Regie: Richard Brooks
Lügen und Geheimnisse...
William Wylers Nachfolgefilm für seinen Großerfolg wurde "Infam"
und entstand nach dem Theaterstück "The Childrens Hour" von Lilian
Hellmann aus dem Jahr 1934. Bereits 2 Jahre später feierte Wyler mit der
Erstverfilmung des Stücks seinen ersten Film-Erfolg. Dabei wurde aber
auf Druck der United Artists der homosexuelle Verdacht gegen die beiden
Frauen weggelassen und stattdessen stand die Dreiecksbeziehung zwischen
Miriam Hopkins, Merle Oberon und Joel McCrae im Mittelpunkt des Films.
27 Jahre später haben sich die gesellschaftlichen Normen etwas
verbessert und auch die Zensurbestimmungen waren schon etwas gelockert -
so entschied sich Wyler für ein Remake, diesmal mit der kontroversen
und verbotenen Liebe.
"Infam" ist im übrigen auch ein Film mit drei
Schauspielerinnen-Generationen. Miriam Hopkins spielt die ekaltierte
Tante Lily und Fay Bainter bekam die Rolle der reichen Amelia Tilford.
Die beiden Lehrerinnen wurden mit den Topstars Shirley McLaine und
Audrey Hepburn besetzt - noch jünger sind aber die undurchsichtigen
Schülerinnen Mary Tilford und Rosalie Wells - die beiden Jungstars Karen
Balkin und Veronica Cartwright (später in "The Birds" und "Alien) )
spielen wichtige Nebenrollen in dem Drama.
Die beiden jungen Lehrerinnen Karen Wright (Audrey Hepburn) und
Martha Dobie (Shirley McLaine) sind seit der Highschool beste
Freundinnen und haben es nun endlich geschafft im konservativen
Neuengland eine gehobene Privatschule für Mädchen aufzubauen. Zu dem
Lehrerteam gehört auch Marthas schwierige Tante Lily (Miriam Hopkins),
die ihrer Karriere als große Schauspielerin nachtrauert und den
Unterricht sehr eigenwillig gestaltet. Karen ist auch liiert mit dem
attraktiven Dr. Joe Cardin (James Garner) - doch mit der Hochzeit will
sie noch warten, weil die Schule momentan noch die ganze Kraft kostet.
Die Beziehung zwischen dem Mann und der besten Freundin Martha ist etwas
gespannt, man hat das Gefühl, dass Martha etwas eifersüchtig auf ihn
reagiert.
In der Schule ist vor allem Mary Tilford (Karen Balkin) das große
Problemkind. Sie lügt, sie täuscht Krankheiten vor und versucht alles,
dass ihre Großmutter, die angesehene Amelia Tilford (Fay Bainter) sie
vom Internat erlöst. Auch die kleine Rosalie Wells (Veronica Cartwright)
hat Probleme. Sie stiehlt wie ein Rabe, aber keiner hat es bisher
bemerkt. Lediglich Mary wird Zeugin eines Diebstahls und kann ihre
Mitschülerin erpressen. Als sie immer wieder von den Lehrerinnen
zurechtgewiesen wird, erfindet Mary eine infame Lüge über das Verhältnis
der beiden Frauen. Sie sollen sich nachts im Zimmer besuchen und man
würde dann so komische Geräusche hören. Da homosexuelle Liasonen nicht
sein dürfen und man nichts mit solchen Menschen zu tun haben will, nimmt
die konservative Oma ihre Enkelin von der Schule, ohne Karen und Martha
über den Grund zu informieren. Sie macht aber den Skandal überall
publik - und binnen eines Tages hat die gute Gesellschaft ihre Kinder
von der Schule geholt. Die beiden Frauen stehen im Nu vor dem Ruin -
finanziell und seelisch. Und das nur aufgrund der bösen Lüge eines
Kindes...
Doch der Film bietet dann weitaus mehr. Einerseits schildert er die
Ächtung von gleichgeschlechtlicher Liebe zu einer Zeit, die noch gar
nicht so lange her ist. Daher kann man die Diskriminierung, die in
"Infam" gezeigt wird, sicherlich auch den Leuten nahe legen, die meinen
die Gleichstellung von Hetero- und Homosexuellen Beziehungen wäre
unnötig. Andererseits bietet "Infam" aber den Darstellern interessante
Figuren an. Fay Bainter bekam eine der fünf Oscarnominierungen - die
weiteren gabs für die schwarz-weiß Kamera von Frank Planer sowie für die
Ausstattung, für den Ton und für die Kostüme. Shirley McLaine, die in
"Infam" eine ihrer besten Rollen überhaupt spielt, wurde leider bei der
Nominierung übergangen. Auch Audrey Hepburn hat einen riesigen Moment -
die Frauen haben sich gerade ausgesprochen und dabei hatte Shirley
McLaine ihrer Freundin ihr Coming Out und ihre Gefühle gestanden. Audrey
läuft spazieren und man bemerkt dann die Verbundenheit der beiden
Menschen, denn irgendwie spürt sie, dass nun was ganz schreckliches
passiert ist. Die größte Angst ist in ihrem Gesicht zu erkennen, sie
rennt ins Haus. Dort ist die Tür der Freundin abgeschlossen. Die Kamera
von Franz Planer zeigt das schockierende Bild zweimal abgeschwächt, aber
umso wirkungsvoller jeweils als Schattenbild mit Horroreffekt.
Sehr gut, dass William Wyler einerseits die boshaften Gerüchte
thematisiert hat, andererseits aber auch die "verbotenen" Gefühle und
Empfindungen nach und nach offenlegt und so einen wichtigen Film gegen
Diskriminierung geschaffen hat.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen