Regie: Will Tremper
Die längste Nacht...
Nebel über Tempelhof: "Wegen schlechter Wetterlage müssen heute alle
Flüge nach Westdeutschland ausfallen. Ebenso ist vor Morgen früh nich
tmit Landungen in Berlin-Tempelhof zu rechnen. Die nächste Durchsage
erfolgt morgen früh" Auf jedem anderen Flughafen der Welt würde eine
solche Durchsage zwar Ärger verursachen, aber es gäbe immerhin
Ausweichmöglichkeiten. Man könnte alternativ mit der Bahn fahren, man
könnte den nächstgelegenen Flughafen benutzen. In Berlin des Jahres 1962
gab es diese Möglichkeiten nicht. Berlin, eine Metropole mit 2,2
Millionen Einwohnern, hat nicht mehr als 10 Bahnverbindungen am Tag und
zwischen Berlin und Westdeutschland liegt das Gebiet der DDR, das nicht
jeder gefahrlos durchqueren kann. Nebel über Tempelhof, das bringt für
eine Reihe von Fluggästen schwere Probleme mit sich.
Da
wäre der alternde Schauspieler Emil Stoltmann (Fritz Remond), der in
Hannover ein Engagement als "King Lear" hat, aber nun in einer
verzweifelten Situation steckt. Ohne Wissen seines Intedanten ist er mal
schnell nach Berlin geflogen wegen einer kleinen, aber doch lukrativen
Hörspielrolle. Und nun muss er erkennen, dass er zur nächsten
ausverkauften Shakespeare-Vorstellung gar nicht in Hannover sein kann.
Auch
der junge Geschäftsmann Wolfgang Spitz (Harald Leipnitz) hält sich im
Flughafengebäude auf, mit dabei seine attraktive Geliebte Lisa (Karin
Hübner), die sogar den teuren Pelzmantel von Frau Spitz trägt - sie soll
dafür sorgen, dass der erwartete Geschäftspartner aus Frankfurt anbeißt
und für Spitz Kohle locker macht. Die braucht er auch dringend, denn
der Mann steht mit einem Bein im Knast. Er hat Wechsel, die morgen früh
fällig sind und darüberhinaus mit falscher Unterschrift versehen. Die
letzte Rettung scheint der gelandete Großspediteur Schreiber (Paul
Esser) zu sein, denn der scheint auf Lisa ein Auge geworfen zu haben.
Chefmonteur
Ernst Kramer (Walter Buschhoff) sollte eigentlich nach Karatschi
fliegen, doch der auferlegte Aufenthalt erweckt in ihm die Idee nochmals
in die Stadt zu fahren und seine Geliebte Mausi (Korinna Rahls) zu
besuchen, Frau Kramer (Gerda Blisse) ist natürlich vom Doppelleben des
Gatten völlig ahnungslos. Eine weitere Ehe auf dem Prüfstand:. Mascha
(Louise Martini) will mit ihrem italienischen Geliebten Renzo (N.
Sokatscheff) vom Ehealltag türmen, doch ihr Mann (Werner Peters) ist
schon im Anmarsch mit den Kids. Die junge Filmschauspielerin Sylvia
Stössl (Hannelore Elsner) zieht die Augen der Männerwelt auf sich. Der
Mann am Schalter schwärmt für sie, ebenso stellen ihr einige
Halbwüchsige im Flughafengebäude nach. John McLeod (Bruce Low) ein
Geschäftsmann aus Kenia flirtet immer mehr mit der hübschen Juanita
(Alexandra Stewart) ,die am Flughafenschalter arbeitet. Die beiden
fangen an zu träumen. Zwischendurch tauchen Gaststars wie Mario Adorf
oder Wolfgang Neuss auf. Ein musikalischer Break in der Mitte des Films
wird von der polnischen Sängerin Wanda Warska und dem Andrzej
Trzaskowksi Quintett mit einem atmosphärisch dichten jazzigen BlueNote
Song bestritten...
es sind stimmungsvolle Impressionen am
Flughafen, die jeweils Momentaufnahmen zeigen und auch ganz schnell
wieder der Vergangenheit angehören. Will Tremper hat dies großartig in
Szene gesetzt und "Die endlose Nacht" wirkt wie ein Film der Nouvelle
Vague. Alle Einzelheiten sind miteinander verflochten und überschneiden
sich in ihrem zeitlichen Ablauf. Es ist aber kein Episodenfilm, wie man
meinen könnte, sondern eine kühl inszenierte Geschichte über eine Gruppe
von Menschen, die alle eine Nacht lang im selben Gebäude warten müssen,
weil sie an der Weiterreise gehindert werden. Gemeinsamkeit auf so eine
zufällige Weise ist dabei eher eine Illusion, die besonders deutlich
beim Flirt von McLeod und Juanita gemacht wird. Man träumt sogar von der
großen gemeinsamen Zukunft, doch man geht am Ende - da plötzlich eine
in einer Maschine ein Platz nach Kenia frei wird - ohne Abschied
auseinander.
Regisseur Will Tremper wurde durch seine
Dreuhbücher für "Die Halbstarken" (Regie: Georg Tressler) und "Nasser
Asphalt" (Frank Wisbar) bekannt. 1961 inszenierte er mit "Flucht nach
Berlin" seinen ersten Film. Es folgte "Die endlose Nacht", der zwar
heute etwas in Vergessenheit geraten ist, aber damals 4 deutsche
Filmpreise abräumte. Hans Jura bekam das goldene Filmband für seine
exzellente schwarz-weiß Kameraarbeit, Harald Leipnitz wurde als bester
Darsteller ausgezeichnet. Peter Thomas gewann Gold für die Beste
Filmmusik und der Film selbst wurde mit dem Filmband in Silber
honoriert. Ein Jahr später errang Tremper beim deutschen Filmpreis
Drehbuchgold für "Verspätung in Marienborn". 1964 machte er sogar eine
Stippvisite bei Edgar Wallace. Das Script zu "Zimmer 13", einem sehr
guten Exemplar der Filmreihe, geht auf sein Konto. Interessanterweise
wurde es danach leider sehr still um ihn.
Aus heutiger Sicht muss man diesen Film sicherlich zu den ganz großen deutschen Filmen der 60er Jahre zählen.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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