Regie: Vittorio de Sica
Unbarmherziger Jugendknast...
1957 wurde offiziell die Oscar-kategorie "Beste ausländischer Film"
eingeführt. Wie in den anderen Kategorien gab es 5 Nominierungen und es
gewann Federico Fellinis "La Strada". In den Jahren 1948 bis 1956
wurde der beste Auslandsfilm intern ausgewählt. Im ersten Jahr ging
dieser Spezialpreis an Vittorio de Sicas "Schuhputzer", den er 1946
drehte. Zwei Jahre später gewann er mit seinem bekanntesten Film
"Fahrraddiebe" ebenfalls diesen begehrten Preis.
Ab 1943 arbeitete de Sica vor allem mit Drehbuchautor Cesare
Zavattini zusammen. Zavattini schrieb nicht nur die Bücher für diese
beiden Oscarfilme, sondern auch für weitere Meisterwerke wie "Das Wunder
von Mailand", "Umberto D." oder Der Garten der Finzi Contini".
Leider sind einige der großen Filme eines der besten Vertreter des
Neorealismus in Deutschland nicht als DVD erhältlich. Interessanterweise
kann man aber über amazon.fr "Sciuscia" (so der Originaltitel von
"Schuhputzer") eine deutschsprachige DVD finden. Für Fans solcher Filme -
und ich bin einer von ihnen - ein großartiger Fund.
"Fahrraddiebe" ist natürlich einer meiner ganz großen
Lieblingsfilme, aber "Schuhputzer" ist ebenfalls ein Meisterwerk und
steht für mich auf einer Stufe mit seinem grandiosen Märchen "Das Wunder
von Mailand".
Dabei ist der Film äusserst düster und zeigt die Armut Italiens
kurz nach dem 2. Weltkrieg anhand der beiden Jungs Pascquale Maggi
(Franko Interlenghi) und Giuseppe Filibucci (Rinaldo Smordoni), die in
Rom als Schuhputzer ein bisschen Geld verdienen. Pascale hat seine
Eltern im Krieg verloren und der kleine Giuseppe muss aber mit diesem
kargen Lohn auch noch seine arme Mutter (Irene Smordoni) versorgen.
Jeder Tag ist ein neuer Überlebenskampf. Die beiden Jungs halten aber
fest zusammen, sie sind beste Freunde und unzertrennlich. Beide träumen
davon, eines Tages das weiße Pferd Bersagliere kaufen zu können. Wenn
etwas vom Schuhputzergeld übrig bleibt, dann mieten die beiden das
schöne Pferd und reiten es. In Rom herrscht hohe Kriminalität durch
Diebstahl und Schwarzmarkt. Giuseppes älterer Bruder Attilo ist ohne
Arbeit, wie viele andere - daher hat auch er einen kriminellen Werdegang
eingechlagen. Gemeinsam mit dem Hehler Panza (Gino Saltamerenda) soll
Diebesgut verkauft werden. Bei einer Wahrsagerin verdienen sie mit
gestohlenen Decken tatsächlich etwas Geld und für einen Tag winkt das
Glück. Mit dem Geld kaufen sie das Pferd. Doch die Polizei schlägt zu
und verhaftet die zwei Jungen, weil sie natürlich verdächtigt werden bei
Raubzügen mitzumachen. Sie landen in einem Jugendknast. Dort halten die
beiden aber dicht und sagen nicht gegen Bruder und Hehler aus. Erst als
Pasquale glaubt, dass sein kleinerer Freund geschlagen wird (ein Trick
des konservativen Gefängnisdirektors) gibt er alles zu, was auch zu
einer Verurteilung der Drahtzieher führt. Giuseppe erfährt vom Verrat
und will von seinem ehemals besten Freund nun nichts mehr wissen.
Manipuliert von seinem Zellengenossen Arcangeli (Bruno Ortenzi) will er
sich sogar rächen. Es kommt zum Kampf im Knast. Bei einer Filmvorführung
wollen einige der jungen Strafgefangenen ausbrechen..
Der düsterste Teil des Films wird eröffnet, wenn sich auch für den
Zuschauer die Tor zum Knast öffnen. Statt Reszonialiserung wird mit
Strafen und harten Drill gearbeitet, obwohl viele der Insassen noch
richtige Kinder sind. Die gezeigte Haftanstalt ist in drei Ebenen
unterteilt. In jedem Stock befinden sich Reihen von Zellen mit jeweils 5
Jungen. Kontakte sind verboten. Eines der Kinder verliert bei dem
Ausbruch, der auch einen Brand und Panik zur Folge hat, sein Leben. Am
Ende steht die Flucht des Einen und der Verrat des Anderen. Aber auch
der zweite Verrat von Pasquale geschieht nur deshalb, weil er seinen
Freund schützen will. Der letzte Kampf der beiden endet tragisch. Das
Pferd trabt alleine davon, Giuseppe stirbt im Kampf und Pasquale wird
von der Polizei abgeführt. Lange Jahre im Knast werden die Folge sein,
in jungen Jahren hat sich das Schicksal für den jungen Deliquenten
bereits vollzogen. Der Film über diese Straßenjungs, die amerikanischen
GIs im Nachkriegsitalien auf der Straße die Schuhe putzen, ist einer der
wichtigsten Vertreter des Neorealismus und wie viele Filme dieser
Sparte ein Zeitdokument mit dokumentarischem Touch.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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