Regie: Georg Wilhelm Pabst
Vier von der Infantrie....
Georg Wilhelm Pabst ist eine der großen Filmregisseure
der Weimarer Republik. Der 1925 entstandene Stummfilmklassiker "Die
freudlose Gasse" wurde wegen seiner Sozialkritik oft zensiert. Pabst
wurde filmgeschichtlich immer wieder als einer der Hauptvertreter der
"Neuen Sachlichkeit" gefeiert, obwohl sein Stil oft variierte. Großes
Ansehen erwarb er sich mit seinen letzten Stummfilmen "Die Büchse der
Pandora" und Tagebuch einer Verlorenen", die er beide mit der
amerikanischen Schauspielerin Louise Brooks drehte. Dann kam der Tonfilm
und Pabsts erster Versuch mit den neuen Möglichkeiten hieß "Westfront
1918", der im Jahr 1930 entstand und fast zeitgleich mit dem von Lewis
Milestone inzsenierten amerikanischen Antikriegsfilm "Im Westen nichts
Neues" in die Kinos kam. Beide Filme lösten damals zahlreiche
Diskussionen aus. So wurde 1933 - nach der Machtergreifung durch die
Nazis - ein Antrag auf Widerruf der Zulassung des Kinofilms gestellt.
Das thüringische Ministerium des Innern argumentierte wie folgt: Der
Film gibt eine ganz einseitige und deshalb unwahre Darstellung vom
Krieg. Er zeigt nur dessen Schrecken und essen verheerende Folgen und
stellt bis in widerliche Einzelheiten auch das Leben hinter der Front
und der Heimat dar, so in einer Szene, wo der Urlauber bei seiner
unvermuteten Rückkehr seine Frau im Schlafzimmer mit einem jungen
Burschen findet. Durch diese einseitige Darstellung gefährdet dieser
Bildstreifen das lebenswichtige Interesse des Staates den Wehrwillen des
Volkes aufrecht zu erhalten und zu stärken. Tatsächlich wurde der Film
von der Film-Oberprüfstelle in Berlin verboten. Der Rest ist
Filmgeschichte oder der tragische Werdegang eines der bedeutendsten
deutschen Antikriegsfilme. Neben "Im Westen nichts Neues" der
viellleicht wichtigste frühe Film über den ersten Weltkrieg - aber im
Gegensatz zu der Remarque-Verfilmung, die einen Siegeszug um die Welt
antrat und heute noch als großer Klassiker des 30er Jahre Filmjahrzehnts
angesehen wird, hat man Pabsts Film im Laufe der Zeit sehr stark
vergessen.
Das Drehbuch von "Westfront 1918"
beruht auf dem Roman "Vier von der Infanterie" von Ernst Johannsen. Die
Bauten entwarf Erno Metzner. Durch die ungeschönten Graben- und
Kampfszenen erreicht Pabsts Film einen hohen Grad an Realismus. Er zeigt
die Sinnlosigkeit und die Monotonie des Sterbens an der Front.
Eingebettet in diese alltägliche Hölle sind die Protagonisten, die auch
mit stillen Szenen zum Leben erweckt werden. Da beobachtet der Student
wie ein einer Feldschreinerei am Fließband Grabkreuze angefertigt
werden. In einer weiteren Szene ist Karls Mutter (Else Heller) zu sehen,
die in einer Lebensmittelschlange steht und ihren Sohn sieht, wie er
vom Fronturlaub nach Hause kommt. Sie kann den Platz aber nicht
verlassen, um den Sohn zu begrüßen - aufgrund der Lebensmittelknappheit
hat das Wiedersehen mit dem Sohn zu warten. In 97 trostlosen Minuten
lernen wir das Soldatenleben der vier Infanteristen kennen. Da ist der
Bayer (Fritz Kampers), ein Gemütsmensch, der verheiratete Karl (Gustav
Diessl), der junge Student (Hans-Joachim Moebis), der sich in die
Bauerntochter Yvette (Jackie Monnier) verliebt, wo die Einheit
untergekommen ist und der Leutnant (Claus Clausen). Es ist das letzte
Jahr des Ersten Weltkrieges an der Westfront. Am Anfang des Films
herrscht zunächst noch eine Kampfpause für die Männer. Bald jedoch
müssen sie wieder in den Schützengraben und die Kampfhandlungen steigern
sich auch wieder. Es ist kurz vor der finalen Enschlacht, der
Großoffensive der Alliierten. Nur eine Momentaufnahme gabs eine Liebe
zwischen den Feinden, der Student muss aber seine französische Freundin,
mit der er eine Nacht verbrachte, wieder verlassen. Und Karl bekommt
immerhin einen Fronturlaub, doch in Berlin ist das Leid der
Zivilbevölkerung auch zu spüren. Zu allem Unglück findet er seine junge
Frau (Hanna Hoessich) mit einem jungen Mann (Carl Ballhaus) im Bett.
Verzeihen kann er nicht. So reist er wieder an die Front zurück. In der
Endeinstellung des Films zeigt uns Pabst die schwer verletzten und
sterbenden Männer im Lazarett...
Während die Welt
unter den Fomgen der Wirtschaftskrise litt und die NSDAP ihren Aufstieg
begann packte der linksorientierte Regisseur (Die Dreigroschenoper,
Kameradschaft) entgegen des aufkeimenden Zeitgeistes ein pazifistisches
Thema an, nüchtern und ungeschönt. Erschreckend und überaus realistisch.
Nicht umsonst wurde der Pabst Film von der rechtslastigen Filmzensur
dann auch gleich wieder verboten. G. W. Pabst
beschränkt sich jedoch nicht auf die Darstellung des Leids unter den
Soldaten, sondern zeigt auch die Strapazen, denen die Zivilbevölkerung
ausgesetzt war, sowohl physischer als auch psychischer Natur, zum
Beispiel die Entfremdung der Ehefrauen von ihren Ehemännern und deren
seelische Verrohung durch die Kriegsgreuel. Der Filmstil ist extrem
nüchternen und desillusionierend, von der Glorifizierung des Krieges -
wie es damals in anderen Kriegsfilmen der Fall war. Die Kamera wirkt
begleitend und so erhält der Film zusätzlich sogar einen beinahe schon
dokumentarischen Charakter.
Auch die Kriegsschuldfrage wird sehr neutral vom sterbenden Karl beantwortet.
Auch die Kriegsschuldfrage wird sehr neutral vom sterbenden Karl beantwortet.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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