Regie: Helmut Käutner
Auf dem Lastkahn Liese-Lotte..
"Unter den Brücken" von Helmut Käutner entstand von Mai bis Oktober
1944, in der Schlußphase des zweiten Weltkriegs. Die Dreiecksgeschichte
um zwei Havelschiffer, die sich in die gleiche Frau verlieben, zeigt
völlig unerwartet sommerlich-idyllische Flußlandschaften in der Umgebung
von Berlin. Man könnte meinen in einer Landschaft zu sein, die ganz
weit weg ist von Tod und Zerstörung. Eine bessere Welt, eine neue
Hoffnung ? Jedenfalls muss man Käutners Film sowohl von Inhalt als auch
von der Form zum "Poetischen Realismus" zählen, denn die Nähe zu den
Meisterwerken von Marcel Carne, Jean Renoir oder Rene Clair ist
unbestreitbar - am meisten erinnerte mich "Unter den Brücken" aber an
Jean Vigos "L´atalante", der ebenfalls auf einem Binnenfrachter spielt.
Dennoch
ist "Unter den Brücken" ein großartiges, eigenständiges Werk - denn der
eher lethargisch-melancholische Inhalt der französischen Vorbilder wird
mit Witz und Bodenständigkeit verbunden, ja sogar oft unterbrochen und
schafft so einen eigenständigen deutschen Verwandten.
Lockerheit und Freiheitsgefühl schimmert immer wieder durch.
Schade,
dass das deutsche Kino nach dem Krieg ganz auf Heimatkitsch und
Kriegsverdrängung umgeschaltet hat. Mit großartigen Filmemachern wie
Käutner oder Staudte wäre das Potential dagewesen den deutschen Film
schon viel früher in eine neue Blütezeit zu bringen.
Kurz
nach Beginn der Dreharbeiten startete die Invasion in der Normandie,
kurz vor Drehende hatten die Amerikaner schon Aachen besetzt und die
Rote Armee stand vor Ostpreußen. Die Filmcrew hatte daher
mitVerzögerungen und Ausfällen zu kämpfen und der Film konnte erst im
März 1945 fertiggestellt und von der Zensur freigegeben werden. Die
Kinopremiere fand aber erst 5 Jahre nach dem Krieg statt, seine
Uraufführung erlebte "Unter den Brücken" auf den Filmfestspielen von
Locarno.
Käutner selbst gab an, dass die Geschichte eine
friedliche Demonstration der eigenen Wünsche war. "Wir lebten verträumt
neben der Zeit und lenkten uns durch die Arbeit von all dem Schrecken
ab" - der keine Autostunde weit entfernt entfesselt war.
Für
mich ist dieser wunderschön fotografierte und poetische "Überläufer"
film einer der besten deutschen Filme aller Zeiten. Der Kameramann Igor
Oberberg ist schon in den ersten Filmminuten großartig, wenn er von der
Perspektive des Kahns aus die Menschen auf den zahlreichen Brücken
einfängt. Vor allem die Frauen, die dort oben flanieren, haben das
Interesse der Männer auf dem Kahn. Mit diesen kontrastreichen
Schwarz-Weiß Bildern liegt der Film auf einer Höhe zu seinen
französischen und auch italienischen Vorbildern.
Neben der
markanten Ausleuchtung von Kränen und Hafenanlagen, die die Atmosphäre
der Geschichte maßgeblich bestimmen, sind es vor allem die Gesichter der
Protagonisten denen die Szenen gehören.
Diese drei
Hauptfiguren sind einfach da. Sie weinen mal, dann lachen sie wieder.
Sie schwimmen ne Runde, sie kochen, sie putzen. Alles wirkt sehr
authentisch. Alle drei Darsteller haben den Menschen verinnerlicht, den
sie spielen sollen. Man vergisst den Schauspieler und empfindet die
Typen als echt.
Hendrik Feldkamp (Carl Raddatz) und sein
bester Freund Willy (Gustav Knuth) arbeiten auf ihrem gemeinsamen
Schleppkahn. Sie sind Besitzer des Binnenfrachters und gleichzeitig auch
Mannschaft. Sie fahren auf der Havel und haben hier und dort mal eine
Freundin. Alles nichts festes...Die zwei Freunde reden aber immer wieder
davon . Es fallen Sätze wie "Mädchen oder Kahn?" Die Antwort folgt
schnell: "Kahn, da weisste wenigstens, wo du dran bist". Aber träumen
darf man. Von der großen Liebe und auch von einem eigenen Schiffsmotor.
Denn sie sind von den Schiffen abhängig, die sie von Hafen zu Hafen
schleppen. Eines Abends beobachten sie eine junge Frau (Hannelore
Schroth), die auf der Brücke steht. Und sie wirkt mehr als traurig. Es
könnte sogar sein, dass sie sich offenbar von der Brücke ins Wasser
stürzen will. Doch ins Wasser fällt nur ein Zehnmarkschein. Dennoch ist
ab sofort das Interesse an dem Mädchen geweckt und sie sprechen die
geheimnisvolle Unbekannte an, die bereits wieder die Brücke verlassen
hat. Erst wehrt sie sich gegen die Annäherung der beiden fremden Männer,
aber dann steht sie plötzlich vor dem Schleppkahn und will von Hendrik
und Willy als "Passagier" nach Berlin, wo sie eine Wohnung hat,
mitgenommen werden. Beide Freunde verlieben sich in den weiblichen
Gast...
und schippern mit einer unendlichen Leichtigkeit und
einer schönen Prise Poesie bis zum Happy-End. Alles ist so
selbstverständlich, wie wenn es vorbestimmt wäre. Und entdeckt wird die
wahre Liebe, aber genauso die treue Freundschaft der beiden Männer. Es
muss nicht immer zwangsläufig den Verlierer geben, wenn zwei Männer um
eine Frau werben. Der vermeintliche Verlierer kann auch wieder etwas
gewinnen.
Eingebettet in Bilder von beinahe unwirklicher
Schönheit. Alles strahlt eine Melancholie aus, als wollten die Macher
mit der Kamera festhalten, was in der Realität schon zerstört war, aber
wert genug ist, es auch wieder auferstehen zu lassen.
Helmut
Käutner hat in der Zeit des zweiten Weltkriegs einige große deutsche
Filme gemacht: 1940 den leider etwas unterbewerteten Heinz Rühmann
Klassiker "Kleider machen Leute", den leider etwas in Vergessenheit
geratenen "Romanze in Moll" aus dem Jahr 1943 und den populären Hamburg
Klassiker "Große Freiheit Nr. 7" mit Hans Albers für den er mit dem
damaligen Reichspropagandaminister Goebbels in Streit geriet. Sein
bester Film ist aber dieses Hochschauen "Unter den Brücken".
Darüberhinaus spiegeln solche Klassiker auch in perfekter Weise die
damalige Zeit wider. Diese heile Welt auf dem Kahn und damit die
komplette Ausblendung der Kriegsrealität sorgt für einen interessanten
Effekt im Hier und Heute: Man fühlt sich ständig daran erinnert.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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