Sonntag, 24. April 2016

Die Faust im Nacken


Regie: Elia Kazan

Am Hafen von Hoboken...

Es brauchte nur zwei Filme um aus dem Method Acting Darsteller Marlon Brando einer der größten Leinwandstars der 50er Jahre zu machen. Und in beiden Filmen "Endstation Sehnsucht" und "Die Faust im Nacken" führte Elia Kazan Regie, der bereits für "Tabu der Gerechten" im Jahr 1948 den Oscar als bester Regisseur erhielt. Der zweite Treffer gelang ihm 1955 als "Die Faust im Nacken" acht seiner zwölf Oscar-Nominierungen in Siege umwandeln konnte. Einen ging an Elia Kazan, als Schauspieler durfte sich Marlon Brando freuen. Die junge Eva Marie Saint wurde als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet, ausserdem gewann der Film den Hauptpreis als bester Film und siegte in den Kategorien Drehbuch, Szenenbild, Kamera und Schnitt. Wie großartig das gesamte Schauspielensemble war, kann man daran erkennen, dass auch die Nebendarsteller Karl Malden, Lee J. Cobb und Rod Steiger nominiert waren. Auch Leonard Bernstein mit seiner  Filmmusik hatte auf einen Oscar gehofft. Auch die Kinokassen klingelten im Jahr 1954. Der Film war in den Kinojahrescharts der USA auf Platz 4 - hinter "Das Fenster zum Hof", "Die Gladiatoren" und "Die Caine war ihr Schicksal".
Inzwischen ist der Film 60 Jahre alt und er ist bemerkenswert jung geblieben - der Rebell Terry Malloy, den Marlon Brando darstellt, ist auch heute noch glaubwürdig und ein interessanter Typ. Damals war dieser Typ noch neuartig fürs Kino, doch er hat das Kino nachhaltig beeinflusst und heute ist diese rebellische Figur im Kino überhaupt nicht mehr wegzudenken. Marlon Brando war - zusammen mit James Dean - der Vorreiter sozusagen. Hervorragend ist die Atmosphäre der Straße eingefangen, der Film wurde an Originalschauplätzen in Hoboken gedreht. Die Stadt liegt am Hudson River, direkt neben Manhattan.
Die Dockarbeiter sind machtlos gegen eine korrupte Gewerkschaft, die von dem rücksichtslosen Gangster Johnny Friendly (Lee J. Cobb) und dessen Kompagnon, der Rechtsanwalt Charley Malloy (Rod Steiger) geleitet wird. Um überhaupt Arbeit zu bekommen, müssen die Arbeiter aus der sozialen Unterschicht bezahlendes Mitglied dieser Gewerkschaft sein. Arbeiter, die sich gegen dieses System auflehnen werden bestraft. Sie bekommen keine Arbeit mehr - im schlimmsten Fall findet man irgendwann die Leiche. "Es war ein Unfall" heißt es dann. Charley Malloys jüngerer Bruder Terry (Marlon Brando) ist ein gescheiterter Boxer und lebt irgendwie in den Tag hinein. Durch seinen Bruder bekommt er immer wieder kleinere Jobs und genießt ein paar Privilegien durch die Gewerkschaft, wenn er denen kleine Gefälligkeiten macht. So führt er auch unwissend den jungen Joey Doyle in eine tödliche Falle. Terry, der wenig gebildet ist, macht sich im Hinterher Vorwürfe, fühlt sich aber auch loyal, weil die Gewerkschaftler ja immer gut zu ihm waren und ihm halfen. So schweigt er über sein Wissen und hält dicht. Nach dem Mord lernt er Terrys Schwester Edie (Eva Marie Saint) kennen, die nicht glaubt, dass ihr Bruder einen Unfall hatte. Auch die anderen Bewohner glauben dies nicht - zu oft gabs schon Tote. Immer dann, wenn ein Arbeiter mit den Polizisten kooperieren wollte und gegen Friendlys Gang aussagen wollte. Trotz seiner harten Schale hat Terry auch einen sehr sensiblen Kern. Er züchtet oben auf dem Dach, gemeinsam mit dem jungen Jimmy (Arthur Keegan) Tauben. Durch Edie, in die er sich bald verliebt, gerät er bald in einen Gewissenskonflikt und natürlich auch zwischen die Fronten. Auch Pater Berry (Karl Malden) hat das Ziel gegen die Gewerkschaft vorzugehen, aber ein weiterer Arbeiter, der auspacken will, wird Opfer eines "Unfalls"...


Damals müssen die Filme von Elia Kazan wie eine Explosion gewirkt haben, denn sie haben das US-Kino und deren Figuren und Helden nachhaltig verändert. James Deans erster Film "Jenseits von Eden" ist auch ein Kazan Film. Und ein Jahr vorher war es Marlon Brando, der amerikanischen Alltag und Realität in die Kinos brachte - als Kämpfer gegen korrupte Gewerkschaften. So glich sich Hollywood auch an den Realismus europäischer Filme ein, die Italiener waren ja Vorreiter dieses Stil des kleinen Mannes. Natürlich hat die Hollywood Variante aber im Hauptteil noch eine besonders dramatische Variante parat, denn nach einer Gerichtsaussage ist die Macht des Bosses schon zerbrochen. Aber der Showdown, bei dem Terry von einer Überzahl dieser Mobster zu einem blutigen Klumpen Fleisch zusammengeschlagen wird, liefert die Action, die das Publikum begeistert. Am Boden zerstört und trotzdem wieder aufstehen. Mit diesem Bild wird der Rebell zum Held und zum Vorbild für die Hafenarbeiter, die bisher geschwiegen haben und es zeichnet sich eine bessere Zukunft ab. Der Schluß vielleicht zu pathetisch und sicherlich zu hoffnungsvoll, aber er ändert auch nichts mehr daran, dass "Die Faust im Nacken" eines der großen Filmmeisterwerke der 50er Jahre ist. Zu hervorragend sind die vielen vorangegangenen Szenen, die auch eine starke poetische Kraft inmitten dieser Tristesse sichtbar werden lässt. Etwa die Szenen mit den Tauben auf dem Dach und die Annäherung Terrys an Edie. Das ist alles total klasse inszeniert und packt auch heute noch. Und von dieser Qualität gibt es sehr viele Szenen, wenn ich da an die Autofahrt der beiden Brüder denke - einer der unvergesslichen Höhepunkte in einem bis heute legendären Film.
Gedreht wurde im winterlichen Hoboken in New Jersey mit den vielen häßlichen Hafenhäusern vor scheinbar ewig grauem Himmel.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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