Donnerstag, 5. Juli 2018

Tatis Schützenfest

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Regie: Jacques Tati
 
Briefträger Francois und die amerikanische Idee...
 
Zu den Bewunderern von Jacques Tatis Erstling "Jour de fete" (deutscher Titel: Tatis Schützenfest) gehörte auch der Stummfilmkomiker Buster Keaton, der meinte "Tati knüpft an dem Punkt an, wo wir vor einigen Jahrzehnten stehengeblieben sind".
Tatsächlich knüpft Tati an die großen Vorbilder der Stummfilmzeit an. Trotz vorhandener Tonspur - in den späteren Filmen von Jacques Tati wird noch viel weniger geredet als hier - dominiert wie im Stummfilm das pantomimische Element. Vor dem Dialogwitz sthet immer zuerst die Situationskomik und der Slapstick. Das zentrale Thema in "Tatis Schützenfest" aus dem Jahr 1947 ist die Schwierigkeit des Einzelnen im Umgang mit der modernen Welt und von den Tücken des Alltags. Jacques Tati spielt den schlaksigen und eher unbeholfenen Briefträger des kleinen französischen Provinznests Sainte-Severe.
Der Briefträger macht seinen Job mit einer großen Hingabe, aber er ist auch immer wieder sehr schnell abgelenkt.  Vor allem heute, denn es steht der alljährliche Jahrmarkt an, auf den sich alle freuen. Die Kinder sehen schon von weitem die Schausteller mit ihren Wägen, darauf sind auch schon die Pferde des Karussels zu sehen. Kein Wunder, dass die Kleinen den Wägen hinterherlaufen, bis diese auf dem Dorfplatz angekommen sind. Eine alte bucklige Frau mit ihrer Ziege beobachtet das Treiben ihrer Mitmenschen. Der Wirt hat seine Kneipe auf Vordermann gebracht und im letzten Augenblick die Stühle frisch gestrichen. Der Bürgermeister begrüßt die Schausteller Roger (Guy Decomble) und Marcel (Paul Frankeur), die gleich mit dem Aufbau beginnen. Nebenbei macht Roger dem Mädchen, dass aus dem Fenster schaut (Maine Vallee) schöne Augen, was seiner Frau nicht verborgen bleibt. So sind sie halt, die fahrenden Leute...locker und einem Seitensprung nicht immer abgeneigt. Neben dem Jahrmarkt und dem Karussell gibts sogar noch ein Kinozelt. Dort soll ein Western gezeigt werden und ein Kurzfilm über die Leistungen der Post in den USA. Dieses besonders schnelle und effektiv arbeitende Postverteilungssystem zeigt Briefträger mit Pilotenschein und als waghalsige Helden, die sich von der Luft aus auf den höchsten Wolkenkratzer herunter transportieren lassen. Auch Francois, schon etwas betrunken, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das ist doch was anderes als den Aufbau der Fahnenstange zu koordinieren wie heute morgen oder das erfolglose Dosenwerfen von vorhin. Die Schausteller überreden ihn auch noch zusätzlich, sich ab sofort an diesem US-Vorbild zu orientieren. Und tatsächlich: Am anderen Tag versucht Francois, der Briefträger, mit seinem klapprigen Fahrrad das amerikanische Tempo aus dem Kurzfilm zu übernehmen....



Dies gelingt teilweise grandios, wenn er zum Beispiel seine Briefe auf der Ladeklappe eines Lastwagens stempelt, um zeit zu sparen oder auch wenn er so aufgedreht hat, dass er mühelos die Radsportler der Tour de France hinter sich lässt. Die Tücken sind aber genauso präsent, denn irgendwann landet er im Fluß oder sein Rad wird von einer Bahnschranke in die Höhe gehievt. Alles an "Tatis Schützenfest" ist total orginell und mit wenig anderen Filmen vergleichbar. Es entsteht nach einer gewissen Eingewöhnungszeit eine Faszination bei der Betrachtung dieser Dorfchronik, wo das Leben noch in Ordnung ist/war. Das Szenario ist immer etwas skurril, es hat aber auch einiges an Poesie zu bieten. So bleibt das Bild der Kinder, die den Wagen der Schausteller ins Dorf begleiten und am Ende wieder hinaus begleiten, in Erinnerung - stellvertretend für eine Zeit, die nicht wieder kommt. Tati hat aber ein kleines Denkmal diesem Dorf und seiner sonderbaren Bewohner gesetzt.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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