Mittwoch, 15. Februar 2017

Flucht in Ketten




















Regie: Stanley Kramer

Aufeinander angewiesen

In der Zeit seiner Entstehung war "Flucht in Ketten" ein Film mit echtem Sprengstoff.  Doch die Rechnung ging für den Produzent und Regisseur Stanley Kramer auf. Der Film erhielt 9 Oscar-Nominierungen (u.a. für seine beiden jungen Hauptdarsteller Tony Curtis und Sidney Poitier, für die beiden Nebendarsteller Theodore Bikel und Cara Williams, auch Regisseur Stanley Kramer), zwei davon wandelte er in Siege um. So wurde der Kameramann Sam Leavitt und die Drehbuchautoren Nedrick Young und Harold Jacob Smith ausgezeichnet.
Stanley Kramer war ein Filmemacher, der sich auch an kontroverse Themen heranwagte - er schuf Filmklassiker wie "Das letzte Ufer" (die Welt nach einem Atomschlag), Wer den Wind sät (die Lehre Darwin vs. Religion), Das Urteil von Nürnberg (deutsche NS-Richter auf der Anklagebank) oder "Das Narrenschiff" (Antisemitismus auf einem Schiff in den 30er Jahren).  Vielleicht war "Flucht in Ketten" aber dennoch sein kontroversester Film - denn in den späten 50er Jahren war der Rassenhass noch allgegenwärtig und die Gesetze immer noch diskriminierend. Erst am 2. Juli 1964 unterzeichnete Präsident Lyndon B. Johnson mit dem Civil Right Act das bedeutendste US-Bundesgesetz zur Gleichstellung ethnischer Minderheiten. "Flucht in Ketten" enstand 6 Jahre zuvor und man hatte ein paar Monate zuvor endlich die Rassentrennung an den Schulen für verfassungswidrig erklärt. Da waren zwei angekettete Sträfinge - der eine weiß, der andere schwarz - ein Stoff, der für Furore sorgte und so war "Flucht in Ketten" von Anfang an ein Film der polarisieren konnte. Große Hollywood-Stars wie Robert Mitchum, Kirk Douglas oder Marlon Brando sollen für die Rolle des John "Joker" Jackson im Spiel gewesen sein, doch die etablierten Stars fanden den Stoff nicht geheuer und sagten ab. So bekam Jungstar Tony Curtis seine große Chance, die er bestens nutzen konnte und eine seiner besten Leistungen zeigte. Auch Sidney Poitier, der sich mit "Die Saat der Gewalt" und "Ein Mann besiegt die Angst" eine gute Popularität erspielen konnte, zeigte eine hervorragende Leistung.
Die Handlung ist denkbar einfach. Die erste Szene zeigt einen Bus, der nachts auf einer regennassen Straße fährt. Es ist ein Gefängnisbus mit einigen Sträflingen, die vom Arbeitslager kommen. Der farbige Verbrecher Noah Cullen (Sidney Poitier) geht mit seinem a-capella Gospel Gesang nicht nur den Wärtern auf die Nerven. Seinem Nebenmann John "Joker" Jackson ((Tony Curtis) missfällt dies auch und schon sieht alles nach Schlägerei aus, obwohl die schweren Jungs alle aneinandergefesselt sind. Durch diesen Tumbult wird der Fahrer unkonzentriert und rast mit dem Bus eine Böschung hinunter. Die nächste Szene zeigt den Sheriff Max Muller (Theodore Bikel) und Captain Frank Gibbons (Charles McGraw) beim Inspizieren der Unfallstelle. Schnell wird klar - zwei Gefangenen ist die Flucht gelungen. Und die müssen eingefangen werden - so schnell wie möglich. Dazu hat sich eine riesige Verfolgerschar gebildet, Spür- und Bluthunde sind ebenfalls dabei. Der Sheriff könnte sich aber vorstellen, dass die beiden Männer, die aneinandergefesselt sind, sehr schnell in Streit geraten und die Hatz so auch bald ein Ende finden dürfte. Denn die Flüchtigen sind Cullen und Rassist Joker. Doch das gemeinsame Ziel schmiedet die beiden Gegner wohl oder übel zusammen. Mehr noch. Auf einer Farm, die von einer alleinstehenden Frau (Cara Williams) mit ihren kleinen Jungen (Kevin Coughlin) bewohnt wird, gelingt es die Ketten zu sprengen. Jeder könnte nun seine Flucht alleine fortsetzen. Doch es kommt ganz anders..



Die einzelnen Szenen sind sehr spannend gestaltet. Vor allem die Sequenzen auf der Farm mit der einsamen Frau. Auch die Szene in einem Terpentin Lager ist hervorragend gelungen. Dort bekommen die beiden Sträflinge unerwartet Hilfe von Lon Chaney. Auch Claude Akins und Whit Bissell - beides vielbeschäftigte Nebendarsteller -  spielen mit. Aus heutiger Sicht wird das Thema "Rassismus" vielleicht zu moralisch überdeutlich behandelt, man muss aber auch bedenken, dass es im Jahr 1958 vielleicht auch den Holzhammer brauchte, um die Message durchzubringen. An der Dramaturgie dieses 96 Minuten langen Filmdrama gibts aber auch heute nichts auszusetzen. Mit einer einfachen Geschichte und einer grandiosen Ensembleleistung die größtmögliche Spannung erzielt. "Flucht in Ketten" ist ein 50er Jahre Hollywood Klassiker, der auch heute noch überzeugt.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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