Donnerstag, 18. August 2016

Weißer Oleander

Regie: Joseph L. Mankiewicz

Dragonwyck...

Aufgrund der Erkrankung von Ernst Lubitsch erhielt Joseph L. Mankiewicz 1946 zum ersten Mal die Chance Regie zu führen. Die Twentieth Century Fox plante ein Melodram im Gothicstyle mit Thrillerelementen. Mankiewicz, der schon erfolgreiche Hollywood Filme produziert (für "Die Nacht vor der Hochzeit" war er sogar als Producer in der Kategorie "Best Picture" für den Oscar nominiert) und  einige Drehbücher geschrieben hatte, hegte schon seit langer Zeit den Wunsch auf dem Regiestuhl zu sitzen. So wurde der historische Gothicthriller "Weißer Oleander" (im Original: Dragonwyck) seine erste Regiearbeit. Damit begann auch seine große Karriere. 1950 und 1951 gewann er jeweils den begehrten Regie-Oscar für "Ein Brief an drei Frauen" und "Alles über Eva". Weitere Filmerfolge wie "Der Fall Cicero", "Julius Caesar" oder "Plötzlich im letzten Sommer" folgten.
Sein Erstling "Weißer Oleander" erinnert sehr stark an die beiden Welterfolge "Rebecca" (Alfred Hitchcock, 1940) oder "Das Haus der Lady Alquist" (George Cukor, 1944, die nachfolgend natürlich die Filmemacher inspirierte und so auch eine ganze Reihe ähnlicher Filme hervorbrachte wie "Briefe aus dem Jenseits" von Martin Gabel, "Der unheimliche Gast" von Lewis Allen oder "Meine Cousine Rachel" von Henry Koster.  Auch "Weißer Oleander" gehört zweifelsfrei in diese Kategorie. Und in Mankiewiczs Erstling versammelten sich auch viele Könner, die zum Gelingen des Films beitrugen. Alfred Newman war zuständig für die Musik, Arthur C. Miller war der Director of Photographie. Russell Spencer und Lyle Wheeler machten die Art Directon. Beste Zutaten also und auch die Darstellerriege war attraktiv. Gene Tierney, ein Star des Film Noir war in einer ungewohnten Rolle zu sehen und der große Vincent Price wurde wie auch schon in "Laura" oder "Todsünde" an ihre Seite gestellt - diesmal allerdings in der Hauptrolle.
Die Geschichte von "Dragonwyck" ist auch die Geschichte der jungen Farmerstochter Miranda Wells (Gene Tierney), die bescheiden auf der Farm ihrer streng gläubigen Eltern Ephrain (John Huston) und Abigail Wells (Anne Revere) aufwächst. Anders als ihre Geschwister träumt Miranda aber von der großen Welt, die sie hier im ländlichen Greenwich, Connecticut nur aus Erzählungen kennt. Mirandas Mutter soll über einige Ecken mit dem reichen Nicholas van Ryn (Vincent Price) verwandt sein, der auf einem riesigen Anwesen namens "Dragonwyck" in der Nähe von New York am Hudson River lebt. Dieser Mann ist der Patron seines Landes und lebt von der Pacht seiner vielen Farmer, die für ihn arbeiten müssen. Eines Tages erhält Abigail von ihrem entfernten Verwandten einen Brief, der ihr anbietet, dass eines der Wells Töchter in besseren Kreisen leben kann, da er und seine Frau Johanna  (Vievienne Osborne) eine Erzieherin und Gouvernante für die kleine Tochter Katherine (Connie Marshall) suchen. Die Eltern sind zwar nicht besonders glücklich über diesen Vorschlag, aber schließlich ermöglichen sie der begeisterten Miranda diesen Schritt in ein anderes, vielleicht besseres Leben. Miranda ist gleich bei der ersten Begegnung fasziniert von dem attraktiven, aber etwas mysteriösen Nicholas. Er scheint nicht glücklich mit seiner korpulenten, faulen und ewig kränklichen Frau zu sein. Auch Katherine ist alles andere als ein glückliches Kind. Die seltsame Haushälterin Magda (Spring Byington) behauptet, dass es im Haus geistern würde. Eine Ahnin der Van Ryns soll man manchmal hören auf dem Spinett zu spielen, dazu soll sie ein düsteres Kinderlied singen. Miranda bekommt auch mit, dass Nicholas mit seinen Untergebenen nicht gut umgeht und sich wie ein Gott aufspielt. Daher ist auch der Arzt Dr. Turner (Glenn Langan) mit dem überheblichen Lehnsherrn zerstritten. Überraschend stirbt Johanna und sehr schnell offenbart Nicholas der schönen Miranda, dass er sie heiraten will...



"Dragonwyck" ist vielleicht deshalb nie ein Meisterwerk wie seine Vorbilder geworden, weil er manche Handlungsstränge nicht zu Ende führt. So werden auch interessante Figuren wie die kleine Tochter von Ryn oder die hellsichtige Haushälterin eingeführt, aber nach einer Zeit verschwinden sie einfach aus der Geschichte. Schade, denn ansonsten stimmen alle Zutaten in diesem gelungenen, jedoch wenig bekannten Gothicthriller, der wie alle seine Genreverwandten auch die expressionistischen Bilder hoch hält. Daher werden diese Filme aufgrund der dunklen, düsteren Bilder manchmal in die Nähe des Film Noir gerückt. Gene Tierney meistert ihre Rolle klasse. Ebenso das gesamte Ensemble - in einer kleinen Nebenrolle ist Jessica Tandy als körperlich behindertes Hausmädchen zu sehen. Auch Vincent Price ist grandios als drogensüchtiger Nicholas, der den Zerfall der alten Welt nicht begreifen kann und immer mehr - auch durch ein dunkles Geheimnis - in den Wahnsinn abgleitet.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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