Mittwoch, 2. Mai 2018

Die Stunde des Wolfs
























Regie: Ingmar Bergman

Dämonen...


Filmfreunde werden in Ingmar Bergmans 1968 gedrehten Horrorfilm "Die Stunde des Wolfs" Parallelen zu Roman Polanskis "Der Mieter" finden und auch mit Alain Resnais kryptischen "Letztes Jahr in Marienbad" gibt es Ähnlichkeiten. Genau wie "Der Mieter" wird ein pychisch angeschlagener Mann mit einer Gruppe von anderen Menschen konfrontiert, von denen er glaubt, dass die ihm Böses wollen. Die rätselhaften Schwarz-Weiß Bilder von Sven Nykist, der Kamerachef in "Die Stunde des Wolfs" war, verfängt sich ebenfalls wie Sacha Viernys Bildkompositionen in stimmungsvollen Details. Besonders die Sequenz auf dem Anwesen von Baron von Merkens erinnert an dessen kamerafahrten durch die Räume im barocken Dekor.
Thematisch gehört "Die stunde des Wolfs" neben den etwas später gedrehten "Schande" und "Passion" zu der sogenannten Fårö-Trilogie, die beiden Schauspieler Max von Sydow und Liv Ullmann sind die Gesichter dieses düsteren Films.
Eingerahmt durch den Bericht von Alma (Liv Ullmann) wird der Zuschauer auf die Geschichte eingestimmt. Sie spricht dabei das Publikum an und erzählt von dem sonderbaren Verschwinden ihres Mannes, des Malers Johan Borg (Max von Sydow) und eröffnet so auch einen Rückblick auf die Ereignisse. Alma schildert ihre Erlebnisse und wird dann später auch noch einen Einblick in die Tagebücher ihres Mannes geben. Der besucht gemeinsam mit seiner Frau Alma immer wieder die Ruhe und Abgeschiedenheit auf der kleinen Insel Baltrum. Dort hat er bisher immer die Ruhe gefunden, die er zum malen braucht.
Doch wie ist sein seelischer Zustand ? Alma ist ratlos, denn ihr Mann ist tagsüber alleine auf der Insel unterwegs und am Abend, wenn er nach Hause kommt, erzählt er ihr sonderbare Dinge über Menschen, die er kennengelernt hat. Einen Homosexuellen, der ihm nachstellt - eine alte Frau mit Hut - und der gefährlichste von allen, dem Vogelmenschen. Johan glaubt, dass diese Menschen in Wirklichkeit Dämonen sind und ihm nach dem Leben trachten. Und tatsächlich macht auch Alma eines Tages Bekanntschaft mit dieser alten Frau mit Hut, die ihm anrät, dass sie doch die unter dem Bett versteckten Tagebücher des Mannes lesen soll. Immer mehr dieser ominösen Gestalten nehmen Kontakt mit Johan auf, auch seine frühere Geliebte Veronica Vogler (Ingrid Thulin) erscheint Johan. Ist das Traum ? Ist es Einbildung ? Oder erlebt er es tatsächlich ? Jedenfalls wird er eines Tages von Baron von Merkens (Erland Josephson) eingeladen, der am anderen Ende der Insel auf seinem Schloß lebt. Er soll auch Alma mitbringen. Dort finden sie eine surreale Gesellschaft vor, auch die Frau des Barons (Gertrud Fridh) und dessen Mutter (Gudrun Brost) wirken äusserst seltsam. Nachdem Johan und Alma die Burg verlassen, gesteht sie ihm ihre Angst ihn an Dämonen zu verlieren, aber auch ihren Willen nicht so schnell aufzugeben.
Doch diese Unterstützung für ihren Ehemann ist alles andere als leicht, denn der leidet zunehmend unter Schlaflosigkeit und hofft, dass die Frau mit ihm wach bleiben kann. Er erinnert dabei an die "Stunde des Wolfs" - die Zeit ab 4 Uhr Morgens, wo die meisten Menschen sterben und auch geboren werden. Die Visionen werden auch immer stärker und gewalttätiger - so wird Johan am Strand mit einem Jungen konfrontiert, der ihn versucht zu beißen und zu peinigen. Aus Notwehr tötet er das Kind. Alma ist immer mehr schockiert von Johans Geständnissen.  Dann werden sie erneut ins Schloß eingeladen. Der Bote überbringt diese Einladung persönlich und legt eine Pistole auf den Tisch. Dann gerät das Ehepaar in Streit, ein Schuß fällt...





In einem erläuternden Satz meint Alma "Wenn Paare lange genug zusammen sind, dann werden sie sich immer ähnlicher. Kann es auch sein, dass die Gedankenwelt immer mehr Eins wird ?" - damit spielt sie darauf an, dass sie selbst auch diese Erscheinung der alten Frau hatte. "Die Stunde des Wolfs" ist ein echter Alptraumfilm - ähnlich wie Polanskis "Der Mieter" und wie dieser lässt er auch vieles offen. Der Zuschauer nimmt aber großen Anteil an der Schlaflosigkeit des Künstlers auf dieser einsamen Insel. Die Bilder drücken zusätzlich eine enorme Schwere aus. Jedesmal wenn er auf einer Felsenklippe seine Staffelei auspackt, wird er schon mit diesen dämonischen Gestalten konfrontiert - sie lassen ihn nicht mehr los. Bergman inszenierte in nüchternen Bildern, es herrscht ein gewisser Neo-Realismus vor. Es ist ein Film über die Macht der Suggestion und vieles bleibt vage. Aber die Phantasie wird angeregt, denn die Schloßbewohner haben Ähnlichkeiten mit untoten Nachtgestalten inkl. vampiristischen Gelüsten. In einer Schlüsselszene wird der Künstler dadurch gedemütigt, dass er wie eine Frau geschminkt, von seiner Exgeliebten, die sich dann ebenfalls im Schloß aufhält, verspottet wird. In solchen Szenen hat man das Gefühl, dass es doch die zerstörerischen Kräfte in Johans Inneren sind, die diesen Horror hervorrufen. Aber man darf sich auch da nicht zu sicher sein.






Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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