Freitag, 6. April 2018

Paris gehört uns

























Regie: Jacques Rivette

Verschwörung und Entwurzelung...

Gedreht wurde "Paris gehört uns" schon im Jahr 1958, doch erst drei Jahre später kam der Erstling von "Nouvelle Vague" Regisseur Jacques Rivette in die französischen Kinos. Der Film entpuppte sich als kommerzieller Reinfall - möglicherweise hing dies mit dem Bild der französischen Hauptstadt zusammen, wie der Regisseur es zeichnet: Trostlos und bedrückend als eine anonyme Metropole der Einsamkeit, die "niemandem gehört" wie der Dichter Charlees Peguy am Anfang zitiert wird. Es ist ein Ort der Entwurzelten und optisch ein dunkles Niemandsland. Rivette, der am 1. März 1928 in Rouen geboren wurde, kam über die Literatur zum Film - dies merkt man seinem Debüt auch an, die Theaterwelt spielt eine wichtige Rolle. So studieren die Protagonisten des Films Shakespeares "Perikles" ein, sozusagen als Ausgleich eines Lebens in gewisser Lethargie und lähmender Spannung.
Die Hauptfigur ist die junge, noch naive Studentin Anne (Betty Schneider), die neu in der Stadt ist und zum Glück ein kleines Zimmer gefunden hat. Ihr Bruder Pierre (Francois Maistre) hat Beziehungen und führt die junge Frau auch in seine Clique von gelangweilten Intellektuellen ein. Die meisten der jungen Leute leben im Exil oder sind Immigranten und wirken entfremdet - man hat nicht das Gefühl, dass sie überhaupt irgendwo dazugehören. Eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft, die darüber schockiert ist, dass der Musiker Juan aus Spanien tot ist.  Der Exilanarchist hat die Musik zum Shakespeare Stück geschrieben, dass Gerard (Gianni Esposito) inszenieren will. Der Amerikaner Philipp (Daniel Grochem) glaubt jedenfalls felsenfest daran, dass e Mord war und Juan das Opfer einer weltumspannenden faschistischen Verschwörung wurde. Andere in der Gruppe deuten den Suizid anders. Ein Maler glaubt, dass Nihilismus und Verbitterung Juan in den Tod getrieben hat. Jedenfalls ist Anne von der neuen Clique manchmal gelangweilt, aber irgendwo doch fasziniert - zumal Gerard sie für sein Stück spontan verpflichtet und ein gewisses Interesse an ihr zeigt. Sie hat auch Gefallend daran der Verschwörungstheorie des Amerikaners nachzugehen, so wird Anne ganz langsam auch Ermittlerin in der wüsten Verschwörung. Diese hat auch eine gewisse mystische Komponente, denn in der ersten Szene in ihrem kleinen Zimmer hört Anne im Nebenraum Geräusche. Sie findet dort eine Spanierin, die sagt, dass ihr Bruder Juan gerade von dunklen Mächten getötet wurde.
Es wird auch orakelt, dass Gerard ebenfalls bald sterben wird. Sehr geheimnisvoll ist die Femme Fatale Terry (Francoise Prevost), die mit jedem der Männer schon ein Verhältnis hatte und die vermutlich mehr weiß als sie sagt. Gerard glaubt jedenfalls, dass Terry das Tonband mit Juans Bühnenmusik hat verschwinden lassen. Anne will Gerard retten, denn inzwischen hat sie sich auch in ihm verliebt. Sie hat das Gefühl, dass auch ihr Bruder mit dieser Sache zu tun hat, so hat sie nur den Schauspieler Jean-Marc (Jean Claude Brialy), der ihr helfen könnte Licht ins Dunkel zu bringen...



Auch wenn gegen Ende die Ereignisse dramatisch werden, ist es doch sichtbar, dass alle geheimnisvollen Ereignisse Folgen von banalen privaten Intrigen sein könnten. Oder doch nicht ? Jedenfalls hat es Rivette geschafft die Realtiät irgendwie ins Zwielicht zu rücken. Der Zuschauer ist ratlos wie Anne und ist gespannt was hinter allem steckt. Interessanterweise hat der Regisseur durch die Einflechtung eines ominösen Diktatorensyndikat, dass die Weltherrschaft anstrebt und alle freiheitlichen Elemente in ein Konzentrationslager stecken will, sehr viel Zeitgeist in seinem Film aus den Endfünfzigern wie etwa das Trauma Faschismus oder auch die spürbare Paranoia einer Endzeit, bedingt durch Wettrüsten und Atombomben. Daneben der hilflose Mensch, der sich irgendwie treiben lässt. Das Gesicht des Films ist die pausbäckige Betty Schneider, die zwischen Verspieltheit und Geheimnis der Handlung, eine Art Anker für den Zuschauer bedeutet.




Bewertung: 10 von 10 Punkten. 
 

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