Regie: Jean-Luc Godard
Begegnung in Paris...
Als begeisterter Cineast hat Jean Luc Godard 1950 mit Eric Rohmer und Jacques Rivette eine eigene Filmzeitschrift geschaffen, die aber sehr bald eingestellt wurde. 1952 wurde er dann Filmkritiker für die rennomierte "Cahiers du cinema". Er hatte aber Ambitionen auch aktiv im Filmgeschäft zu werden. So begann er Kurzfilme zu drehen und für seinen ersten geplanten Spielfilm fehlten eigentlich die finanziellen Mittel. Dieses Manko führte aber dazu, dass der Einfallsreichtum gefragt war. Er umging direkte Tonaufnahmen und setzte statt dessen auf totale Postsynchronisation, was originelle Dialog ermöglichte und einen radikalen Sound hervorbrachte. Gedreht wurde auf den Straßen von Paris und in beengten Innenräumen, was später von den Kritikern als "visuelle Studie" gelobt wurde. Eine Sequenz von kaum wahrzunhehmenden unterschiedlichen Kameraperspektiven fängt diese feinste Stimmmungswechsel perfekt ein und bringt so alle Facetten der Ausstrahlung von Jean Seberg und Jean Paul Belmondo voll zur Geltung. Überhaupt war diese sehr aussergewöhnliche und originelle Hommage an den US-Noir der Durchbruch des jungen Schauspielers, der damals noch unbekannte Schauspieler mit dem unverwechselbaren Gesicht wurde auf einen Schlag berühmt. Jean Seberg war bekannt durch die Preminger Filme "Johanna von Orleans" und "Bonjour Tristesse" - ein Film, der damals von Publikum und Kritik als Skandal empfunden wurde und interessanterweise heute als Vorläufer der französischen Nouvelle Vague gilt. Daher ist das Erscheinen der leider viel zu früh verstorbenen Schauspielerin in "Außer Atem" als burschikose sexy Verkäuferin der New York Herald Tribune auf den Pariser Champs-Elysees nur bedingt eine Überraschung. Sie wurde mit dieser Rolle und ihrem modernen Stil zur Stilikone und zu einem der neuen Gesichter dieses neuen französischen Kinos. Der junge Michel Poiccard (Jean Paul Belmondo) ist ein Fan von Humphrey Bogart und versucht auch sein Idol in Aussehen und Stil zu kopieren. Er pfeift auf ein bürgerliches Leben und lebt so in den Tag hinein. Größtes Interesse: Mädchen und Autos. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, hat er sich auf Diebstähle schneller Autos spezialisiert. Es ist anzunehmen, dass der junge Mann sich immer ein bisschen auf der Flucht befindet und auch immer wieder die Orte wechselt, wenn es zu heiß wird. Auf der Fahrt mit einem gestohlenen Auto rast er von Südfrankreich in Richtung Paris und meint "Man soll nie bremsen. Autos sind zum Fahren da, nicht zum Stillstehen". Natürlich muss er so einer Straßenkontrolle auffallen und liefert mit den Polizisten ein Wettrennen auf der Straße. Er erschießt dann einen der Polizisten, als dieser ihn stellt. Eine panische Überreaktion mit fatalen Folgen, denn aus dem Kleinkriminellen wird nun ein Polizistenmörder, für dessen schnelle Ergreifung bereits eine Großfahndung läuft als er in Paris ankommt. Dort versucht er Geld aufzutreiben, wird aber immer wieder von anderen interessanten Eindrücken aufgehalten. Er trifft die Studentin Patricia Franchini (Jean Seberg) wieder mit der er vor kurzem ein paar Mal geschlafen hat. Mit seiner dunklen Sonnenbrille versteckt er sich hinter Zeitungen, die er nun hektisch nach neuen Meldungen über seine Tat durchstöbert. Immer wieder telefoniert er mit Bekannten und Kumpanen, um Kohle aufzutreiben. Doch Inspektor Vidal (Daniel Boulanger) ist ihm schon dicht auf den Fersen. Um mit Patricia essen zu können, wir dann kurzerhand ein Mann auf einer Toilette zusammengeprügelt und ausgeraubt. Braucht er mal wieder ein Auto, dann klaut er eines, in Paris gibts ja haufenweise davon. Eines flotter als das andere. Er verliebt sich in Patricia, bei der er unterkommt und die naiverweise überhaupt nichts ahnt von dem Mord. Noch nicht mal von Michels krimineller Energie. Als sie es erfährt findet sie es äusserst interessant die Puppe des Gangsters zu sein, dann aber wieder doch nicht, weil sie ja Journalistin werden möchte, um bekannte Künstler wie Parvulescu (Jean Pierre Melville) zu interviewen. Sie ist in ihren Gefühlen also mächtig ambivalent, was schließlich die Story in den Straßen von Paris enden lässt...
Und wo dann Belmondo den berühmten Schlußsatz "Du kotzt mich an" zu seiner Flamme sagen wird. Der Kultstreifen wurde von Raoul Coutard mittels einer Handkamera realisiert. Seine Leistung in diesem Film ist sicherlich eine der besten im Kosmos der Nouvelle Vague. Die überzogenen Kamerafahrten und Aufnahmen im fürhen Morgenlicht an Originalschauplätzen verstärken natürlich den Eindruck einer bewusst billigen Machart im Stile eines Hollywood B-Pictures. Also ein Update auf den amerikanischen Gangsterfilm. Das Herzstück des Films ist aber die Beziehung zwischen Michel und Patricia, die den gesamten Film dominiert und vor allem die äusseren Umstände, die dieser Beziehung neue Dynamiken gibt. Zuerst Patricias unschlüssige Art, die nichts weiße von Michel, ausser dass er ihr gefällt und sich durchs Flirten etwas treiben lässt. Der Zuschauer bemerkt, wie verschieden die beiden doch sind, wie sie aneinander vorbeireden, sich aber dennoch extrem gut verstehen und der Zuschauer bemerkt auch den Unterschied von Patricias Haltung, als sie plötzlich mit der Wahrheit über Michel konfrontiert wird. Ein Gangster, keine gute Voraussetzung für eine Zukunft. Für die Dauer einer Filmlänge könnte man sagen findet sie das extrem erotisch und spannend, doch das reale Leben steht im extremen Kontrast zu diesem Traum. Das Drehbuch wurde von Francois Truffaut geschrieben. In den 80er Jahren versuchte sich Jim McBride an einem Remake mit Richard Gere und Valerie Kaprisky in den Hauptrollen. Leider kommt diese Neuverfilmung nicht über das Mittelmaß hinaus, denn Richard Gere spielte stellenweise extrem überdreht, so dass nie der Eindruck von Echtheit rüberkommt. Schade eigentlich.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen