Regie: Claude Chabrol
Der schöne Serge...
Claude Chabrols "Die Enttäuschten" gilt als der erste Filme der
Nouvelle Vague. Von Chabrols Mut beflügelt, drehten bald auch andere
junge Cinephile wie Truffaut, Godard oder Rivette ihren ersten Langfilm.
Sein erster Film ist eine eher pessimistische Milieuschilderung -
natürlich fernab von dem Glamour der Traumfabrik. Chabrol schildert den
Dreck und die Beschränktheit der franzöisischen Provinz äusserst
eindrucksvoll, das ländliche Milieu verliert den Status der Idylle. "Die
Enttäuschten" spielt sogar im Dorf Sardent im Departement Creuze, dort
ist Chabrol bei seinen Großeltern aufgewachsen und in der Mitte der
Geschichte erscheint der Regisseur Chabrol sogar in einer Kurzrolle als
La Truffe, ein Mann, der ziemlich viel Geld geerbt hat. Tatsächlich
konnte Chabrol aufgrund einer Erbschaft seiner damaligen Ehefrau Agnes
Goute den Sprung ins Filmgeschäft wagen, die Drehbarbeiten fanden vom 4.
Dezember 1957 bis zum 4. Februar 1958 statt. Das Budget betrug 85.000
Dollar.
Die Geschichte beginnt mit der Ankunft von Francois (Jean-Claude
Brialy) in seiner Heimatstadt. Nach 12 Jahren in Paris und zuletzt in
der Schweiz hat sich einiges verändert. Francois ist gesundheitlich
angeschlagen und muss seine Tuberkulose auskurieren. Seine besten Freund
Serge (Gerard Blain) erkennt er aber sofort, doch der ist so betrunken,
dass er Francois gar nicht registriert. Erst ein paar Stunden später
kommt es zur ersten Begrüßung der beiden Freunde. Im Wirtshaus hat Serge
mit seinem Stiefvater Glomaud (Edmond Beauchamps) noch mehr getrunken
und die beiden Trunkenbolde werden von Serges schwangerer Frau Yvonne
(Michele Meritz) und Glomauds Tochter Marie (Bernadette Lafont) dort
abgeholt und heimgebracht. Francois hat sich ein Zimmer im Gasthaus
gemietet und erfährt von der Wirtin Madame Chaunier (Jeanne Perez) was
sich in seiner langjährigen Abwesenheit so alles ereignet hat. Die
Ankunft seines Freundes verstärkt aber die chronische Lebenskrise seines
Freundes. Der Pfarrer (Claude Cerval) rät Francois wieder abzureisen,
da Serge immer mehr trinkt. Francois erfährt, dass Serges Frau ein Kind
mit Down-Syndrom zur Welt gebracht hat, dieses aber gleich nach der
Geburt verstorben ist. Serge glaubt, dass auch die jetzige
Schwangerschaft mit genau diesen tragischen Ergebnis enden wird.
Inzwischen beginnt Francois ein Verhältnis mit Marie, von der man sagt,
dass sie einen immensen Männerverschleiß hat....
"Die Enttäuschten" ist mit den späteren Chabrol Filmen nicht
unbedingt zu vergleichen, denn es fehlt die kriminalistischen Note. Das
Augenmerk gilt vor allem der lähmenden Atmosphäre des kleinen Dorfes und
dies hat Kameramann Henri Decae in exzellente und stimmungsvolle Bilder
gepackt. Ein ganz starke Authentizität ist gegeben und gelegentlich
fühlt man sich sogar an den Neorealismus Italiens erinnert. Gerard Blain
erinnert an bisschen an den rebellischen James Dean, er weigert sich
der Realität un dem Erwachsenenalter ins Auge zu sehen. Die
Schlußeinstellung suggeriert zwar einen Hoffnungsschimmer, aber wer weiß
das schon. Jean-Claude Brialy ist der Gegenpart des gescheiterten
schönen Serge (Originaltitel des Films "Le beau Serge), der versucht
durch positive Akzente den moralischen Sumpf seines Heimatdorfes etwas
zu durchbrechen.
Sein Regiedebüt beschreibt sehr genau die Zerfallserscheinungen
einer Provinzgesellschaft und entwickelt hauptsächlich durch die perfekt
gelungene Figurenzeichnung eine knisternde Spannung zwischen den
Protagonisten.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen