Regie: Victor Sjöström
Geisterhafte Silvesternächte...
"Der Fuhrmann des Todes" (Original: Körkarlen) von Victor Sjöström
entstand 1921 nach der gleichnamigen Novelle von Selma Lagerlöf. Ihr
Buch entstand wiederum im Auftrag der "Schwedischen Vereinigung zur
Bekämpfung von Tuberkulose" und sollte die Leser über die Krankheit
aufklären. Die Schriftstellerin selbst war von diesem Thema sehr
betroffen, da ihre Schwester an Tuberkulose gestorben war. Die Autorin,
die bereits zur Entstehung des Films den Nobelpreis für Literatur,
gewinnen konnte, thematisierte in "Kärlaken" auch die sozialen Mißstände
Schwedens und verband diese mit den mystischen Jenseits-Vorstellungen
eines geisterhaften Fuhrmanns, der zwischen dem Diesseits und dem
Jenseits agiert.
Victor Sjöström war der Wunschregisseur der Autorin und der setzte
die vielschichtige Handlung des Buches mit den Mitteln des Films um,
dabei legte er vor allem großen Wert auf eine realistische
Charakterzeichung, aber auch die geisterhafte Atmosphäre war ihm sehr
wichtig. Dank seiner damals schon sehr ausgereiften Kameratechnik und
Lichtsetzung, des Einsatzes von Mehrfachbeleuchtungen und einer
ausgeklügelten Montage und Kameraführung wirkt "Der Fuhrmann des Todes"
geradezu schwebend zwischen Traum und Wirklichkeit. Ingmar Bergman war
ein großer Fan dieses schwedischen Stummfilms und die beiden waren durch
eine tiefe künstlerische Beziehung verbunden. Mit seiner Rolle des Dr.
Isak Bork in dem Bergman Meisterwerk "Wilde Erdbeeren" bleibt Sjöström
auch als Schauspieler unvergessen.
Die Geschichte bezieht sich auf eine uralte schwedische Sage. Darin
zieht in jeder Silvesternacht der Fuhrman des Todes (Olof As) durchs
Land, um nach einem Sünder zu suchen, der in dieser Nacht stirbt. Es
muss der letzte Tote des alten Jahres sein. Dieser Sünder muss ab dem
neuen Jahr im nächsten Jahr der Fuhrmann sein.
Vielleicht trifft es diesmal die schwerkranke Heilsarmeeschwester
Edit (Astrid Holm), die auf dem Sterbebett liegt. Die junge Frau hat
Schwindsucht und wird nur noch wenige Stunden leben. Sie möchte auf
jeden Fall noch den heruntergekommenen David Holm (Victor Sjöström)
sprechen, doch der ist unauffindbar. Dennoch suchen Schwester Maria
(Lisa Lundholm) und Gustaffson (Zot Wejden) weiter nach dem Trunkenbold.
Edits Mutter (Concordia Selander) ist etwas schockiert, weil ihre
Tochter gerade diesen noch einmal sehen will. Dieser hat aber keine Zeit
für die fromme Frau, denn er treibt sich mit zwei anderen Zechern am
Friedhof herum und nach zuviel Alkohol kommt es zum Streit und zu einer
Schlägerei. David Holm bleibt liegen - da plötzlich der Fuhrmann des
Todes erscheint, wird ihm schnell klar, dass er während des
Glockenschlags ermordet wurde. In wüsten Träumen erlebt er noch einmal
die Stationen seines verpfuschten Lebens und er denkt auch an seinen
Bruder (Einar Axelsson) und vor allem an seine Frau Anna (Hilda
Borgström), die ihn vor einiger Zeit verlassen hat...
Sjöström gelang mit seinem Film ein faszinierendes Spiel von Licht
und Schatten. Die Zerissenheit des Geistes sowie die Darstellung unserer
Welt als eine quälende Vorhölle zwischen Himmel und Erde haben den Film
bekannt gemacht und ihm den unverwüstlichen Klassikerstatus
eingebracht. Bereits in einem früher entstandenen Film - Ingeborg Holm
aus dem Jahr 1913 - hat Sjöström das gleiche Thema verarbeitet. Eine
kalte Gesellschaft, die an der Zerstörung der Würde des Einzelnen
beteiligt ist und mit ihrer destruktiven Kraft den Einzelnen in den
Wahnsinn treiben kein.
Bewertung: 8 von 10 Punkten.
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