schönheit von Kriemhild (Margarete Schön), Schwester des Burgunderkönigs Gunther (Theodor Loos) beschreibt. Er entschließt sich spontan nach Worms zu ziehen und die schönen Frau für sich zu gewinnen. Sein Meister Mime lockt ihn aber absichtlich in die Richtung, wo ein riesiger Lindwurm sein Unwesen treibt. Unterwegs erschlägt er diesen gefährlichen, großen Drachen an einem Fluß und badet anschließend in seinem Blut, woraufhin er unverwundbar wird. Nur eine Stelle an seinem Rücken bleibt ungeschützt, da es von einem Lindenblatt bedeckt wird. Es folgt Siegfrieds Begegnung mit dem heimtückischen Zwergenkönig Alberich (ebenfalls Georg John), der ihn zunächst mit seiner Tarnkappe auf dem Kopf angreift. Doch Siegfried kann ihn besiegen. Als Preis für Alberichs Leben bekommt der Drachentöter von ihm die Tarnkappe und den Nibelungenhort sowie das unbesiegbare Schwert Balmung geschenkt. Nun versucht der Zwergenkönig ein zweites Mal, Siegfried zu überlisten. Der blonde Held tötet Alberich, woraufhin alle übrigen Zwerge versteinern. In Worms wird er von den König Gunther, seinen Brüdern Gernot (Hans Karl Müller) und Giselher (Erwin Biswanger) freundlich aufgenommen, obwohl Hagen von Tronje ((Hans Adalbert Schlettow), der dunkle Ritter und rechte Hand des Königs eher die Empfehlung gab, den Besucher gar nicht zu empfangen. Das Herz von Kriemhild erobert er im Sturm, aber um sie heiraten zu können, muss Siegfried Gunter zuerst noch bei dessen Vorhaben helfen, die starke und unnahbare Brunhild (Hanna Ralph), Königin von Island zu gewinnen. Diese gitl als unbesiegbar und es kann nur der ihr Gemahl werden, der sie in den drei Disziplinen Steinwerfen, im Weitsprung und im Speerwerfen besiegen kann. Dem Verlierer winkt der Tod. Bisher war noch keiner siegreich und auch Gunther wäre verloren, wenn da nicht Siegfried wäre, der unsichtbar unter der Tarnkappe den Sieg für Gunther davonträgt. Brunhilde kann ihre Niederlage nicht fassen. Es folgt die Blutbrüderschaft von Siegfried und Gunther, die Doppelhochzeit in Worms und ein weiteres Eingreifen von Siegfried in Tarnkappe, da er Brunhild in der Hochzeitsnacht für seinen Freund Gunther bändigen muss. Bald bahnt sich aber Verrat an, den das Geheimnis wird gelüftet. Siegfried stirbt durch eine List und durch Hagens Speer tödlich getroffen. Kriemhild löst sich von ihren Brüdern und schwört den Mördern ihres Mannes bitterliche Rache. Doch erst nach Jahren des Wartens - und als Ehefrau des Hunnenkönigs Etzel (Rudolf Klein-Rogge) ist es ihr möglich die Täter zur Rechenschaft zu ziehen...
Mit den “Nibelungen” komponierte auch der vielseitig begabte Gottfried Huppertz seine erste Filmmusik. Mit fünf Stunden Musik für sinfonisches Orchester hatte er eine große Herausforderung zu meistern. Zunächst hatte er gezögert, den Auftrag anzunehmen. Er fürchtete, dass seine Musik nie unabhängig von Richard Wagner wahrgenommen würde. Huppertz gelang aber ein wuchtiger Sound, der die Geschichte suggestiv vergrößert. Mit über vier Jahren war die Arbeit an den “Nibelungen” das bislang umfangreichste Restaurierungsprojekt der Murnau-Stiftung. Dafür wurden von Montevideo bis Moskau Filmmaterialien zusammengetragen. Erst mit dieser Restaurierung wurde es möglich, das Meisterwerk in Licht und Schatten in einer fotografischen Qualität zu zeigen, die die ästhetischen und visuellen Leistungen des Films wieder nahe bringt. Die in schwarz-weiß hergestellten Kopien wurden in einem Farbbad gefärbt, wodurch alle transparenten Teile farbig erscheinen. Die erhaltenen Verleihkopien sind in einem orangen Farbton gefärbt. Nur Kriemhilds Falkentraum, eine Animation, für die Walther Ruttmann beauftragt wurde, ist die Färbung heller und anders. Der in Scherenschnitt-Technik inszenierte Traum ist eine ästhetische Besonderheit des Films. Anhand von zwei schwarzen Adlern, die einen weißen Falken attackieren, wird Kriemhilds Vision von Siegfrieds Tod dargestellt.
Der Film ist ein großes Epos, das zu Zeiten des Dritten Reiches von den Nazionalsozialisten für deren Zwecke vereinahmt wurde. Geblieben ist ein Film, der wohl in der stärksten Phase des deutschen Films entstanden ist und der nur wenige Jahre vor seinem 100. Geburtstag so gut wie nie zuvor aussah. Lang gelang es durch diese riesigen Bauten, die die Leinwand beherrschen, die Menschen seiner Geschichte - obwohl alle überlebensgroß mit Legendenbildung - als Verlorene darzustellen, die einem unerbittlichen Schicksal ausgeliefert sind, von einer Macht angeordnet, die viel größer ist als der Mensch. Die beiden Teile unterscheiden sich vom Stil her sogar erheblich voneinander. Während der erste statisch und monumental erscheint mit vielen schönen Bildern, ist Teil 2 um ein vielfaches chaotischer, aber auch dynamischer. 1966 wagte Artur Brauner ein Remake des Stoffes, das von Harald Reinl verfilmt wurde. Auch diese volsnahe Version - beinahe schon in enger Verwandtschaft mit den Karl May Filmerfolgen der 60er und mit Hammerwerfer Uwe Beyer in der Hauptrolle des Siegfrieds wurde im Kino ein großer Erfolg. Er kann sich aber qualitativ mit dem großen Fritz Lang Meisterwerk nicht messen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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