Samstag, 14. November 2015

Die Frühreifen

























Regie: Josef von Baky

Die Wirtschaftswunderjugend in Gefahr...

Mit den Erfolgen der Jugendfilme "Die Halbstarken" (Georg Tressler) und "Berlin Ecke Schönhauser" (Gerhard Klein) kamen auch viele Nachfolger, das Thema schien im Kino geeignet zu sein, um es kommerziell gut auszuwerten. Auch "Die Frühreifen" von Josef von Baky gehört in diese Reihe, bereits der Filmtitel lässt ebenso wie auch "Die Halbstarken" das riesige Zeitgeist-Potential vermuten. Es ist Wirtschaftswunderkino und genau in dieser Zeit sah man sich genötigt den moralischen Zeigefinger auf die verführbare und manchmal schon verkommene Jugend zu zeigen. Sie sind eben halbstark, frühreif, wollen RocknRoll, hängen gemeinsam rum und auch die Sexualität erwacht. Auch Veit Harlans kurz zuvor gedrehter Film "Anders als Du und ich" warnte vor der neuen Verkommenheit der Jugend. Einer möglichen homosexuellen Orientierung des Sohnes von angesehen Bürgern. Da hilft nur die Kuppelei mit einem hübschen Mädel. Denn die Alternativer wäre Verachtung, Gefängnis und sogar der Tod.
Die Teenies liefen Gefahr Anstand und Moral im Wirtschaftswunderland zu verlieren. Arbeit ? Nein danke, das haben ja die Eltern auch schon getan und sind genauso wie Inge Messmanns Vater (Paul Esser) gesundheitlich stark angeschlagen und vor allem verbittert. Wenn die frühreife Tochter Inge (Heidi Brühl) nicht spurt, dann gibts auch schon mal Schläge. Die gute alte Schule, man war ja schließlich im Krieg. Inges Mutter (Inge Fürstenberg) ist dagegen eher warmherzig, aber sie kann sich in den 50er Jahren natürlich gegen ihren dominanten Mann noch längst nicht durchsetzen. Es ist eine Zeit, in der zwar noch die Kirche und deren Repräsentanten wie Vikar Englert (Jochen Brockmann) einen großen Einfluss auf die Menschen ihrer Stadt hatte. Wir befinden uns in Essen. Inge ist fleissig und arbeitet als verkäuferin in einem Warenhaus. Sie hat auch schon einen Freund. Sehr zum Ärger des strengen Vaters, der immer sagt, dass es damals sowas nie gegeben hätte und es fällt in diesem Zusammenhang schon auch mal ein deftiges Schimpfwort wie "Hure". Sie hat es aber dennoch gut erwischt mit ihrem Wolfgang (Christian Doermer), der täglich - wie auch Inges Vater - unter Tage arbeitet und jeden Abend rußgeschwärzt wieder nach oben kommt. Er hat auch etwas Geld gespart und überrascht seine Inge mit einem Motorrad - etwas was den Mädels immer imponiert. Doch Inge will irgendwie raus aus dem Trott des Arbeiterlebens und als sie in ihrem Kaufhaus für eine Modenschau engagiert wird, lernt sie einige Söhne reicher Eltern kennen. Die haben sich zuerst mal aufs Nichtstun spezialisiert und genießen ihren Müßiggang mit viel Glamour und auch gerne mal mit Autoklauen, allerdings nur zum Spass. Wäre ja auch langweilig ohne diese Mutproben und immer mal wieder sind diese Jungs wie Freddy (Christian Wolff) oder Günther (Peter Kraus) begeistert, wenn sie im gestohlenen Wagen vor der Polizei fliehen und die Ordnungshüter dann austricksen. Ansonsten fahren diese arbeitsscheuen Typen gerne in ihren flotten Autos, sie rauchen und trinken und schleppen gerne die Girls ab. Sie dürfen gerne auch etwas jünger sein, wie die 15jährige Hannelore (Sabine Sinjen), die den singenden und hüfteschwingenden Günther sehr schnell anhimmelt. Sehr schick ist auch das Aufsagen von sozialistischen Salonparolen, so nennt der smarte Freddy seine neue Eroberung Inge einfach mal "Genossin". Nach einem schweren Zerwürfnis mit dem Vater haut Inge von Zuhause ab. Sie kommt durch Freddys Hilfe an eine Wohnung, die zur Zeit leer steht und plötzlich ist auch der brave Wolfgang für sie kein Thema mehr. Doch die Action der Lebemänner, so faszinierend sie manchmal sein kann, hat natürlich grauenvolle Schattenseiten. Ein hohes Lehrgeld steht am Ende der moralischen Geschichte...



 Sogar eine handfeste Katastrophe. So sehr der Film auf seinem Höhepunkt dann auch alle Register einer sehr unangenehmen Moralbotschaft zieht, so sehr gelingt es aber auch dem Regisseur Josef von Baky markante Bilder dafür zu schaffen. So wirkt die Szene bei der Polizei dynamisch wie in einem Horrorfilm. Da ist wenig Fingerspitzengefühl beim Beamten zu erkennen, er setzt auf den Schock - auf die ultimative Abschreckung. Da wird sogar Peter Kraus, der in "Die Frühreifen" einen echten Kotzbrocken spielen darf, ganz klein und fängt verzweifelt zu weinen an. Natürlich darf man die Message, die der Film in seiner zeit suggerieren wollte, beim heutigen Betrachten dieses Jugendfilms auch nicht mehr ganz so ernst nehmen. Als Zeitdokument ist der Film ein herrliches Beispiel dafür, wie damals die Werte angelegt waren und vor allem wie sie sich in den 50/60 Jahren danach verschoben haben.
Die auch als populäre Romanvorlage existente Geschichte hatte das Ziel eine pädagogisch wertvolle Message für den bedrohnten Nachwuchs zu formulieren: Arbeitet hart, dann könnt ihr zufrieden sein, werdet gemeinsam glücklich im Kleinen und Bescheidenen. Meidet die reichen Schnösel dieser Welt, für die nichts heilig ist - vor allem nicht aufrichtige Gefühle.
Die beste Szene in "Die Frühreifen" ist übrigens die Zerstörung von Hannelores Geschenk an ihren Günther. Er packt dann diesen Gartenzwerg aus. Als Sinnbild für den biederen, braven Bürger muss die Keramikfigur dann herhalten als Zielscheibe für die Wurfgeschosse, die die reichen Jungs in ihrem Suff gebastelt haben. Der Zwerg zerbricht, wie auch die heile Welt dieser Zeit.
Peter Kraus und Christian Wolff machen ihre Sache sehr gut, sie sind sogar gegen ihr Image eingesetzt und wirken glaubhaft als Jungs mit manchmal bösen Absichten. Auch die Kamera von Karl Löb muss man erwähnen. Tolle Bilder mit viel Lokalkolorit vom Ruhrgebiet. Es zeigt einerseits die Fördertürme, die Zechen - andererseits aber auch moderne Villen, in denen ausufernde Partys stattfinden.



Bewertung: 7 von 10 Punkten. 

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