Samstag, 24. Dezember 2016

Der Glanz des Hauses Amberson

























Regie: Orson Welles

Als das Auto in die Stadt kam...

Am 17. März 1942 wurde Orson Welles "Der Glanz des Hauses Amberson" in einem ersten Preview vorgeführt. Das Publikum bestand eher aus Teenager und daher wird es keinen sonderlich überraschen, dass dieses düstere Filmepos über die Geburt des neuen Amerikas eher ablehnend aufgenommen wurden. Der Film wurde etwas verändert und gekürzt - bei dem zweiten Preview wurde schon besser beurteilt. Doch bei der RKO war bereits eine echte Panik ausgebrochen. Der Film verschlang Kosten von 1 Million Dollar und Studiochef George J. Schaefer befürchtete nun, dass die Familienchronik im Kino floppen würde. Robert Wise wurde beauftragt dem Film mehr Mainstream zu verpassen Es kam zu einer starken Kürzung von 131 Minuten auf 88 Minuten. Auch das Ende, das Welles für grandios hielt, wurde "verschönert" und das HappyEnd als neue Szene hinzugefügt. Welles meinte später sein Thema wäre die bittere Zeitenwende gewesen. Er wollte zeigen, wie das Auto als Symbol für die Industrialisierung die gesamte Familie und auch die ganze Stadt runiniert. Aber "die böse, schwarze Welt sollte den Leuten nicht zugemutet werden".
Bei den Nominierungen für die Oscars 1943 sahs aber dennoch nicht schlecht aus. Der umstrittene Torso, von dem sich Welles distanzierte, brachte es auf 4 Nominierungen: Kameramann Stanley Cortez für seine hervorragende Arbeit, Agnes Moorehead für die Rolle als Tante Fanny. Ausserdem das beste Szenenbild und gar in der Hauptkategorie "Bester Film" hatte "Der Glanz des Hauses Amberson" Chancen die Trophäe zu gewinnen. Er unterlag aber William Wylers "Mrs. Miniver".
Die Geschichte spielt um 1870 in Indianapolis. Die reichste und vor allem angesehendste Familie der Stadt sind die Ambersons. Major Amberson (Richard Bennett) ist der Patriarch. Seine hübsche Tochter Isabel (Dolores Costello) liebt den etwas verrückten und leichtfertigen Eugene Morgan (Joseph Cotten), der sich an neuen Erfindungen versucht. Er verscherzt es aber seiner Angebeteten als er eines Nachts vor ihrem Fenster ein Ständchen bringt - im betrunkenen Zustand. Sie distanziert sich von ihrer großen Liebe und heiratet den ehrbaren Kaufmann Wilbur Minafer (Don Dillaway). Aus der Ehe geht der Sohn George (Tim Holt) hervor, der bereits als kleiner Junge  (Bobby Cooper) als eigensinnigster und frechster Balg in der Stadt galt. Der Bengel hatte keinen Respekt vor erwachsenen Personen und viele hätten ihm gerne mal eine Abreibung gewünscht. Doch von der Mutter wird George verwöhnt. Zwanzig Jahre später kommt Eugene mit seiner hübschen Tochter Lucy (Anne Baxter) zurück in die Stadt. Inzwischen ist aus Eugene ein erfolgreicher Auto-Fabrikant geworden. Wobei diese neuzeitlichen Fortbewegungsmittel von einigen immer noch sehr belächelt werden, den Pferde sind da viel zuverlässiger. Der verwöhnte George verliebt sich in Lucy und auch Isabel und Eugene kommen sich nach dem plötzlichen Tod von Wilbur wieder näher....
 




Auch mit Kürzung ist "Der Glanz des Hauses Amberson" für mich ein großes Meisterwerk. Sogar ebenbürtig mit Welles Meisterwerk "Citizen Kane". Die beiden Filme sind für mich sogar ein bisschen mit einander verwandt. Beide Filme beschäftigen sich mit dem amerikanischen Kaptitalismus. In Citizen Kane steigt der Zeitungsmagnat Charles Foster Kane zum reichsten und einflussreichsten Mann seiner Zeit auf. In "Glanz des Hauses Amberson" geht eine goldene Welt zu Ende als der Siegeszug des Automobils beginnt. Der alte Geldadel verschwindet langsam - ohne, dass sie sich darauf vorbereitet hätten. Sieger in der neuen Welt sind die Industriellen.
"Der Glanz des Hauses Amberson" ist auch ein großartiger Schauspielerfilm, eine total geglückte Ensembleleistung. Leider wird man auch in Zukunft den Film nur in seiner zurechtgeschnittenen Fassung sehen können. Die fehlenden Teile gelten als verschollen. Und damit teilte "Der Glanz des Hauses Amberson" das gleiche Schicksal wie nach ihm Sam Peckinpahs "Sierra Charrieba" oder Samuel Fullers "The Big Red One". Meisterwerke, die von inkompetenten Studiobossen durch Kürzungen in ihrer Qualität beeinträchtigt wurden. Dennoch: Es spricht für "Der Glanz des Hauses Amberson", dass er trotz dieser massiven Schnitte immer noch als Meisterwerk überzeugen kann. Wie genial wäre der Film wohl erst in seiner ursprünglichen Version.





Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

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