Regie: Martin Ritt
Hud...
Martin Ritt war einer der Künstler, die in den frühen 50er Jahren auf diese unsägliche schwarze Liste des Komitees für unamerikanische Aktivitäten kam - dies bedeutete das berufliche Aus. So konnte er erst wieder 1956 am Broadway weitermachen und 1957 seinen ersten Film als Regisseur realisieren. Das Debüt "Ein Mann besiegt die Angst" war äusserst bemerkenswert und es folgten "Der lange heiße Sommer" oder "Die schwarze Orchidee". Seine aktive Zeit endete Anfang der 90er Jahre - zahlreiche Klassiker sind enstanden: "Norma Rae" (1979), Nuts (1987), "Der Spion, der aus der Kälte kam" (1965) oder "Der Strohmann" (1976), einem autobiographisch gefärbten Werk mit Woody Allen. Sehr oft drehte er mit Paul Newman zusammen. So auch in den Western "Hombre" und "Carasco, der Schänder" und auch sein bester Film überhaupt: "Der Wildeste unter Tausend", der im Original "Hud" heißt und sich auf die Hauptfigur der Geschichte bezieht. "Der Wildeste unter Tausend" ist ein moderner Western, der in der Gegenwart (also zur Entstehungszeit des Films in den 60ern) spielt und angesiedelt ist in der unendlichen Weite der west-texanischen Landschaft. Ein großartiger Film, den man in einem Atemzug mit zwei anderen sehr hervorragenden US- Filmen über Menschen auf dem Land im Süden der Staaten nennen kann. Zwar spielt "Wer die Nachtigall stört" von Robert Mulligan nicht in Texas, sondern in Alabama der frühen 30er Jahre, aber durch die intensiven Bilder und dem starken Focus auf einfache echte Menschen rückt auch er in die Nähe von Peter Bogdanovichs "Die letzte Vorstellung" und eben Martin Ritts "Hud". Alle drei Filme erhielten für ihre melancholischen schwarz-weiß Bilder eine Oscar-Nominierung für die beste Kameraarbeit. Für "Hud" gabs noch weitere Nominierungen, von denen am Ende sogar drei in Siege umgewandelt wurden. Patricia Neal als beste Schauspielerin, Melvyn Douglas als bester Nebendarsteller und James wong Howe für die beste kamera durften triumphieren - aber Hauptdarsteller Paul Newman, Regisseur Martin Ritt, die Drehbuchautoren gingen leer aus - ebenso unterlag der Film in der Hauptkategorie "Bester Film des Jahres" dem Kostümfilm "Tom Jones - Zwischen Bett und Galgen" von Tony Richardson.
Schade auch, dass der viel zu früh verstorbene Brandon de Wilde als Lonnie nicht bei den Nominees berücksichtigt wurden - denn "Hud" funktioniert neben der intensiven Bildgestaltung vor allem durch die großartigen Leistungen dieses glaubwürdigen Schauspieler-Quartetts. Homer Bannon (Melvyn Douglas) ist der inzwischen alt gewordenen Patriarch und Rancher. Mit seinem Sohn Hud (Paul Newman) trägt er seit langer Zeit einen chronischen Konflikt aus. Hud glaubt, dass es immer noch mit dem frühen Tod seines Bruders zusammenhängt. Dieser starb bei einem Autounfall, bei dem Hud den Wagen fuhr und wo beide zuviel getrunken hatte. Hud ist ein attraktiver Mann, der einen Schlag bei den Frauen hat und der für seine zahlreichen Affären - vor allem mit verheirateten Frauen aus der Stadt - bekannt ist. Ausser den Frauengeschichten und dem Alkohol interessiert ihn recht wenig - er ist egoistisch, agiert verantwortungslos und empfindet für seine Mitmenschen wenig Empathie. Ein Mann, der neuen Generation - rücksichtslos und nur auf den eigenen Vorteil und auf Geld versessen. Darüberhinaus hat er aber auch ein sympathische Ecke, so wird er von dem siebzehnjährigen Sohn seines toten Bruders, Lonnie (Brandon de Wilde) bewundert - er ist vom lässigen Charme des Onkels immer wieder fasziniert. Die Seele des Familienlebens repräsentiert die Haushälterin Alma (Patricia Neal), die geschieden und auch nicht mehr ganz jung ist. Trotzdem macht Hud der sehr eigenständigen Frau deutliche Avancen und auch Lonnie hat gewisse schwärmerische Phantasien. Als ein junges Rind verendet, geht der Tierarzt von einem gravierenden Verdacht aus. Die ganze Herde könnte von der Maul- und Klauenseuche befallen sein. Was eine Katastrophe wäre, denn dann müssten alle Tiere getötet werden. Auch die beiden seltenen Langhornrinder, die Homer an die gute alte zeit des Westens erinnern. Hud schlägt vor, die Tiere vor der feststehenden Diagnose zu verkaufen - auf diesen rücksichtslosen Plan geht sein aufrechter und ehrlicher Vater natürlich nicht ein. Auch die Möglichkeit auf dem Land nach Öl zu bohren und damit ein lukrativeres Geschäft zu beginnen, lehnt Homer - sehr zum Leidwesen von Hud - ab. Hud will für den Alten eine Betreuung erwirken. Dies alles wirkt sich auch auf Homers angeschlagene Gesundheit aus...
Im Grunde erzählt "Hud" ein Familiendrama. Und die Geschichte eines Egoisten, der am Ende die Menschen, denen er etwas bedeutete, alle verliert. Hud wäre natürlich nicht Hud, wenn er diese Einsamkeit nicht wegstecken könnte. Denn es stellt sich heraus, dass er schon immer ein Einsamer war - ohne Fähigkeiten Beziehungen mit Menschen einzugehen. Dies alles präsentiert Martin Ritt mit viel Wehmut und Tragik - dennoch ist der Film poetisch gefärbt. Alle Figuren sind klasse gezeichnet und individuell. Es sind echte Typen. Auch Paul Newman bietet einen Glanzpunkt in seiner großen Filmkarriere als charmanter Manipulierer. Dabei ist er auch dieser Typus, der das neue Amerika vertritt - er ist sich immer selbst der Nächste, so gesehen auch ein Prototyp unserer heutigen Zeit. Business über alles. Der Rest ist egal. "Hud" ist auch heute noch aktuell wie nie, da er alte Werte auf neue Normen prallen lässt.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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