Mittwoch, 1. Juli 2015

Mädchen in Uniform




Regie: Leontine Sagan

Schwärmerische Gefühle...

Leontine Sagan wurde als Leontine Schlesinger 1889 in Budapest geboren. Die österreichisch-ungarische Filmemacherin und Bühnenregisseurin war jüdischer Abstammung und verließ daher nach ihrem 1931er Welterfolg "Mädchen in Uniform" Deutschland und arbeitete in London für Alexander Korda Produktiongsgesellschaft. Es entstand der Film "Men of Tommorrow" - anschließend kehrte die Künsterlin zur Bühnenarbeit zurück und wanderte im Jahr 1948 nach Südafrika aus. 1974 verstarb Leontine Sagan, die in die Filmgeschichte als eine der ersten Regisseure, die ein lesbisches Thema behandelte.
Wobei die Geschichte natürlich etwas versteckt bleibt und die Erzieherinnen rein oberflächlich betrachtet doch etwas machtlos erscheinen angesichts dieser vielen für sie schwärmerischen Mädchen.
Dennoch wurde "Mädchen in Uniform" von der Filmprüfstelle am 1. Oktober 1931 mit einem Jugendverbot belegt. Im Ausland lief der Film sehr gut. Bis Anfang 1934 spielte er 6 Millionen Reichsmark ein - demgegenüber stand das relativ geringe Budget von 55.000 Reichsmark. Ein echter Frauenfilm: Unter weiblicher Regie spielen nur Frauen mit. Und das Drehbuch wurde von Christa Winsloe verfasst. Der einzige Mann, den man in der Geschichte sehen kann, ist der Filmschauspieler Hans Albers, dessen Poser eines der Mädchen, die aufmüpfige Ilse von Westhagen (Ellen Schwanneke) aufgehängt hat. 
Ganz klar begreift sich "Mädchen in Uniform" als Plädoyer für Menschlichkeit und auch für die vielen Facetten der Liebe. Dies wird von der modernen Erzieherin Fräulein von Bernburg (Dorothea Wieck) auch einmal vor der strengen Obein (Emilia Unda) ausgeprochen, die die preußischen Tugenden hochhält: Zucht und Ordnung. Eiserne Disziplin und Strammstehen vor der Obrigkeit. So hat die strenge Erziehungsanstalt auch etwas von einer Kaserne. Selbstzucht und Disziplin sind dort zu unmenschlichem Drill pervertiert wurden. In einer Passage des Films wird bitter erwähnt, dass genau diese Eigenschaften nötig sind für das Heimatland.
In vielen Filmen der Weimarer Republik lassen sich die zukünftigen Strömungen schon erahnen und eine gespenstische Aura scheint in der Luft zu liegen. So auch hier beim Treiben im Mädchenstift für verarmte höhere Töchter in Potsdam. In der Küche wird gespart, die Kinder haben oft Hunger.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Sagans Film dann auch verboten und nur zur Vorführung im Ausland zugelassen. Wahrscheinlich ging es gar nicht mal so sehr um die subtile Verarbeitung des lesbischen Themas, schwer wog die Darstellung der preußischen Unbarmherzigkeit und die damit verbundene starke Kritik an Autorität, Obrigkeit und eiserner Disziplin.
Nach dem Tod ihrer Mutter wächst die junge Manuela von Meinhardis (Hertha Thiele) zunächst bei ihrer Tante Exzellenz von Ehrenhardt (Gertrud de Lalsky) auf. Doch die bringt die Tochter eines Offiziers nun in einer Erziehungsanstalt unter, die nach außen einen guten Ruf hat.
Kein Wunder, denn kritische Briefe der Zöglinge nach draußen werden einer strengen Kontrolle unterzogen und von der Oberin gelesen. Negative Passagen über die Anstalt sind nicht erlaubt und führen zu harten Strafen. Die jungen Mädchen sind im schwärmerischen Alter und so ist es nicht ganz verwunderlich, daß besonders die hübsche Erzieherin Fräulein von Bernburg von den pubertierenden Teens schwärmerisch verehrt wird. Bei Manuela könnte vielleicht auch noch die fehlende Mutter eine Rolle spielen, jedenfalls fühlt sich die 14jährige sehr stark zu ihrer Lehrerin hingezogen und wartet auf jede Gelegenheit bei ihrem Schwarm zu sein. Im Unterricht versagt sie gerade bei ihrer Angebeteten, es ist die Aufregung. Sie wartet schon sehnsüchtig auf den Gute Nacht Kuß vor dem Schlafengehen, der allen Mädels zuteil wird. Fräulein von Bernburg ist die modernste Erzieherin, sie setzt bei ihren Methoden auf die "Liebe" - während andere Erzieherin von diesen neuen Strömungen sichtlich irritiert sind. So werden zwar deren Erfolge bei den Teeangers durchaus gewürdigt, aber immer wieder wird sie von ihren Kolleginnen wie Fräulein von Kesten (Hedwig Schlichter) kritisch beäugt. Als Fräulein von Bernburg Manuela einen Ersatz für ihre zerschlissenen Sachen eines ihrer eigenen Unterhemden schenkt, führt dies zu einer Verstärkung der Gefühle. Als Manuela dieser Verehrung bei einer Schulfeier allzu offen Ausdruck gibt, da sie auch etwas getrunken hat., kommt es sofort zu Mißdeutungen und natürlich zum ulltimativen Skandal. Das verdorbene Kind wird auf Geheiß der reaktionären Oberin von den anderen isoliert und eingesperrt....



 "Mädchen in Uniform" wirkt vielleicht heute etwas harmloser als zu seiner Entstehung. In der damaligen Zeit muss so ein Stoff aber regelrecht mutig gewesen sein, selbst wenn er sich versteckt darbietet. Aber die unterschiedlichsten Interpretierungsmöglichkeiten waren gegeben. Was empfindet Fräulein von Bernburg tatsächlich ? Ist es nur Fürsorge ? Und ist Manuelas Schwärmerei nur eine vorübergehende Phase, die vergeht ? Eine Phase irritierender jugendlicher Gefühle ?
Darüberhinaus wirkt die Milieu- und Charakterschilderung doch unvermndert stark. Alle Schauspielerinnen sind sehr gut in ihren Rollen. Stark auch das Ende, bei dem die junge Erzieherin die Sicherheit ihrer Position verlassen muss. Ein Risiko, dass sie allerdings ihrem Gewissen schuldig ist und durch das Eingreifen doch noch in letzter Sekunde die Katastrophe verhindert, die eine Schuld bis zum Lebensende zur Folge gehabt hätte. Leontine Sagan hat diesen einen Moment des Schwankens sehr kraftvoll eingefangen und so wurde der Film ein großartiger Klassiker des deutschen 30er Jahre Kinos.


Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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