Sonntag, 28. August 2016

Rocco und seine Brüder

























Regie: Luchino Visconti

Neues Leben - fern der Heimat...

Bereits seiner erster Spielfilm "Ossessione" aus dem Jahr 1942 begründete den Neorealismus als neue Stilrichtung im italienschen Film. Mit "Die Erde bebt" aus dem Jahr 1948 und "Belissima" aus dem Jahr 1951 folgten weitere bekannte Vertreter dieser Kategorie. 1960 befand sich das Genre bereits in der Spätphase, als Visconti mit "Rocco und seine Brüder" ein Spätwerk des Neorealismus nachschob - ein komplexes Familiendrama mit einer Laufzeit von 177 Minuten, bei dem schon Viscontis Hang zur großen Oper spürbar ist. Gezeigt wird das Schicksal der Familie Parondi, die aus dem unterentwickelten Süden Italines nach Mailand flieht, der Großstadt im Norden des Landes. Dort erhofft man sich bessere Chancen als in der Herimat. Man spürt in jeder Sequenz die Detailversessenheit Viscontis. Kameramann Giuseppe Rotunno zeigt in seinen kraftvollen Schwarz-Weiß Bildern den brutalen und erbarmungslosen Großstadtdschungel, wo das Gesetz des Stärkeren gilt. Es beginnt alles mit einer verpatzten Ankunft in Mailand. Die Witwe Rosaria Parondi (Katina Paxinou) steht mit ihren vier Söhnen Rocco (Alain Delon), Simone (Renato Salvatori), Ciro (Max Cartier) und Luca (Rocco Vidolazi) am Hauptbahnhof von Mailand. Doch ihr ältester Sohn Vinzenzo (Spiros Focas) ist nicht da, um die Ankömmlinge zu empfangen. So stehen sie einige Zeit später vor der Wohnung der Eltern seiner Verlobten Ginetta (Claudia Cardinale). Alle sind ziemlich überrascht von den Verwandten im Süden, die in Mailand seßhaft werden wollen. Gleich beim ersten Treffen gibts Zoff, denn die Schwiegereltern von Vinzenzo können nicht beherbergen. So muss schnell eine Sozialwohnung gesucht werden und Arbeit findet sich auch nicht schnell. Erst beim ersten Schnee gibts einen Verdienst bei der Stadt, weil die Straßen frei gemacht werden müssen. Immerhin wird aber Simone von Boxmanager Cecci (Paolo Stoppa) gefördert und auch der einflussreiche Morini (Roger Hanin) nimmt ihn unter seine Fittiche. Die Brüder lernen das Mädchen Nadia (Annie Girardot) kennen, die im gleichen Haus wohnt und als Prostituierte ihr Geld verdient. Simone verliebt sich in sie und beginnt mit ihr eine Affäre. Dabei gerät Simone auf die schiefe Bahn und neigt immer mehr zu krimineller Energie. Als Nadia sich von ihm trennt, verändert sich Simone noch mehr zum Nachteil. Aufgrund seiner Unzuverlässigkeit profitiert Rocco, der im Boxring auch seine Chance bekommt. Er hat auch genug von seinem Job in einem Kleiderladen. Dann kommt aber das Militär und Rocco wird eingezogen. In dieser Zeit trifft er Nadia wieder und beide verlieben sich ineinander. Durch Rocco hat Nadia auch den Mut ein neues leben anzufangen. Als Simone von der Beziehung erfährt, kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Simone überfällt mit einer Gang die Verliebten, schlägt seinen Bruder zusammen und vergewaltigt Nadia vor dessen Augen. Statt Hass auf seinen Bruder zu haben, will Rocco aber verzichten, weil er erkennt, dass der Bruder Nadia noch mehr braucht als er selbst. Mit dieser Entscheidung schwört er eine Katastrophe herauf...




 
In Viscontis Film ist viel Sozialkritik dabei, aber auch das große Drama der beiden ungleichen Brüder Rocco und Simone. Rocco, eine Art Engel ist auch durch die perfekte Besetzung von Alain Delon eine interessante Figur mit Neigung zur Askese und Verzicht. Ihm gegenüber steht der hemmungslose Simone, ein gewalttätiger Mensch - mit nur wenig Skrupel und irgendwo hemmungslos egoistisch. Das Mädchen Nadia wird gespielt von Annie Girardot, die ebenfalls eine Glanzleistung abliefert. Ihre Nadja ist ein neurotischer und schwierig zu fassender Charakter.
Als Prostituierte verkörpert sie eine Seite ihres Ichs, das andere wird erst durch die Beziehung mit Rocco sichtbar, denn sie verliebt sich zum ersten Mal und könnte nun die Chance haben ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Simone und dessen aggressive Art gehören zu diesen Altlasten, die sie leider wieder aufnehmen muss. Der Mord aus Eifersucht ist schon extremste Tragödie - die sizilianische Familie zerfällt unter dme destruktiven Einfluss von Geld, Entwurzelung und Sex. Francis Ford Coppola fand den Film so gut, dass er Nino Rota beim seinem Film "Der Pate" ins Team holte. Das traurige Heimatlied von Elio Mauro vom Anfang setzt auch den Schlußpunkt eines Meisterwerks.

 



Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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