Regie.: Willi Forst
Eine Liebesgeschichte...
Willi Forst war in den 30er und 40er Jahren nicht nur ein sehr
populärer Schauspieler sondern auch ein gefragter Regisseur der beim
Publikum beliebten "Wiener Filme" wie "Maskerade" (1934), "Allotria"
(1936), "Wiener Blut" (1942) oder "Wiener Mädeln" (1945) - meistens mit
Operette und manchmal mit Screwball Einschlag.
In der Nachkriegszeit blieben die Erfolge leider aus. Eine Ausnahme
bildet aber der Skandalfilm "Die Sünderin", den er 1950 mit der
deutschen Diva Hildegard Knef drehte. Sieben Millionen Zuschauer wollten
den tragischen Liebesfilm sehen. Diese hohe Anzahl von Kinobesuchern
verdankt der Film dem Feldzug der katholischen und evangelischen Kirche,
die "Die Sünderin" als widerliches Machwerk anprangerte, in dem
Prostitution, Sterbehilfe, Euthanasie und Suizid bedenkenlos gezeigt
wird und sogar noch als einziger Ausweg deklariert wird. Der Skandal
wurde auch nur durch eine wenige Sekunden lange Szene verstärkt, in der
man die Brüste der Knef sehen konnte. In den Kirchen wurde der Film zum
Inhalt der Predigten, die Gläubigen wurden darauf eingeschworen, dass
mit dem Forst Film ein gesellschaftlicher Verfall einher ginge und als
gläubiger Christ müsse man die Aufführung sogar verhindern. Es kam beim
Filmstart 1951 zu Tumulten, so wurden u.a. Stinkbomben in die Kinos
geworfen, man demonstrierte und verteilte Handzettel gegen das Machwerk.
Stadt- und Kreisbehörden verboten sogar die Aufführung des Films.
Kabinette von Bundesländern bezeichneten ihn als Werk mit
entsittlichender Wirkung, es war sogar die Rede von
verfassungsfeindlichen Tendenzen.
Aus heutiger Sicht ist "Die Sünderin" ein Gegenentwurf der damals
vorherrschenden Kinoproduktionen, die in Deutschland realisiert wurden
und Forsts Film gilt inzwischen als meisterhaftes Melodram und bewegt
sich mehr und mehr zu einem der größten deutschen Filme der 50er Jahre.
Dies ist auch der charismatischen und wunderschönen Hildegard Knef zu
verdanken, die den Film fast mühelos im Alleingang trägt. Damals wurde
sie für diese Rolle angefeindet, sie äusserte in einem Interview, dass
Menschen das Lokal wechselten, wenn sie es betrat.
Aus heutiger Sicht hat Willi Forst einen Film über zwei
Aussenseiter der Gesellschaft gedreht, die sich finden und gemeinsam die
große Liebe finden.
Marina (Hildegard Knef) wächst im 3. Reich auf und ihr Stiefvater
(Robert Meyn) wird von der Gestapo verhaftet. Marinas Mutter (Änne
Bruck) betrügt ihren Gatten und der Stiefsohn (Jochen Wolfgang Meyn)
baggert die etwas jüngere Marina an. Er zwingt sie subtil zu einem
heimlichen Verhältnis. In den folgenden Jahren verdient sich die junge
Frau ihr Geld durch Prostitution, dies ermöglicht ihr ein Leben im
Luxus. Sie lernt den gescheiterten Maler Alexander (Gustav Fröhlich)
kennen, zum ersten Mal hat sie das Gefühl verliebt zu sein. Doch das
gemeinsame Glück ist nur von kurzer Dauer. Der Maler droht durch einen
Gehirntumor zu erblinden. Gemeinsam reisen sie nach Italien. Marina
versucht es wieder mit Prostitution. Nur so kann eine teure Operation
bezahlt werden. Doch diese Versuche misslingen. Sie lernt aber einen
Chirurgen (Andreas Wolf) kennen, der diese Operation durchführen könnte.
Hat die Liebe vielleicht doch noch eine Chance ?
Der in Karlsbad geborene Kameramann Vaclav Vich mit einer
großartigen Leistung. Seine schwarz-weiß Aufnahmen geben dem Film eine
magische wie bedrohliche Aura. Er war auch für die Bilder in den Filmen
"Nachts auf den Straßen" und "Der Verlorene" verantwortlich. Leider
wurde der Publikumserfolg damals auch von der Filmkritik verrissen - sie
enthielten sich zwar der moralischen Wertung wie die Kirche, aber sie
sahen Forsts Film vor allem das Kalkül mit skandalträchtigen Themen
Kasse zu machen. Noch dazu fanden sie "Die Sünderin" reichlich
kolportagehaft. Was mir beweist, dass zeitgenössische Kritiken immer
auch ein bisschen mit Vorsicht zu geniessen sind. Ein Meisterwerk
entwickelt sich auch mit der Zeit, in einer retrospektiven Sichtweise
werden oft Vorzüge sichtbar, die man in der Momentaufnahme gar nicht
bemerkte.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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