Samstag, 7. März 2020

Berliner Ballade

Regie: Robert A. Stemmle

Der Kriegsheimkehrer...

Anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Kinos führte der Verband Deutscher Cinémathèques eine Umfrage unter Filmhistorikern, Filmjournalisten, Filmkritikern, Filmemachern und Filmemachern durch, um die 100 wichtigsten deutschen Filme von den Anfängen bis zur Gegenwart auszuwählen.
Darunter befindet sich auch der heute leider sehr in Vergessenheit geratene satirische Trümmerfilm "Berliner Ballade" des Regisseurs Robert A. Stemmle. Er erreichte den 98. Rang und zeigte dem Kinopublikum erstmalig den Nachwuchsschauspieler Gerd Fröbe - damals gertenschlank, ja fast dünn. Er spielt in dem Film die Hauptfigur Otto Normalverbraucher, ein Kriegsheimkehrer, der sich nur schwer in seiner Heimat Deutschland zurechtfindet. Der Begriff "Otto Normalverbraucher" fand durch diesen Film den Eingang in die deutsche Sprache und wird auch heute noch sehr häufig für den Typus des Durchschnittskonsumenten gebraucht.
"Berliner Ballade" basiert auf dem Kabarett-Programm "Schwarzer Jahrmarkt" von Günter Neumann. Man verband einzelne Sketche dieses Programms zu einem großen Ganzen und als roter Faden war es die Hauptfigur die als synthetisches Abbild des Durchschnittsdeutschen fungierte.
Die Geschichte beginnt aber in der Zukunft im Jahr 2048. Dort erinnert man sich zurück an die Ereignisse vor 100 Jahren, als die Stadt noch in Trümmern lag und wo das Wirtschaftswunder noch in weiter Ferne lag.
Ein Kriegsheimkehrer hat es schwer. So musste Otto Normalverbraucher (Gerd Fröbe) den weiten Weg vom Süden Deutschlands auf sich nehmen, um in die zerstörte Heimatstadt zu gelangen. Mit Mühe findet er auch seine alte Wohnung, muss aber feststellen, dass die Wohnung teils zerstört und teils von ungebetenen Untermietern in Beschlag genommen wurde. Schließlich sind die Wohnung mehr als knapp, bei soviel zerbombten Häusern. Doch Otto ist kulant und lässt den sympathischen Schieber Anton Zeithammer (Aribert Wäscher) und die resolute Ida Holle (Tatjana Sais) weiterhin bei sich wohnen. Immerhin betreibt Frau Holle eine florierende Partnervermittlung, denn in Berlin sind die Männer knapp. Auf 7 Frauen kommt derzeit nur ein einziger Mann. Der Hunger ist auch groß und so schläft Otto sehr viel. Dies kostet ihn seinen ersten Job als Nachtwächter, weil er den Raub der Kleiderkollektion einfach verpennt. Eine Druckerei stellt ihn ein, doch die muss wieder schließen und so sucht er sein Heil in den Besuchen von politischen Veranstaltungen, sowohl im West- als auch im Ostsektor der Stadt. Dann begegnet er aber im Bus seiner Traumfrau, die ihm schon im Traum erschienen ist und ihm an einem üppigen Kuchenbüffet zulächelte. Diese Traumfrau heißt Eva Wandel (Ute Sielisch) und nun wird geheiratet....




Am Ende steht der Held vor seinem eigenen Grab, denn man hat ihn voreilig für tot erklärt. Auf dem Friedhof animiert er aber die Trauergäste dazu symbolisch Angst, Hass und Neid zu beerdigen.
Ein seltenes Beispiel dafür, dass es frühe Nachkriegsfilme aus Deutschland gibt, die die ganze Misere mit viel Satire einfangen. Man lacht und das Lachen bleibt öfters im Halse stecken. Das Drehbuch war locker konzipiert und ließ den Akteuren viel Raum zu improvisieren und es gibt auch einige Gesangseinlagen von Rita Paul, Ingeborg Oberländer, Tatjana Sais und Bully Buhlan. Es gibt eine Menge treffender Pointen, die sich direkt auf die Problematik dieser Nachkriegswirklichkeit beziehen. Klasse auch die Szene, in der der Schauspieler O.E. Hasse in einer Doppelrolle als östlicher und westlicher Militarist in einer Kneipe zu sehen ist. Die beiden denken schon wieder in strategischer Manier über den nächsten Krieg zwischen West und Ost nach und wer ihn wohl gewinnt. Bei den Filmfestspielen in Venedig 1949 bekam der Film den Silbernen Löwen.




Bewertung: 8,5 von 10 Punkten. 

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