Regie: John Frankenheimer
Der Mann, der Arthur Hamilton war...
In den 60er Jahren hat Regisseur John Frankenheimer eine ganze
Reihe von bemerkenswerten Filmen gedreht. Sein 1962 inszenierter
"Botschafter der Angst" hat seit einigen Jahren endlich der ihm
gebührende Platz in der Liste der besten Filme aus den 60er Jahren. Und
sein 1966 gedrehter "Der Mann, der zweimal lebte" hat das Potential zum
echten Kultfilm. Leider ist "Seconds" - so der Originaltitel - immer
noch weitestgehend unbekannt.
Es ist auch nicht ganz leicht, den Film in ein Genre zu stecken.
Einerseits kann man ihn als "Science Fiction" einordnen, doch je länger
die Laufzeit desto mehr greift ein sehr unangenehmer Horror in die
Geschichte ein. Und die Geschichte ist genauso fantastisch angelegt wie
die in "Botschafter der Angst" - dort geht es um eine Gruppe von
Soldaten, die in Korea durch eine Gehirnwäsche zu Marionetten der
Sowjetunion werden. Auch in "Der Mann, der zweimal lebte" mischt eine
geheime Organisation mit, wenn es darum geht, dass ein Mann - zuerst
gegen seinen Willen, dann freiwillig - eine neue Identität erhält und
dann zur striken Einhaltung dieser neuen Identität gezwungen wird. Wenn
man "Sieben Tage im Mai" dazuzählt, dann kann man wohl von einer 60er
Paranoia-Trilogie des Regisseurs sprechen, die qualitativ Alan J.
Pakulas 70er Jahre Paranoia Trilogie (Klute, Zeuge einer Verschwörung,
Die Unbestechlichen) in nichts nachsteht.
"Der Mann, der zweimal lebte ist auch eine Art Mysterium, dass sich
mit der Obsession ewiger Jugend beschäftigt und die Fragen aufwirft
"wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte" oder "Könnte ich nur ein anderer
Mensch sein".
Rock Hudson bewies auch hier, dass er leider als Schauspieler oft
unterschätzt wurde - hier liefert er eine beeindruckende Darstellung.
Sie ist allerdings gekoppelt an die Figur des Arthur Hamilton, gespielt
von John Randolph.
Der ist ein Mann im mittleren Alter, der glaubt, dass sein Leben
stark an Sinn verloren hat. Er hat zwar beruflichen Erfolg, doch dies
erfüllt ihn n icht mehr. Er erlebt und empfindet die Liebe zu seiner
Frau Emily (Frances Reid) als erkaltet. Seine einzige Tochter sieht er
kaum noch, sie lebt inzwischen ihr eigenes Leben weit weg vom
Elternhaus.
Was hat aber der Anruf seines besten Freundes Charlie Evans
(Murray Hamilton) in ihm ausgelöst ? Seine Frau jedenfalls macht sich
Sorgen, er konnte nicht mehr einschlafen, nachdem er diesen mysteriösen
Anruf mitten in der Nacht bekam.
Am anderen Tagen wird er erneut angerufen und verabredet sich mit
dem Mann, der sich für Charlie ausgibt, in einer riesigen
Fleischverpackungsanlage. Die Augen werden ihm verbunden, ein Mann hilft
ihm in einen Lastwagen zu steigen und dann fährt er durch die Stadt zu
seinem geheimen Bestimmungsort. Es ist ein großer Komplex mit dunklen,
leeren Fluren. Eine Mitarbeiterin begrüßt ihn und bietet ihm eine Tasse
Tee an, bevor er empfangen wird. Dann schläft er ein und als er aufwacht
macht man ihm das Angebot eine Verwandlung zu machen. Sein Freund
Charlie hätte ihn empfohlen. Er soll durch plastische Chirurgie ein ganz
neues jüngeres Gesicht erhalten und eine neue Identität als "Antiochus
Tony Wilson". Sein Tod als Arthur Hamilton wird von dieser Firma auch
inszeniert, alles soll so aussehen, dass das alte ich bei einem
Hotelbrand den Tod fand. Noch zögert Hamilton, doch durch das
freundliche und kompentente Personal wie Mr. Ruby (Jeff Corey) oder
diesen väterlichen alten Mann (Will Geer) gibt er sein "Ja" zum neuen
Leben. Tatsächlich hat der Chirurg (Richard Anderson) großartiges
geleistet. Und mit dem Butler John (Wesley Addy) steht ihm eine
geschulte Kraft für die Schwierigkeiten der ersten Zeit zur Seite.
Leider findet Wilson keinen Gefallen an seiner neuen Identität. Er lernt
zwar eine attraktive Frau (Salome Jens) kennen, die ihm einige
Hemmungen wegnimmt, doch das Grübeln hört damit nicht auf...
Kameramann James Wong Howe liefert ebenso wie Regisseur
Frankenheimer eine beeindruckende Leistung. "Der Mann, der zweimal
lebte" kann über die gesamte Laufzeit seine düstere Faszination
aufrechterhalten. Man nimmt der Figur die Grüblerei und die
Selbstzweifel völlig ab, die sich mit dieser neuen Identiät einstellen.
Dabei kommt der tragische Held zurück zu seinen Roots und erkennt, dass
es gar kein Zurück mehr geben kann - alles wirkt nun nur noch schwebend.
Der Schlußpart ist extrem fies und bietet echten Horror, dabei lässt
Frankenheimer den Protagonisten lange Zeit im Glauben, dass diese
Organisation nur Gutes möchte. Denn dieser Geschäftsführer, ein alter
Mann, scheint aus einen Frank Capra Film als guter Geist entsprungen zu
sein, er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Engel Clarence aus "Ist das
Leben nicht schön" oder Chang oder dem hohen Lama aus "In den Fesseln
von Shangri La". Aber der Schein könnte trügen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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