Regie: Robert Siodmak
Die Morde des Philipp Marshall...
Dank Koch Media lassen sich nun endlich die Lücken von Robert
Siodmaks Noirs schliessen. Nach "Zeuge gesucht" erschien nun mit "Unter
Verdacht" ein weiterer äusserst interessanter Vertreter des Genres.
Insgesamt drehte er zwischen 1943 und 1949 zehn Filme der schwarzen
Serie, darunter die hervorragenden Meisterwerke "Die Wendeltreppe" und
"Rächer der Unterwelt". Der Schauplatz ds Films ist aber nicht die
Straße der Großstadt, sondern die Handlung spielt in London zur Zeit
Jahrhundertwende und deshalb lassen sich auch Vergleiche zu George
Cukors "Das Haus der Lady Alquist" oder "The Lodger" von John Brahm
ziehen. Der Film erzählt die Geschichte von Philpp Marshall (Charles
Laughton), der als Geschäftsführer in einem alteingesessenen
Tabakwarenladen arbeitet. Ein sehr ruhiger Mann mit einer weichen,
zarten Schale - was eigentlich zu seiner Erscheinung so gar nicht passen
will. Der dickliche, gutmütige Mann steht unter der Pantoffel seiner
zänkischen Frau Cora (Rosalind Ivan), die sogar Sohn John (Dean Harens)
aus dem Haus getrieben hat. In der Nachbarschaft pflegt er guten Kontakt
zu der netten Mrs. Simmons (Molly Lamont), die allerdings mit einem
Alkoholiker (Henry Daniel) verheiratet ist. Philipp nutzt die
Gelegenheit von Johns Auszug und zieht vom ehelichen Schlafzimmer ins
Zimmer des Sohnes. Philipp schluckt allerdings seinen Frust ständig in
sich hinein, die Menschen in seiner Umgebung sehen ihn ihm
ausschliesslich den gütigen Mr. Marshall. So geht er auch milde mit dem
Lehrjungen Merridew (Raymond Severn) um, der für saure Drops und den
Bären vom Zirkus ein bisschen was von der Portoabrechnung abgezwackt
hat. Dort bei der Arbeit lernt er auch die hübsche, junge Mary Grey
(Ella Raines) kennen, die sich bei ihm um eine Stellung bewirbt. Leider
muss er ihr absagen, aber nach Geschäftsschluß treffen sich die beiden
noch einmal. Mary, auf der Parkbank weinend, rührt ihn und er verspricht
ihr bei einem Essen sich bei einer anderen Firma für sie einzusetzen.
Die beiden werden Freunde und die verwandten Seelen machen es möglich,
dass mehr daraus wird. Als Philipp seiner Frau die Scheidung vorschlägt,
lehnt diese entrüstet ab. Mehr noch: Cora spioniert ihm nach und findet
heraus, dass der Ehemann ein Verhältnis hat...
Aus dieser
Konstellation entwickelt Robert Siodmak eine Kriminalgeschichte, denn
der ermittelnde Inspektor, gespielt von Stanley Rogers, ist ein
hartnäckiger Beamter, der sich nicht mit der Unfallvariante zufrieden
gibt. Der Film hat eine sehr gelungene Gothic-Atmosphäre und bietet mit
Charles Laughton und Ella Raines sehr gute Schauspieler. Dabei gelingt
es vor allem Laughton eine sehr ambivaltente Figur sichtbar zu machen.
Der sanftmütige Mann hat eine sehr dunkle Seite, die dem Zuschauer nicht
gezeigt wird. Er kann sie lediglich erahnen. So wird der erste Mord gar
nicht gezeigt und der zweite nur sehr knapp geschildert. Er bemerkt
aber in einem Dialog mit seiner Frau, dass sein Innenleben erschreckende
Gedanken und Gefühle unterdrückt. So gesehen ist der Film auch wieder
typisch für das Faible Siodmaks an der krankhaften Psyche seiner Figur.
"Unter Verdacht" ist ein etwas unterschlagener, sehr gelungener
Klassiker, der einen höheren Stellenwert auf jeden Fall mehr als
verdient hätte.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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