Regie: Josef von Baky
Die Wirtschaftswunderjugend in Gefahr...
Mit den Erfolgen der Jugendfilme "Die Halbstarken" (Georg Tressler)
und "Berlin Ecke Schönhauser" (Gerhard Klein) kamen auch viele
Nachfolger, das Thema schien im Kino geeignet zu sein, um es kommerziell
gut auszuwerten. Auch "Die Frühreifen" von Josef von Baky gehört in
diese Reihe, bereits der Filmtitel lässt ebenso wie auch "Die
Halbstarken" das riesige Zeitgeist-Potential vermuten. Es ist
Wirtschaftswunderkino und genau in dieser Zeit sah man sich genötigt den
moralischen Zeigefinger auf die verführbare und manchmal schon
verkommene Jugend zu zeigen. Sie sind eben halbstark, frühreif, wollen
RocknRoll, hängen gemeinsam rum und auch die Sexualität erwacht. Auch
Veit Harlans kurz zuvor gedrehter Film "Anders als Du und ich" warnte
vor der neuen Verkommenheit der Jugend. Einer möglichen homosexuellen
Orientierung des Sohnes von angesehen Bürgern. Da hilft nur die Kuppelei
mit einem hübschen Mädel. Denn die Alternativer wäre Verachtung,
Gefängnis und sogar der Tod.
Die Teenies liefen Gefahr
Anstand und Moral im Wirtschaftswunderland zu verlieren. Arbeit ? Nein
danke, das haben ja die Eltern auch schon getan und sind genauso wie
Inge Messmanns Vater (Paul Esser) gesundheitlich stark angeschlagen und
vor allem verbittert. Wenn die frühreife Tochter Inge (Heidi Brühl)
nicht spurt, dann gibts auch schon mal Schläge. Die gute alte Schule,
man war ja schließlich im Krieg. Inges Mutter (Inge Fürstenberg) ist
dagegen eher warmherzig, aber sie kann sich in den 50er Jahren natürlich
gegen ihren dominanten Mann noch längst nicht durchsetzen. Es ist eine
Zeit, in der zwar noch die Kirche und deren Repräsentanten wie Vikar
Englert (Jochen Brockmann) einen großen Einfluss auf die Menschen ihrer
Stadt hatte. Wir befinden uns in Essen. Inge ist fleissig und arbeitet
als verkäuferin in einem Warenhaus. Sie hat auch schon einen Freund.
Sehr zum Ärger des strengen Vaters, der immer sagt, dass es damals sowas
nie gegeben hätte und es fällt in diesem Zusammenhang schon auch mal
ein deftiges Schimpfwort wie "Hure". Sie hat es aber dennoch gut
erwischt mit ihrem Wolfgang (Christian Doermer), der täglich - wie auch
Inges Vater - unter Tage arbeitet und jeden Abend rußgeschwärzt wieder
nach oben kommt. Er hat auch etwas Geld gespart und überrascht seine
Inge mit einem Motorrad - etwas was den Mädels immer imponiert. Doch
Inge will irgendwie raus aus dem Trott des Arbeiterlebens und als sie in
ihrem Kaufhaus für eine Modenschau engagiert wird, lernt sie einige
Söhne reicher Eltern kennen. Die haben sich zuerst mal aufs Nichtstun
spezialisiert und genießen ihren Müßiggang mit viel Glamour und auch
gerne mal mit Autoklauen, allerdings nur zum Spass. Wäre ja auch
langweilig ohne diese Mutproben und immer mal wieder sind diese Jungs
wie Freddy (Christian Wolff) oder Günther (Peter Kraus) begeistert, wenn
sie im gestohlenen Wagen vor der Polizei fliehen und die Ordnungshüter
dann austricksen. Ansonsten fahren diese arbeitsscheuen Typen gerne in
ihren flotten Autos, sie rauchen und trinken und schleppen gerne die
Girls ab. Sie dürfen gerne auch etwas jünger sein, wie die 15jährige
Hannelore (Sabine Sinjen), die den singenden und hüfteschwingenden
Günther sehr schnell anhimmelt. Sehr schick ist auch das Aufsagen von
sozialistischen Salonparolen, so nennt der smarte Freddy seine neue
Eroberung Inge einfach mal "Genossin". Nach einem schweren Zerwürfnis
mit dem Vater haut Inge von Zuhause ab. Sie kommt durch Freddys Hilfe an
eine Wohnung, die zur Zeit leer steht und plötzlich ist auch der brave
Wolfgang für sie kein Thema mehr. Doch die Action der Lebemänner, so
faszinierend sie manchmal sein kann, hat natürlich grauenvolle
Schattenseiten. Ein hohes Lehrgeld steht am Ende der moralischen
Geschichte...
Sogar eine handfeste Katastrophe. So sehr der
Film auf seinem Höhepunkt dann auch alle Register einer sehr
unangenehmen Moralbotschaft zieht, so sehr gelingt es aber auch dem
Regisseur Josef von Baky markante Bilder dafür zu schaffen. So wirkt die
Szene bei der Polizei dynamisch wie in einem Horrorfilm. Da ist wenig
Fingerspitzengefühl beim Beamten zu erkennen, er setzt auf den Schock -
auf die ultimative Abschreckung. Da wird sogar Peter Kraus, der in "Die
Frühreifen" einen echten Kotzbrocken spielen darf, ganz klein und fängt
verzweifelt zu weinen an. Natürlich darf man die Message, die der Film
in seiner zeit suggerieren wollte, beim heutigen Betrachten dieses
Jugendfilms auch nicht mehr ganz so ernst nehmen. Als Zeitdokument ist
der Film ein herrliches Beispiel dafür, wie damals die Werte angelegt
waren und vor allem wie sie sich in den 50/60 Jahren danach verschoben
haben.
Die auch als populäre Romanvorlage existente Geschichte
hatte das Ziel eine pädagogisch wertvolle Message für den bedrohnten
Nachwuchs zu formulieren: Arbeitet hart, dann könnt ihr zufrieden sein,
werdet gemeinsam glücklich im Kleinen und Bescheidenen. Meidet die
reichen Schnösel dieser Welt, für die nichts heilig ist - vor allem
nicht aufrichtige Gefühle.
Die beste Szene in "Die Frühreifen"
ist übrigens die Zerstörung von Hannelores Geschenk an ihren Günther.
Er packt dann diesen Gartenzwerg aus. Als Sinnbild für den biederen,
braven Bürger muss die Keramikfigur dann herhalten als Zielscheibe für
die Wurfgeschosse, die die reichen Jungs in ihrem Suff gebastelt haben.
Der Zwerg zerbricht, wie auch die heile Welt dieser Zeit.
Peter
Kraus und Christian Wolff machen ihre Sache sehr gut, sie sind sogar
gegen ihr Image eingesetzt und wirken glaubhaft als Jungs mit manchmal
bösen Absichten. Auch die Kamera von Karl Löb muss man erwähnen. Tolle
Bilder mit viel Lokalkolorit vom Ruhrgebiet. Es zeigt einerseits die
Fördertürme, die Zechen - andererseits aber auch moderne Villen, in
denen ausufernde Partys stattfinden.
Bewertung: 7 von 10 Punkten.
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