Mittwoch, 8. April 2015

Der Golem, wie er in die Welt kam


























Regie: Carl Boese/Paul Wegener

Die Gestalt aus Lehm...

Gemeinsam mit Carl Boese inszenierte Paul Wegener im Jahr 1920 den expressionistischen Klassiker "Der Golem, wie er in die Welt kam" und schuf damit einen der ersten Horrorfilme der Filmgeschichte. Es war allerdings schon Wegeners dritte Version dieser traditionellen jüdischen Sage. Die erste Fassung erschien 1915 - in "Der Golem" graben Arbeiter im alten Prager Judenviertel einen Schacht und finden eine riesige Statue aus Lehm, die sie zu einem Antiquitätenhändler bringen. Der findet in einem alten Buch eine Zauberformel, die der berühmte Rabbi Loew im 16. Jahrhundert benutzte, um diesen Lehmkoloss, genannt Golem, zum Leben zu erwecken. Es folgte 1917 "Der Golem und die Tänzerin". Mit "Der Golem, wie er in die Welt kam" hat Wegener, der auch die Rolle des Toten spielte, der zum Leben erweckt wird, die Vorgeschichte seines Erstlings nachgeliefert. Es herrscht eine romantische Atmosphäre vor, die allerdings immer wieder von der Angst des Unheimlichen und Unwirklichen in seiner märchenhaften Struktur gebrochen wird.
Das mittelalterliche Prag war dafür bestens geeignet - schon "Der Student von Prag" aus dem Jahr 1913 wurde so ein durchschlagender Kinoerfolg. Anders als dort verzichtete Wegener aber auf den Dreh an den Originalschauplätzen. Hans Poelzig baute eine mittelalterliche Märchenwelt im Studio auf. Es dominieren enge, verwinkelte Gassen mit windschiefen Häusern. Man nimmt kaum noch gerade Linien wahr, es herrschen Schrägen und Winkel vor, die die Perspektive verzerren und das Auge irritieren soll.
Der Einfluß von Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari", der ein Jahr früher entstand, ist deutlich spürbar. Dieses große filmische Meisterwerk sowie der 2 Jahre danach entstandene Vampirfilm "Nosferatu" von Friedrich Wilhelm Murnau komplettiert gemeinsam mit Wegeners Film DIE "Trias" der frühen Horrormeisterwerke aus der Weimarer Republik. Die ein Jahrzehnt später inszenierten US-Horrorklassiker der Universal Studios wie "Dracula" oder "Frankenstein" orientieren sich merklich an den großartigen deutschen Vorbildern.
Als Rabbi Loew (Albert Steinbrück) erkennt, dass den Juden im Prager Ghetto Unheil droht, befragt er seine geheimnisvollen kabbalistischen Bücher. Mit Hilfe dieser alten Formeln beschwört er heimlich die Mächte der Unterwelt herauf. Es erscheint ihm der Geist Astaroth. Dieser befiehlt dem Gelehrten einen Golem (Paul Wegener) zu erschaffen. Das Ungetüm aus Lehm hat eine menschliche Gestalt und trägt einen Talisman an seiner Brust, auf dem das hebräische Wort für "Wahrheit" geschrieben steht.
Aufgabe dieses unberechenbaren Monsters ist aber zuerst der positive Schutz des Ghettos. Denn tatsächlich verkündet der Kaiser (Otto Gebühr) ein Dekret gegen die Juden. Diese sollen schnellstens die Stadt verlassen. Die Urkunde wird von Junker Florian (Lothar Müthel) der jüdischen Gemeinde und dem angesehenen Rabbi übergeben. Der junge Mann wirft sehr schnell ein Auge auf Miriam (Lydia Salmonova), Tochter des Rabbi Löw. Um den Kaiser umzustimmen, schreibt der Gottesmann seinem Herrn eine Nachricht, in der er auf seine Verdienste verweist und um eine Audienz bittet. Am Rosenfest wird ihm diese Bitte gewährt. Der Rabbi nimmt den Golem mit und kann mittels magischer Kraft und dem Lehmwesen die Rettung des Ghettos bewirken. Doch die Gefahr ist noch nicht vorbei. Durch die Eifersucht von Loews Gehilfen (Ernst Deutsch), der ebenfalls in Miriam verliebt ist, wird der Golem noch einmal zum Leben erweckt und der Knechtschaft müde gerät er aus der Kontrolle und läuft im Ghetto Amok...


 Begeisternd kann man in diesem wunderbaren Meisterwerk aus den Kindertagen des Kinos diese stark stilisierten Kulissen genießen. Paul Wegeners Darstellung nimmt Boris Karloffs schwerfälliges Monster (ebenfalls von Menschenhand erschaffen) vorweg. Den klaren Linien der Kaiserburg stehen die labyrinthischen Strukturen des Ghettos gegenüber. Die Innenräume bei Rabbi Loew und Rabbi Jehuda (Hans Sturm) wirken wie Höhlen, die durch geheime Gänge miteinander verbunden sind. Fasznierend auch die Entwicklung des Golems (hebräisch: Klumpen), der zuerst Holz hackt, Wasser holt und des Menschen hilfreicher Untertan wird. Je länger er aber existiert, desto mehr etnwickelt er ein emotionales Eigenleben. Bei Bedarf kann man ihn abstellen wie ein Roboter, man muss nur diesen glitzernden Stern auf seiner Brust entfernen. Bald aber wehrt sich der Golem dagegen, wieder "abgeschaltet" zu werden. Er wird zum bedrohlichen Monster. Am Ende steht ein Kind und ein glücklich wirkender Golem, der allerdings in diesem Moment, als der Kind hochhebt, auch sein Ende findet.


Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen