Samstag, 17. Juni 2017
Die Schatten werden länger
Regie: Ladislao Vajda
Das Geheimnis der Erzieherin....
Filmjahr 1961....in Deutschland waren Edgar Wallace Verfilmungen wie "Das Geheimnis der gelben Narzissen", "Die toten Augen von London", "Der Fälscher von London", "Der grüne Bogenschütze" oder "Die seltsame Gräfin" riesige Kassenerfolge. Optisch erinnert auch Ladislao Vajdas kolportagehafter Krimi "Die Schatten werden länger" mit seinem stimmungsvollen Schwarz-weiß Aufnahmen an diese Kino-Dekade.
Der in Budapest geborene Regisseur drehte in Spanien, in Italien und vier Filme realisierte er auch in der Bundesrepublik. Dabei wurde "Es geschah am hellichten Tag" nach Friedrich Dürrenmatt sein größter Erfolg und auch sein bester Film. Unvergessen bleibt Gerd Fröbe als Kindermörder, der von Heinz Rühmann am Ende gefasst wird. "Die Schatten werden länger" setzt auf ähnliche Bilder - in beiden Filmen war Heinrich Gärtner der Kameramann. Weite Teile des Films spielen ebenso in der ländlichen Schweiz und das Drehbuch von Istvan Bekeffy und Heinz Pauck wurde inspriert durch diverse Akten der Zürcher Sittenpolizei. Natürlich muss man sich zuerst einmal die Moral Anfang der 60er Jahre vergegenwärtigen, denn die war viel strenger und nicht so frei wie wir heute leben.
"Die Schatten werden länger" spielt in einem Heim für vernachlässigte und gestrauchelte Mädchen. Es ist eine Zeit mit markanten Moralvorstellungen und Rollenerwartungen. Dieses Heim wird geführt von der gütigen Frau Diethelm (Luise Ullrich), die ihren Zöglingen ein möglichst konservatives Weltbild zu vermitteln hat, so gibt sie Unterweisung in Säuglingspflege, Religion, Poesie oder Handarbeit - alles Werkzeuge für die spätere perfekte Hausfrau und Mutter. Dabei kommen die Mädchen aus ganz unterschiedlichen Gründen in dieses Heim. Ein hat einen Ladendiebstahl begangen, die andere hat für ihren Freund auf dem Strich angeschafft. Die neue Erzieherin Christa Andres (Barbara Rütting) geht ihre Aufgabe sehr engagiert und empathisch an. Doch sie verschweigt den dunklen Punkt in ihrem Leben. Sie selbst kam durch ihren Freund und Zuhälter Max (Hansjörg Felmy) vom rechten Weg ab und verbüßte eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Mit dieser Vergangenheit wäre der Weg in diese soziale Berufssparte verbaut, aber Christa hat einige Jahre ihres Lebens im Lebenslauf ausgelassen und hofft darauf, dass diese Zeiten nicht zur Sprache kommen. Sie gibt an, dass sie krank war. Die Mädchen (Helga Sommerfeld, Heidi Pawellek, Renja Gill oder Erika Wolf) beobachten natürlich die attraktive Erzieherin. Ihr besonderes Sorgenkind ist die Neue...die fast erwachsene Erika (Loni von Friedl), die sie stark an ihre eigene Jugend erinnert. Immer wieder kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Frauen. Eines Tages flüchtet Erika nach Zürich. Christa sucht sie im Rotlichtmilieu und wird auch fündig. Sie befreit das Mädchen aus dem Fängen ihres undurchsichtigen Freundes Fritz Schmoll (Michael Paryla), was Erika überhaupt nicht gefällt. Doch sie wird im Lokal von ihrem früheren Lover beobachtet, der wieder Kontakt mit ihr aufnimmt. Die Vergangenheit hat Christa von einem Tag auf den anderen wieder eingeholt....
Der Film von Ladislao Vajda endet für eine Figur sehr hoffnungslos, es bietet aber einer zweiten Figur einen Neuanfang. Barbara Rütting ist die attraktive und selbstsicher wirkende Frau, die ihre dunkle Vergangenheit nicht auslöschen konnte und sich am Ende nicht für einen normalen Weg entscheiden kann - etwa die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen. Sie entscheidet sich für einen Weg, den sie wohl so gehen muss - am Ende zeigt sie ohne Worte gleichzeitig Entschuldigung, Zuneigung und Abschied für das Mädchen, dass einen ähnlichen Lebensweg einschlagen wollte. Auch Loni von Friedl, die Exfrau von Götz George, liefert eine eindrucksvolle Darstellung. Manche Szenen wirken zwar aus heutiger Sicht etwas übertrieben. Zum Beispiel die entfesselte Zerstörungswut der Mädchen im Garten. Aber andere Szenen sind auch heute noch sehr eindrücklich. Etwa die Hingabe der Erzieherin das Mädchen vor dem gleichen Schicksal zu bewahren. Sie hofft, dass sie das Rüstzeug, das sie aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung mitbring, den Rückfall verhindert. In Ansätzen erinnert "Die Schatten werden länger" an den Klassiker "Mädchen in Uniform", der zweimal verfilmt wurde. 1931 mit Hertha Thiele und Dorothea Wieck und 1958 mit Romy Schneider und Lili Palmer. Allerdings ist das Heim, das von Luise Ullrich geführt wird sicherlich nicht diese restriktive Festung. Es gibt dort keine verschlossene Türe und keine Gitter an den Fenstern. "Die Schatten werden länger" wirkt natürlich aus heutigr Sicht - bedingt durch den Moralkodex der frühen 60er - etwas angestaubt, aber er funktioniert sicherlich auch als ein Dokument seiner Zeit, selbst wenn seine Geschichte wie eine knallige Kolportage wirkt. Aber auch dies war ein Merkmal des deutschen Kinofilms jener Jahre - so erinnert "Die Schatten werden länger" auch an andere Klassiker dieser Zeit wie "Am Tag, als der Regen kam" von Gerd Oswald oder "Die Frühreifen" von Josef von Baky.
Bewertung: 6,5 von 10 Punkten.
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