Donnerstag, 20. Februar 2020

Die goldene Karosse

Regie: Jean Renoir

Auf der Bühne...

Die Commedia dell´arte entwickelte sich in Italien im 16. Jahrhundert aus traditionellen Zusammenschlüssen von Jahrmarktskünstlern. Diese Gruppen spielten zuerst meistens als Bauern verkleidet und im Paduanischen Dialekt an den Jahrmärkten vor dem Volk. Durch ihre Beliebtheit durften sie auch in den Höfen des Adels auftreten. Die Commedia Dell´arte erlebte ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert und fand ihr Ende im 18. Jahrhundert. Von ihren beiden Hochburgen Venedig und Neapel eroberten sie die ganze Welt und meistens agierten diese Künstler im Familienverbund, die natürlich auch zum Zweck des Gelderwerbs auftraten und sich somit ihren Lebensunterhalt verdienten. Die Einnahmen wurden natürlich untereinander geteilt. Auch Frauen durften auf der Bühne spielen - dies war zu dieser Zeit lediglich den singenden Damen in der Oper erlaubt. Die Commedia dell´arte dient dem Schauspieler und seinem Ensemble, sie strebt eine große Wirkung durch die gespielten Szenen an. Es werden Masken und Typen dargestellt und pfeift auf die Moral. Die Geschichten sollen Spaß und Freude machen und sind nie belehrend.
Jean Renoir hat diesen Künstlern und diesem lebendigen Theater mit dem Film "Die goldene Karosse" aus dem Jahr 1952 ein bleibendes Denkmal gesetzt. Die Hauptdarstellerin Anna Magnani zeigt als vitale Schauspielerin Camilla eine ihrer schönsten Rollen überhaupt. Francois Truffaut schwärmte von Renoirs Film und bezeichnete ihn als einen der edelsten und raffiniertesten Kinofilme, die jemals gedreht wurden.
"Die goldene Karosse" wurde in Cinecitta in Rom gedreht, die Musik von Antonio Vivaldi kommt dabei zum Einsatz. Für die Kinematographie war Claude Renoir, Neffe des Regisseurs, verantwortlich. Da sher viele Akteure aus englischsprachigen Darstellern bestand, drehte Renoir seinen Film in englischer Sprache.
Die Handlung der Geschichte führt den Zuschauer nach Südamerika des 18. Jahrhunderts. In einer eher abgelegenen peruanischen Stadt herrscht der Vizekönig Ferdinand (Duncan Lamont). Als Symbol für die Macht Spaniens hat sich Ferdinand eine prächtige goldene Kutsche aus Europa anfertigen lassen, die nun mit dem Schiff angekommen ist. Gleichzeitig an Bord war auch eine Commedia dell arte Gruppe aus Italien, die sich aus Männern, Frauen und Kindern zusammensetzt und von Don Antonio (Oboardo Spadaro) angeführt wird, der auf der Bühne den Pantalone verkörpert. Die Rolle der Columbina spielt die Schauspielerin Camilla (Anna Magnani). Sie ist etwas skeptisch wegen dem Publikum und fragt sich wie sie diese Menschen für sich gewinnen soll, wenn die Gruppe ihre Stücke in Italienisch aufführen. Eine Sprache, die die Peruaner nicht sprechen. Ihr Herz gehört dem spanischen Offizier Felipe (Paul Campbell), der mit der Gruppe mitreist. Doch bereits bei der Premiere auf den neuen Kontinent entfacht das Vollblutweib das Feuer des zuschauenden Toreros Ramon (Riccardo Rioli). Sie lässt ihn jedoch zappeln. Dann wird Vizekönig Ferdinand auf die Schauspieler aufmerksam und es erfolgt eine Einladung eine Einladung an den Hof. Auch der Vizekönig erliegt dem Charme der Schauspielerin und liegt ihr zu Füßen. So sehr, dass er ihr Geschenke macht und am Ende sogar ein extrem wertvolles: Er schenkt Camilla die goldene Kutsche, was dann aber zum riesigen Politikum wird. Denn der Adel muckt auf und probiert den Aufstand gegen den Herrscher. Auch die Kirche wird auf deren Seite gezogen. Damit hat Ferdinand nicht gerechnet und er will die Schenkung rückgängig machen...





Am Ende jedoch ist es Camilla, die mit einer überraschenden Entscheidung für die Lösung des Konflikts sorgt, der einige Akteure fast an den Galgen gebracht hätte. Ihr wird auch klar, dass sie zwar drei Männer gleichzeitig liebt, aber die größte Liebe dem Theater gehört. Renoir schafft es federleicht in diesem Film die Bühne mit der Wirklichkeit zu verbinden. So hat die reale Geschichte der Camilla ganz große Ähnlichkeit mit den Aktionen auf der Theaterbühne. Das Theaterspiel und das reale Leben gehen ineinander über oder heben sich gegenseitig auf. Am Ende entscheidet sich die Vollblutschauspielerin für ihr Metier und verzichtet auf Liebe, Macht und Ruhm. Für mich ist "Die goldene Karosse" einer der besten Filme von Jean Renoir - sowohl was den Inhalt als auch die grandiose formale Gestaltung angeht.



Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen