Regie: Edgar G. Ulmer / Robert Siodmak
Wochenende in Berlin...
Der Stummfilm "Menschen am Sonntag" wurde im Februar 1930 in Berlin
aufgeführt. Die damals gezeigte Filmfassung war 2014 m lang, leider
sind einige Teile des Films verschollen. Eine existierende Filmversion
aus dem Nederlands Filmmuseum wurde mit erhaltenden Sequenzen aus ser
Cinematheque Suisse, der Cinematheque Royale de Belgique und der
Fondazione Cineteca Italiana ergänzt. So kann man heute auf eine
Filmversion mit einer Länge von 1856 Metern zurückgreifen.
Der
Film wirkt fast wie ein Dokumentarfilm, dessen einzelne Teile aber
durch eine angedeutete Spielfilmhandlung zusammengehalten wird. Die
Handlung selbst plätschert so vor sich hin wie ein schöner unbeschwerter
Sommertag und eigentlicher Mittelpunkt des Films ist die Stadt Berlin,
sind die Menschen, die dem Zwang des Alltags zu entfliehen suchen. So
steht am Ende der Ausklang des Sonntags und die Hektik des Alltag, die
am Montagmorgen beginnt, wird in den letzten Sekunden des Films gezeigt.
Es
ist die Geschichte von fünf Leuten, die zu ersten Mal hinter der Kamera
standen. Nach der Beendigung der Dreharbeiten gingen sie alle wieder
ihren normalen Berufen nach.
Ein Autokennzeichen ist zu
erkennen. Diesen Wagen mit der Nummer IA-10088 fährt der Taxifahrer
Erwin Splettstößer (spielt sich wie alle anderen selbst). Seine Freundin
Annie Schreyer ist Mannequin. Auch Brigitte Borchert ist ein Kind
dieser Stadt. Die junge Frau arbeitet im Schallplattengeschäft Electrola
und hat in diesem Monat schon 150 Mal die Platte "In einer kleinen
Konditorei" verkauft.
Christl Ehlers ist Filmkomparsin und hat
anscheinend ein Rendezvous, sie wird aber versetzt. Allerdings hat der
Weinverkäufer Wolfgang von Waltershausen sie schon eine Zeitlang an der
Straße beobachtet. Der junge Mann hat eine vielseitige Berufskarriere
hinter sich: Offizier, Landwirt, Antiquar, Eintänzer und zur Zeit eben
Reisender in Sachen edler Tropfen. Er spricht die junge Frau an und lädt
sie in ein Cafe ein. Dort kommt es zu einer weiteren Verabredung für
den nächsten Tag. Um 10 Uhr morgens will man sich am Nikolassee treffen,
es ist perfektes Ausflugswetter. Wolfgang überredet am Samstag Abend
bei einem Skatspiel seinen Freund Erwin zum Mitkommen. Auch Annie
willigt ein. Am anderen Morgen ist Annie nicht wachzukriegen, deshalb
bricht Erwin schon auf und hinterlässt seiner Freundin eine Nachricht,
dass sie unbedingt nachkommen soll. Christl hat ihre Freundin Brigitte
mitgebracht. Im Verlauf des fröhlichen Sonntags mit Spaziergängen im
Wald, mit Schwimmen, Sonnennbad und kleiner Dampferfahrt im Wannsee
verliebt sich Wolf in Brigitte. Dies führt zu Eifersüchteleien unter den
Mädels, obwohl Christl Wolf vorher einen Korb gegeben hat. Als die vier
am Abend in die Stadt zurückkehren, findet Erwin Annie immer noch im
Bett vor. Sie hat den ganzen schönen Sonntag verschlafen. Wolf hat sich
mit Brigitte für den nächsten Sonntag verabredet, doch "Am nächsten
Sonntag wollten wir doch zusammen zum Fußball gehen" erinnert Erwin den
Wolfgang, als sie schon alleine auf dem Heimweg sind. Sie lachen sich
verständnisvoll an und teilen die letzte Zigarette miteinander...
Trotz
des Dokustils ist der Film von Edgar G. Ulmer und Robert Siodmak sehr
poetisch angehaucht. Die Kamera-Arbeit machte Eugen Schüfftan und schuf
grandiose Bilder mit atmosphärischem Kolorit. Die Bilder sind aus
heutiger Sicht nicht nur nostalgisch interessant - immer noch haften an
diesen landschaftlich reizvollen Bildkompositionen eine überraschende
Lebendigkeit. So sehr sich die Protagonisten auch bemühen aus dem
Alltagstrott hinauszukommen - sie finden ihre Freiheiten nur begrenzt.
Das Drehbuch des Films schrieb der junge Billly Wilder gemeinsam mit Curt Siodmak.
Die
DVD von Zyx ist interessanterweise mit zwei Audiospuren versehen. Die
eine ist die klassische Version, die zweite beinhaltet eine musikalische
Untermalung von 2005 durch den Schlagwerker Steven Garling aus Berlin.
Er ist nunmehr seit zwölf Jahren hauptsächlich mit Stummfilmen unterwegs
und sein Repertoire zählt mehr als 500 Filme, die er bereits begleitet
hat. Für viele scheint es unvorstellbar, dass ein Schlagzeug das gute
alte Stummfilmklavier, dass man erwartet, ersetzen kann. Aber das
Experiment ist auf ganzer Linie geglückt. Der virtuose Musiker ordnet
sich sensibel, zurückhaltend und temperamtvoll dem Film unter.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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