Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
Die Reise in die große Stadt...
Zur Premiere seines "Faust" am 14. Oktober 1926 befand sich der große deutsche Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau bereits nicht mehr in der Heimat. Er folgte dem Ruf des amerikanischen Produzenten William Fox, der spätestens seit dem internationalen Erfolg von "Der Letzte Mann" von dem Genie des deutsches Filmemachers völlig überzeugt war. Der Vertrag wurde rasch abgeschlossen und bereits im August 1926 begannen die Dreharbeiten zu seinem Liebesdrama "Sunrise". Der technische Aufwand für diesen Film stellt selbst in Hollywood alles bisherige in den Schatten. Sein Produzent gewährte ihm die völlige finanzielle und künstlerische Freiheit bei der Produktion dieses legendären Films, so ließ Murnau sogar auf dem riesigen Gelände der Fox Studios eine ganze Stadt errichten. Doch trotz der begeisterten Kritiken und einem großen Triumph bei der allerersten Oscarverleihung im Jahr 1929 mit drei Auszeichnungen (Beste Hauptdarstellerin Janet Gaynor, Beste Kamera für Karl Struss und Charles Rosher sowie der einmaligen Vergabe "Künstlerische Produktion) wurde der Film in finanzieller Hinsicht leider eine Enttäuschung. Murnau wird vom Studio gedrängt den nächsten Film etwas mehr dem Geschmack des Massen-Publikums anzupassen. Erst viele Jahre später konnte ein Orson Welles sein Filmdebüt "Citizen Kane" mit einer ähnlichen künstlerischen und finanziellen Gestaltung gestalten. Solche Bedingungen sind aber Mangelware und trafen in der Geschichte Hollywoods nur auf ganz wenige Projekte zu. Leider erlebt der Regisseur die Premiere seines Südseefilms "Tabu" nicht mehr - sein 14jähriger Fahrer verlor am 11. März 1931 auf der Fahrt von Hollywood nach Monterey, in der Nähe von Santa Barbara, die kontrolle über das Auto, Murnau starb wenige Stunden später an den Folgen seiner schweren Verletzung.
Aber viele seiner Filme zählen - 85 Jahre nach seinem Tod - immer noch zu den großen Meisterwerken der Filmgeschichte. "Sight an Sound" führt "Sunrise - A sound of two Humans" auf Platz 5 der besten Filme aller Zeiten. Bei der Umfrage des französischen Filmmagazins "Cahiers du Cinema" steht er sogar auf Platz 4 in der All Time Favorite Liste.
Erzählt wird die Geschichte von einem Bauer (George O´Brien) und seiner jungen Frau (Janet Gaynor). Sie leben glücklich zusammen und haben bereits ein kleines gemeinsames Kind. Doch mit einer Frau aus der Stadt (Margaret Livingstone) verändert sich die Gefühlswelt des Mannes. Er beginnt mit der attraktiven, aber kaltherzigen Frau ein heimliches Verhältnis. Die Nachbarn beginnen schon zu tuscheln und die Frau hofft, dass ihr Mann von diesem einmaligen Ausrutscher Abstand nimmt. Auch die finanzielle Situation des Hofs kommt in Gefahr, da der Mann seine Arbeit vernachlässigt und weitere Rendezvous am See mit der Geliebten hat. Die will nun mit ihm in die Stadt zurückkehren. Doch die Frau ist im Wege - die Städterin macht dem Mann den Vorschlag, er solle seine Frau ertränken. Alles könnte dann wie ein Unfall aussehen und mit dem Geld für den verkauften Hof ließe es sich in der Stadt gut leben. Zuerst ist er geschockt, doch die Verführungskünste bewirken, dass der finstere Plan realisiert werden soll, die Frau bei einem Ausflug aus dem Boot zu stoßen.
Doch er bringt es nicht übers Herz, kurz vor der Tat findet er seine Sinne wieder. Er rudert mit der weinenden Frau, die die Mordabsichten hautnah erlebte, an Land zurück. Sie flieht, er rennt ihr hinterher und versucht nun voller Reue und Schuldbewusstsein ihre Liebe zurückzugewinnen. Mit der Straßenbahn gelangen sie in die große Stadt...
Und auch der Film ändert seine Ausrichtung vom Drama zu einer schillernden Großstadtimpression mit einigen irrwitzigen Szenen und zeigt den Atem der Großstadt mit einer Reihe von bahnbrechenden Techniken. Man kann fast sagen, dass Murnaus bisherige Meisterschaft im expressionisten Stil in "Sunrise" gekoppelt wurde mit dem überlegenen technischen Rafinnessen der amerikanischen Filmstadt Nr. 1. "Sunrise" entwickelt immer wieder dramatische Aktion und Stimmungen. Die wurden hier von Murnau meisterhaft durch Ausleuchtung, Kamerabewegung oder Bildrhythmus erzeugt. Die Stadt hat als Gegenpol das Dorf, dass sehr deutsch wirkt. Dies wurde von Rochus Gliese aufgebaut. Wenn man bedenkt, dass der Film inspiriert wurde durch Hermann Sundermanns Erzählung "Die Reise nach Tilsit" und auch Carl Meyer das Drehbuch dazu in Deutschland verfasste, kann man eigentlich von einer deutsch-amerikanischen Coproduktion sprechen. Manche Szenen am See erinnern gar an die ländlich geprägten Gemälde holländischer Maler wie Vermeer. Eindringlich und besonders beeindruckend auch die Traumsequenzen bzw. Visionen mit denen die Macher des Films die Gedanken und Gefühle der Protagonisten sichtbar machen. Dies zieht sich vom Anfang mit einer aufregenden Bildmontage von einem Stand bis zum Ende des Films durch. 1938 drehte Veit Harlan in Deutschland den Film "Die Reise nach Tilsit" mit Kristina Söderbaum und Frits van Dongen.
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