Regie: Elia Kazan
Der alltägliche versteckte Antisemitismus...
Trotz des Riesenerfolgs von "Tabu der Gerechten" fand Regisseur
Elia Kazan seinen Film viel zu zahm. Er hätte einiges viel drastischer
darstellen wollen, aber Produzent Zanuck verlangte, dass die
Liebesgeschichte zwischen Dorothy McGuire und Gregory Peck ebenso stark
in der Handlung erschien als der Antisemitismus kurz nach dem 2.
Weltkrieg in den USA.
Damit gelten "Tabu der Gerechten" und der fast gleichzeitig
erschienene Film Noir "Crossfire" von Edward Dmytryk als die ersten
Hollywoodfilme, die sich mit diesem Thema auseinandersetzten. Obwohl
Dmytryks Film eigentlich den Mord aus Hass gegen einen Homosexuellen
darstellen sollte, aber von den Sittenwächtern nicht erlaubt wurde - so
wurde das Script umgeschrieben. Aus dem ermordeten Schwulen wurde ein
ermordeter Jude. Beide Filme waren die Favoriten der Oscarwahl 1948.
"Crossfire" ging aber trotz 5 Nominierungen leer aus. "Tabu der
Gerechten" konnte von den 8 Nominees drei in Siege verwandeln: Elia
Kazan bekam den Regie-Oscar und Celeste Holm gewann als beste
Nebendarstellerin. Ausserdem gabs den Hauptpreis als bester Film des
Jahres.
Trotz der Einwände des Machers finde ich den Film aus heutiger
Sicht immer noch sehr kraft- und wirkungsvoll. Gerade weil der Film
nicht die aggressiven Rassisten in den Mittelpunkt stellt, sondern eine
schweigende Mitte in der Gesellschaft. Menschen, die sich liberal,
tolerant und weltoffen nennen, aber dennoch von Vorurteilen geprägt
sind.
Ein Thema, dass gerade in der heutigen Zeit wieder sehr aktuell ist
und dem Zuschauer die Botschaft vermittelt, dass er auch mal Position
ergreifen sollte, wenn gerade mal blöde Witze über Minderheiten gemacht
werden oder wenn jemand aggressiv aber auch sehr versteckt und subtil
Ressentiments gegen Rassen oder andere Religionen zum Besten gibt.
Dass der Film, der sehr dialoglastig ist, so gut gelingt, ist das
Verdienst eines sehr guten Schauspielensembles. Jede Figur ist gut
herausgearbeitet worden.
Der Zuschauer wird auch mit einer jüdischen Sekretärin (June Havoc)
konfrontiert, die ihre Stelle nur deshalb bekam, weil sie ihren
jüdischen Namen abänderte und so zu einem Vorstellungsgespräch in der
Zeitung kam. Sie selbst hat aber auch Vorbehalte gegen Juden, wie im
Laufe der Handlung klar zu sehen ist.
Der Journalist Philip Schuyler Green (Gregory Peck) ist in seinem
Metier äusserst erfolgreich und deshalb wird er auch von einem
rennomierten New Yorker Magazin engagiert. Der Witwer verlässt
Kalifornien und zieht gemeinsam mit seiner Mutter (Anne Revere) und
seinem kleinen aufgeweckten Sohn (Dean Stockwell) in ein feines
Appartment nach New York, dass ihm der Zeitungsboss John Minify (Albert
Dekker) besorgt hat. Er soll für ihn eine Serie über Antisemitismus
schreiben. Die Idee stammt von Minifys Nichte Kathy Lacey (Dorothy
McGuire), in die sich Green schon beim ersten Treffen verliebt. Doch
Green hat Anlaufschwierigkeiten, es fehlt ihm die zündende Idee, wie er
die Story gestalten will. Soll er seinem Freund Dave Goldman (John
Garfield) schreiben. Der hat als Jude sicherlich jede Menge Stoff für
den Judenhass in den USA, hat er dies doch alles selbst schon durchlebt.
Er verwirft die Idee und findet den idealen Aufhänger für seinen
Auftrag. Er will sich selbst als Jude ausgeben und seine eigenen
Erfahrungen in Sachen "Antimsemitismus" machen. Seine Zeitungskollegin
Anne Dettrey (Celeste Holm), die die Rubrik "Mode" unter sich hat, ist
total begeistert. Aber nicht alle sind glücklich mit der Entscheidung.
Nicht einmal Kathy, mit der Green eine Beziehung angefangen hat und die
Hochzeit geplant wird, findet die Idee gut. Ist die tolerante Frau etwa
latent rassistisch ? Konflikte sind jedenfalls vorprogrammiert....
Der Film zeigt an scheinbar ganz alltäglichen Szenen die
Zurücksetzung jüdischer Menschen. So wird der kleine Sohn von Green von
den anderen Jungs beschimpft und darf nicht mit ihnen Ball spielen.
Green selbst wird in einem luxuriösen Hotel an der Rezeption plötzlich
abgewiesen als er sich als Jude zu erkennen gibt....plötzlich bedauert
man den Irrtum, aber kein Zimmer ist plötzlich im Hotel frei. Sehr
konfliktreich auch die Streitereien zwischen Green und seiner Kathy, die
gegen ihre Feigheit ankämpfen muss. Filmhistorisch ist "Tabu der
Gerechten" auch äusserst interessant. Zeigt er doch den Judenhass in den
USA - 2 Jahre nachdem die USA durch ihre Soldaten Europa von den
judenhassenden Nazis befreit haben. Und dann legt Elia Kazan
schonungslos offen, dass auch das eigene Land nicht von Rassismus frei
ist, was ich auch wichtig finde. Denn die USA haben ja mit dem
alltäglichen Rassismus auch heute noch stark zu kämpfen. Damals 1947
gabs neben dem latenten Antisemitismus auch den ganz offen zur Schau
getragenen Rassismus gegen die dunkelhäutige Bevölkerung. Auch die
Mexikaner wurden als Menschen zweiter Klasse gesehen. Elia Kazan ist es
gelungen dieses Thema sehr fein zu bearbeiten, aber gerade deshalb ist
die Wirkung groß. Zeigt er doch ganz normale Menschen, die gar nicht auf
Anhieb bemerken, dass ihre Verhaltensweisen den Rassisten Trümpfe in
die Hand spielen.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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