Regie: Akira Kurosawa
Die gestohlene Dienstwaffe...
Akira Kurosawas "Ein streunender Hund" ist der erste von insgesamt
drei Film Noir des japanischen Meisterregisseurs. Der Film entstand nur
wenige Monate vor seinem großen internationalen Welterfolg und
Durchbruch mit "Rashomon". Ausgezeichnet funktioniert dieser
existenzialistische Krimi durch die Fülle an realistischen und kleinen,
beinahe unbedeutenden Beobachtungen des Großstadtlebens in Tokio. Es ist
Hochsommer, es herrscht eine unbeschreibliche Hitze und umgeben von den
Ruinen der zerbombten Metropolen zeigt Kurosawa dem Kampf der Menschen
ums Überleben und ihren Wunsch die Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Genau die der Dieb eines Colts ist auch der junge Polizeiinspektor
Detective Murakami (Toshiro Mifune) noch von dem Krieg und den dortigen
grausamen Erlebnissen geprägt. Er ist jung und unerfahren und so
passiert ihm das Missgeschick, dass er in einem überfüllten Bus
bestohlen wird. Plötzlich ist die geladene Dienstwaffe weg, sie wurde
ohne große Probleme aus seiner Jackentasche entwendet. Das könnte
schlimme Konsequenzen haben - doch er hat noch mal Glück im Unglück.
Polizeiinspektor Nakajima (Gen 'Shimizu) kündigt ihm nicht, aber er
bekommt drei Monate lang nur den halben Lohn. Gemeinsam mit dem älteren
Kollegen Sato (Takashi Shimura) vom Diebstahldezernat soll er sich auf
die Suche machen, den Dieb und die Waffe zu finden. Murakami ist aber
auch beladen mit Schuldgefühlen. Was wäre wenn mit der entwendeten Waffe
jemand zu Schaden käme ? Vielleicht sogar das Leben verlieren
würde....sein Kollege Sato versucht ihm etwas mehr Gelassenheit zu
vermitteln, denn schließlich ist es nicht die Waffe, die tötet, sondern
der Gangster, der damit abdrückt. Tatsächlich ist der jetzige
Waffenbesitzer Yusa (Isao Kimura) einer dieser traumatisierten
Kriegsheimkehrer, die nie wieder zurück in den Alltag fanden und seitdem
ihre Existenz mit krimineller Energie aufrechterhalten. Der Colt, den
er bei sich hat, zieht eine Blutspur nach sich. Gemeinsam mit dem
Kollegen, teilweise auch alleine als Herumtreiber verkleidet,
durchstreift der junge Polizist die Stadt und damit auch den japanischen
Nachkriegsalltag. Er sammelt dabei Erfahrungen und lernt andere
Menschen und andere Schicksale kennen. Die junge Harumi Namiki (Keiko
Awaji) wird dabei zur Schlüsselfigur in der fieberhaften Suche nach dem
potentiellen Killer...
Kurosawa erweist sich als präziser Beobachter des Lebens nach dem
Krieg. Er zeigt auch, dass "The american Way of Life" so kurz nach
Kriegsende bereits in Japan Fuß gefasst hat - die Bevölkerung sind
verrückt nach Baseball und nach Revuen ala Hollywood. Aber auch die
japanische Tradition wird diesem neuen Weg dazugestellt, teilweise durch
die Figuren der Geschichte. Beispielsweise die Mutter der jungen
Harumi, die von Eiko Miyosi gespielt wird. Die ist gar nicht erfreut
über den moralisch fragwürdigen Lebenswandel ihrer Tochter. Auch die
Polizei geht nicht zimperlich mit einem Zeugen um, der nicht mehr ins
traditionelle bild passt, weil er a) Frauenheld und b) eine unanständige
Frisur hat. Wer Kurosawa nur durch die genialen Samurai Filme kennt,
der sollte einen Blick in "Stray Dog" wagen. Denn auch auf dem Gebiet
des düsteren Großstadtportraits mit Thrillerelementen ist ihm ein echtes
Meisterwerk gelungen. Der Film begeistert durch die fieberhafte
Atmosphäre, die ihn durchgehend begleitet und Kurosawa selbst gab an,
dass er von dem Krimi Autor Georges Simenon inspiriert wurde. Trotz
seines hohen Anspruchs und seiner düsteren Stimmung wurde "Stray Dog"
ein ähnlich großer Erfolg wie "Engel der Verlorenen" und seine
Stilmittel - auch die wortlose, achtminütige Sequenz, in der Mifune
seine Waffe sucht - wurden später von vielen Regisseuren imitiert.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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