Montag, 20. April 2015

Menschen am Sonntag

























Regie: Edgar G. Ulmer / Robert Siodmak

Wochenende in Berlin...

Der Stummfilm "Menschen am Sonntag" wurde im Februar 1930 in Berlin aufgeführt. Die damals gezeigte Filmfassung war 2014 m lang, leider sind einige Teile des Films verschollen. Eine existierende Filmversion aus dem Nederlands Filmmuseum wurde mit erhaltenden Sequenzen aus ser Cinematheque Suisse, der Cinematheque Royale de Belgique und der Fondazione Cineteca Italiana ergänzt. So kann man heute auf eine Filmversion mit einer Länge von 1856 Metern zurückgreifen.
Der Film wirkt fast wie ein Dokumentarfilm, dessen einzelne Teile aber durch eine angedeutete Spielfilmhandlung zusammengehalten wird. Die Handlung selbst plätschert so vor sich hin wie ein schöner unbeschwerter Sommertag und eigentlicher Mittelpunkt des Films ist die Stadt Berlin, sind die Menschen, die dem Zwang des Alltags zu entfliehen suchen. So steht am Ende der Ausklang des Sonntags und die Hektik des Alltag, die am Montagmorgen beginnt, wird in den letzten Sekunden des Films gezeigt.
Es ist die Geschichte von fünf Leuten, die zu ersten Mal hinter der Kamera standen. Nach der Beendigung der Dreharbeiten gingen sie alle wieder ihren normalen Berufen nach.
Ein Autokennzeichen ist zu erkennen. Diesen Wagen mit der Nummer IA-10088 fährt der Taxifahrer Erwin Splettstößer (spielt sich wie alle anderen selbst). Seine Freundin Annie Schreyer ist Mannequin. Auch Brigitte Borchert ist ein Kind dieser Stadt. Die junge Frau arbeitet im Schallplattengeschäft Electrola und hat in diesem Monat schon 150 Mal die Platte "In einer kleinen Konditorei" verkauft.
Christl Ehlers ist Filmkomparsin und hat anscheinend ein Rendezvous, sie wird aber versetzt. Allerdings hat der Weinverkäufer Wolfgang von Waltershausen sie schon eine Zeitlang an der Straße beobachtet. Der junge Mann hat eine vielseitige Berufskarriere hinter sich: Offizier, Landwirt, Antiquar, Eintänzer und zur Zeit eben Reisender in Sachen edler Tropfen. Er spricht die junge Frau an und lädt sie in ein Cafe ein. Dort kommt es zu einer weiteren Verabredung für den nächsten Tag. Um 10 Uhr morgens will man sich am Nikolassee treffen, es ist perfektes Ausflugswetter. Wolfgang überredet am Samstag Abend bei einem Skatspiel seinen Freund Erwin zum Mitkommen. Auch Annie willigt ein. Am anderen Morgen ist Annie nicht wachzukriegen, deshalb bricht Erwin schon auf und hinterlässt seiner Freundin eine Nachricht, dass sie unbedingt nachkommen soll. Christl hat ihre Freundin Brigitte mitgebracht. Im Verlauf des fröhlichen Sonntags mit Spaziergängen im Wald, mit Schwimmen, Sonnennbad und kleiner Dampferfahrt im Wannsee verliebt sich Wolf in Brigitte. Dies führt zu Eifersüchteleien unter den Mädels, obwohl Christl Wolf vorher einen Korb gegeben hat. Als die vier am Abend in die Stadt zurückkehren, findet Erwin Annie immer noch im Bett vor. Sie hat den ganzen schönen Sonntag verschlafen. Wolf hat sich mit Brigitte für den nächsten Sonntag verabredet, doch "Am nächsten Sonntag wollten wir doch zusammen zum Fußball gehen" erinnert Erwin den Wolfgang, als sie schon alleine auf dem Heimweg sind. Sie lachen sich verständnisvoll an und teilen die letzte Zigarette miteinander...


 Trotz des Dokustils ist der Film von Edgar G. Ulmer und Robert Siodmak sehr poetisch angehaucht. Die Kamera-Arbeit machte Eugen Schüfftan und schuf grandiose Bilder mit atmosphärischem Kolorit. Die Bilder sind aus heutiger Sicht nicht nur nostalgisch interessant - immer noch haften an diesen landschaftlich reizvollen Bildkompositionen eine überraschende Lebendigkeit. So sehr sich die Protagonisten auch bemühen aus dem Alltagstrott hinauszukommen - sie finden ihre Freiheiten nur begrenzt.
Das Drehbuch des Films schrieb der junge Billly Wilder gemeinsam mit Curt Siodmak.
Die DVD von Zyx ist interessanterweise mit zwei Audiospuren versehen. Die eine ist die klassische Version, die zweite beinhaltet eine musikalische Untermalung von 2005 durch den Schlagwerker Steven Garling aus Berlin. Er ist nunmehr seit zwölf Jahren hauptsächlich mit Stummfilmen unterwegs und sein Repertoire zählt mehr als 500 Filme, die er bereits begleitet hat. Für viele scheint es unvorstellbar, dass ein Schlagzeug das gute alte Stummfilmklavier, dass man erwartet, ersetzen kann. Aber das Experiment ist auf ganzer Linie geglückt. Der virtuose Musiker ordnet sich sensibel, zurückhaltend und temperamtvoll dem Film unter.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

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