Samstag, 16. Januar 2021

Die Wahrheit über Rosemarie


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Rudolf Jugert

Ein nie aufgeklärter Mord...

Rosemarie Nitribitt war eine deutsche Prostituierte, die am 29. Oktober 1957 in ihrer Frankfurter Wohnung ermordet aufgefunden wurde. Der Fall führte zu einem echten Skandal im Wirtschaftswunderland, denn bei den polizeilichen Ermittlungen wurde herausgefunden, dass das Mädchen Rosemarie Kontakt zu sehr bedeutenden und angesehenen Persönlichkeiten hatte. Der Mordfall selbst wurde nie aufgeklärt, doch das Gerücht hielt sich bis heute fest, dass bestimmte Kreise aus Wirtschaft und Politik die Aufklärung gezielt verhindern wollten.
Im Jahr 1958 wurde der berüchtigte Kriminalfall von Rolf Thiele mit Nadja Tiller in der Titelrolle verfilmt - ihm gelang ein echter Publikums- und ein Kritikerfavorit. Einige Monate später kam ein weiterer Rosemarie Film in die deutschen Kinos. Der Regisseur Rudolf Jugert (Film ohne Titel, Nachts auf den Straßen, Rosen im Herbst, Der Meineidbauer, Kennwort Reiher) vrsuchte an den Erfolg des Thiele Films anzuknüpfen. Die Hauptrolle in den heute beinahe vergessenen und im deutschen TV nie gezeigten Film "Die Wahrheit über Rosemarie" speilte die Engländerin Belinda Lee, die zwei Jahr nach diesem Film bei einem Autounfall ums Leben kam.
Aus heutiger Sicht ist der Film als Zeitdokument interessant. Die Moralvorstellungen sind der damaligen sehr verklemmten Zeit geschuldet, aus heutiger Sicht wirken sie sehr entlarvend auf die damalige Scheinmoral. Jugert beging den Fehler den Lebenswandel als mörderisch zu deuten und stellt der "verkommenen" Rosemarie unbescholtene Bürger gegenüber, die sich gegen die lasterhafte Frau zur Wehr setzen müssen. Unterschiedlicher konnten beide Rosemarie Filme kaum sein, denn Thieles Film nutzt diesen Kriminalfall für einen satirischen Rundumschlag auf die Befindlichkeiten und die Verlogenheit im Wirtschaftswunder Deutschland und unterlässt die moralische Keule mit der "Die Wahrheit über Rosemarie" agiert.
Rosemarie (Bellinda Lee) wird aus der Besserungsanstalt entlassen und begeht bereits da den ersten Fehler, der am Ende zu ihrem Tod führt - sie nimmt die angebotene Stelle nicht an, stattdessen leiht sie sich von der älteren Prostituierten Edeltraud (Hanna Micaela) 80 Mark aus um Klamotten zu kaufen, damit sie für die potentiellen Freier noch attraktiver wird. Das Geld zahlt sie nie zurück und bald hat sie sich in Frankfurt einen Namen als Prostituierte gemacht. Ein alter russischer Geschäftsmann (Walter Rilla) verliebt sich trotzdem in sie. Er würde sie sogar trotz ihrer zweifelhaften Vergangenheit ehelichen, doch er verlangt absolute Treue, was Rosemarie nicht einhalten kann. Während der Mann auf Geschäftsreise ist, geht sie weiter ihrem Job nach und der Vermieterin Frau Huber (Lina Carstens) wird das langsam zuviel. Am Ende ist Rosemarie wieder allein, ohne Aussicht auf ein bürgerliches Leben und wird von anständigen deutschen Männern wie Fred Guttberg (Claus Wilcke) oder Herr Reimer (Paul Dahlke) zurückgewiesen. Allerdings kann sich Rosemarie nicht über zahlungswillige Kunden beklagen. Ihr Beuteschema sind gut situierte Herren mittleren Alters wie der Industrielle Bernbeil (Hans Nielsen) oder Karl Riedendank (Karl Schönböck), dem sie absichtlich ins Auto fährt. Auch ein Zuhälter (Karl Lieffen) hat Interesse an Rosemarie. In ihrem schick eingerichteten neuen Appartment empfängt sie weiterhin Herrenbesuch und mobbt nebenbei die Putzfrau Frau Groll (Edith Schulze-Westrum)...



Aufgrund der Scheinmoral, die der Film sich traut, wird man an "Anders als du und ich (§175) von Veit Harlan erinnert. Beide Filme verfolgen die ähnliche Strategie des Mitleids für diese Menschen, die vom Virus der Unmoral befallen sind und daran zu Grunde gehen müssen. In Harlans Film ist es jedoch das mit allen Mitteln zu unterdrückende Coming out eines jungen Mannes. Der semidokumentarische Stil soll die Gefahren des langsamen Verfalls aufzeigen. Die schauspielerischen Leistungen sind jedoch gut gelungen.



Bewertung: 6 von 10 Punkten. 

 

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