Der Kriegsheimkehrer...
Anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Kinos führte der Verband Deutscher Cinémathèques eine Umfrage unter Filmhistorikern, Filmjournalisten, Filmkritikern, Filmemachern und Filmemachern durch, um die 100 wichtigsten deutschen Filme von den Anfängen bis zur Gegenwart auszuwählen.
Darunter befindet sich
auch der heute leider sehr in Vergessenheit geratene satirische
Trümmerfilm "Berliner Ballade" des Regisseurs Robert A. Stemmle. Er
erreichte den 98. Rang und zeigte dem Kinopublikum erstmalig den
Nachwuchsschauspieler Gerd Fröbe - damals gertenschlank, ja fast dünn.
Er spielt in dem Film die Hauptfigur Otto Normalverbraucher, ein
Kriegsheimkehrer, der sich nur schwer in seiner Heimat Deutschland
zurechtfindet. Der Begriff "Otto Normalverbraucher" fand durch diesen
Film den Eingang in die deutsche Sprache und wird auch heute noch sehr
häufig für den Typus des Durchschnittskonsumenten gebraucht.
"Berliner Ballade"
basiert auf dem Kabarett-Programm "Schwarzer Jahrmarkt" von Günter
Neumann. Man verband einzelne Sketche dieses Programms zu einem großen
Ganzen und als roter Faden war es die Hauptfigur die als synthetisches
Abbild des Durchschnittsdeutschen fungierte.
Die Geschichte beginnt
aber in der Zukunft im Jahr 2048. Dort erinnert man sich zurück an die
Ereignisse vor 100 Jahren, als die Stadt noch in Trümmern lag und wo das
Wirtschaftswunder noch in weiter Ferne lag.
Ein Kriegsheimkehrer hat
es schwer. So musste Otto Normalverbraucher (Gerd Fröbe) den weiten Weg
vom Süden Deutschlands auf sich nehmen, um in die zerstörte Heimatstadt
zu gelangen. Mit Mühe findet er auch seine alte Wohnung, muss aber
feststellen, dass die Wohnung teils zerstört und teils von ungebetenen
Untermietern in Beschlag genommen wurde. Schließlich sind die Wohnung
mehr als knapp, bei soviel zerbombten Häusern. Doch Otto ist kulant und
lässt den sympathischen Schieber Anton Zeithammer (Aribert Wäscher) und
die resolute Ida Holle (Tatjana Sais) weiterhin bei sich wohnen.
Immerhin betreibt Frau Holle eine florierende Partnervermittlung, denn
in Berlin sind die Männer knapp. Auf 7 Frauen kommt derzeit nur ein
einziger Mann. Der Hunger ist auch groß und so schläft Otto sehr viel.
Dies kostet ihn seinen ersten Job als Nachtwächter, weil er den Raub der
Kleiderkollektion einfach verpennt. Eine Druckerei stellt ihn ein, doch
die muss wieder schließen und so sucht er sein Heil in den Besuchen von
politischen Veranstaltungen, sowohl im West- als auch im Ostsektor der
Stadt. Dann begegnet er aber im Bus seiner Traumfrau, die ihm schon im
Traum erschienen ist und ihm an einem üppigen Kuchenbüffet zulächelte.
Diese Traumfrau heißt Eva Wandel (Ute Sielisch) und nun wird
geheiratet....
Am Ende steht der Held
vor seinem eigenen Grab, denn man hat ihn voreilig für tot erklärt. Auf
dem Friedhof animiert er aber die Trauergäste dazu symbolisch Angst,
Hass und Neid zu beerdigen.
Ein seltenes Beispiel
dafür, dass es frühe Nachkriegsfilme aus Deutschland gibt, die die ganze
Misere mit viel Satire einfangen. Man lacht und das Lachen bleibt
öfters im Halse stecken. Das Drehbuch war locker konzipiert und ließ den
Akteuren viel Raum zu improvisieren und es gibt auch einige
Gesangseinlagen von Rita Paul, Ingeborg Oberländer, Tatjana Sais und
Bully Buhlan. Es gibt eine Menge treffender Pointen, die sich direkt auf
die Problematik dieser Nachkriegswirklichkeit beziehen. Klasse auch die
Szene, in der der Schauspieler O.E. Hasse in einer Doppelrolle als
östlicher und westlicher Militarist in einer Kneipe zu sehen ist. Die
beiden denken schon wieder in strategischer Manier über den nächsten
Krieg zwischen West und Ost nach und wer ihn wohl gewinnt. Bei den
Filmfestspielen in Venedig 1949 bekam der Film den Silbernen Löwen.
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.
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